Auf einmal wurde es still, so still, die Erde schien sich nicht mehr zu drehen. Ich schien alles zu sehen, alles verstand ich, alles. Wie in Trance rief ich die Frau an und sagte, sie müsse mir helfen, ich wisse nun alles, ich sähe alles glasklar, es sei wunderschön.
„Mein Gott“ rief sie, „das kannst du nicht tun, geh nicht, die wollen dich noch nicht haben! Das kannst du deiner Familie nicht antun, deinen Eltern schon gar nicht. Deine Zeit ist noch nicht gekommen, komm zurück!“
Ich wusste, was sie damit meinte. „Die wollen dich noch nicht haben“, klang es in meinen Ohren.
Ich sprach noch mit der Nachbarin, wie es ihr gehe und was sie so mache, nur um mich abzulenken.
Das Krankenauto kam, das mein Mann organisiert hatte. Natürlich war ich so durcheinander und verwirrt, dass der Pfleger das schon von Weitem sah. Ich sagte, ich wolle in das Spital und wolle eine Infusion, da ich zu wenig Flüssigkeit hätte.
Er sah mich an und sagte: „Das bringt nichts, sie sind zu durcheinander. Das Beste wäre, wenn wir sie in die Irrenanstalt fahren. Sind Sie damit einverstanden?“
Im Bruchteil einer Sekunde, dachte ich: Jetzt haben sie dich, sie werden dich einsperren, da kommst du nie mehr heraus. Ich wurde ganz ruhig, und sagte, ich käme mit für Abklärungen.
Sie fragten meinen Mann, was er meine. Er sagte, ja, es sei momentan das Beste.
Ich stieg in das Krankenauto ein. Ich wusste, wohin die Fahrt ging. Panik überfiel mich wieder und ich versuchte, mich selber zu beruhigen, was mir gelang. Ich starrte aus dem Fenster und betrachtete die Bäume, die Sonne, die Wolken. Natürlich wollte ich aus dem Auto raus. Wenn du jetzt einen Anfall hast , dachte ich, dann kannst du alles vergessen .
Der Pfleger versuchte, mich ebenfalls zu beruhigen (oder auch nicht), und sagte, dass es viele wie mich gäbe, dass man sich nicht zu schämen brauche.
Ach ja , dachte ich, Irrenanstalt blieb für mich Irrenanstalt!
Ich war noch nie in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Als wir dort einbogen, sah ich einen großen trostlosen Komplex, alles schien mir so kalt. Wenn du bis jetzt noch keinen Knall hattest, spätestens hier kriegst du ihn, garantiert , war mein erster Gedanke. Sie brachten mich in einen Vorraum (natürlich die Türe zugesperrt). Alleine! Da hast du schon schiss, der Puls auf 180 und dann sperren die dich in einen kalten, unsympathischen (kein einziges Blümchen) Raum. Glatte 15 Minuten ließen sie mich alleine. Zum Glück kann ich hinterher sagen, dass ich die Zeit brauchte, um nachzudenken und endlich zur Besinnung zu kommen.
Der Psychiater kam mit einer Lehrtochter. Sie fragten mich, wie ich mich fühle!
„Beschissen“, antwortete ich.
Als Erstes fragte er mich, ob ich Stimmen im Ohr hätte, und ob ich im Sinn hätte, mir etwas anzutun!
Nein (auf die Idee kam ich nie) gab ich zurück, ich könne das meiner Familie niemals antun, so bescheuert wäre ich nun wirklich nicht.
Er glaubte mir.
Die Lehrtochter sah immer nur auf ihre Fingernägel. Ob ich die heute noch rot streichen soll?, fragte sie sich wohl.
Ich erzählte von früher, von der Kindheit und so (das schien ihn brennend zu interessieren), fragte mich aber, was die Kindheit gemeinsam hat mit dem, was passiert war.
Er fand nichts Außergewöhnliches an mir (hatte ja auch nicht alles erzählt), trotzdem meinte er, dass es vielleicht gut wäre, wenn ich über Nacht bleiben würde.
Ich stellte mir das vor: Du wirst eingesperrt, mit Tabletten vollgedröhnt, bis du wirklich nicht mehr weißt, wer du bist, und dann bekommt du von einem Psychiater gesagt, was für ein schlechter Mensch du bist! „Nein danke“, gab ich zurück, „ich gehe nach Hause“. Ich musste noch die Formulare für die Entlassung unterschreiben (für die Rechnung) und das war‘s! Weg war ich.
Draußen auf dem Gelände wartete ich auf meinen Mann, der mich abholen kam. Ich ließ alles noch mal alles Revue passieren, und stellte fest, dass solche Leute nicht das geringste Interesse an dir zeigen. Du bist ihnen auf Deutsch gesagt scheißegal. Ich sah die Lügen, die Heuchelei, ich sah wie sie einem etwas vorspielen. Die gehen überhaupt nicht auf einen Menschen ein, sie machen sich nicht die geringste Mühe, es zu verstehen. Da belegen sie ein Studium in Psychologie, lernen das Zeugs auswendig (was ja keine Kunst ist), heften sich an die Meinungen anderer und geben das Gesagte weiter, weil es einfach so ist. Keiner macht sich die Mühe, das Gesagte einmal zu hinterfragen! Sicherlich gibt es Ehrliche, die den Menschen verstehen wollen, aber finde die einmal. Es gibt so viele in der Irrenanstalt, die sich verloren haben im Universum, die den Weg nicht zurückfinden. Die könnte man alle zurückholen, würde man einmal auf sie eingehen. Aber nein, die sind alle verrückt, da kann man nur Pharmazeutika beisteuern. Sind die wirklich verrückt? Für uns ja, weil wir das einfach nicht verstehen wollen. Ist es nicht so, dass alles für verrückt erklärt wird, wenn wir keine Erklärung dafür haben? Und alles schiebt man auf die Kindheit ab: „Die Eltern waren schlecht, was kann man anderes erwarten.“ Die Eltern schieben wiederum alles auf ihre Eltern ab, die wieder auf ihre etc. Ein Schuldiger muss her! Frage: Wer ist das?
Wenn ein Irrer sagt: „Ich bin Napoleon“, lachen alle und antworten: „Das kann nicht sein, du bist nie und nimmer Napoleon.“
Wer sagt denn, dass er nicht Napoleon ist? Kann man beweisen, dass er nicht Napoleon ist? Die Seele ist unsterblich und schließlich habe ich die Seelen (Lichter) gesehen. Jeder Gedanke schwirrt im Universum herum, ein Gedanke ist unvergänglich. Die Gedanken kommen zu dir zurück. Ich bin bei geistiger Gesundheit, da bin ich mir ganz sicher, aber die Psychologen scheinen das nicht zu kapieren! Es gibt nun mal Dinge, die man nie und nimmer beweisen kann, aber trotzdem wahr sind!
Es gibt ein Witz über einen Psychologen und einen Irren. Der Psychologe fragt: „Wer hat dir erzählt, dass du Napoleon bist?“
„Gott hat mir das gesagt“, antwortet der Irre.
Ein anderer Irrer steht in der Ecke und schaut ganz verdutzt: „Wie bitte? Was soll ich gesagt haben“?
Mein Mann und meine Tochter kamen. Sie waren überrascht, dass ich nach Hause gehen konnte. Ich erzählte ihnen die ganze Geschichte und dass es mir immer noch mies gehe. Es ging mir dermaßen schlecht, dass wir spontan beschlossen, etwas essen zu gehen. Vielleicht hilft’s , dachte ich (ich hatte immer noch Schwindelanfälle und das Gefühl, ich löse mich auf).
Gesagt getan. Im McDonalds stand ich in einer Reihe und auf einmal war mir bewusst, dass ich mich in einer „Matrix“ befand. Ich bestellte noch einen Salat und verschwand nach draußen. Ich kriegte Schweißausbrüche. Wem, Herrgott noch mal, konnte ich so was erzählen? Dem Regisseur vielleicht, der den Film gemacht hat? Der war aber nicht da. Wer sollte mir helfen? Nicht mal ich konnte mir das erklären.
Mein Mann redete auf mich ein. Ich verstand zwar kein Wort, weil ich nur einen Gedanken hatte: Dableiben, dableiben . Ich stampfte, hielt mich an meiner Tochter fest und redete mit ihr irgendwas über die Schule.
Zuhause rief ich die Frau an und fragte, ob ich vorbeikommen könnte! Notfallmäßig durfte ich zu ihr. Sie wusste alles und sagte: „Das war haarscharf“. Sie holte mich wieder auf den Boden der Tatsache zurück. Und dann wurde ich mal so richtig zusammengestaucht, die Leviten wurden mir von vorn bis hinten vorgelesen! Und dann begriff ich, was ich getan hatte, ich hätte mich beinahe im „Universum“ verloren. Ich war viel zu neugierig, alles wollte ich wissen, immer höher und höher wollte ich, bis es fast zu spät war. Jetzt wollte ich mich wirklich Erden lassen. Dem nicht genug, von der Nachbarin musste ich mir auch so einiges anhören. Die hatten alle Recht, ich sah es ein. Da rennst du zu angeblich professionellen Psychiatern, und wer hilft dir? Deine Familie, deine Freunde (denn das sind die wahren) kurzum dein Umfeld!
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