Die Flupppuppe war einfach eine Wucht!
Sie zog ab wie eine Rakete und Tante Pims Haus unter ihnen war nur noch ein kleiner Punkt zwischen anderen.
Hier oben gab es nur ihn und die Flupppuppe. Hier oben war er frei!
Betrüger-Schorschi sog die Luft tief in seine Lungen ein und freute sich, dass er so lebendig war. Er winkte ein paar Bussarden, die neben ihm kreisten und streckte einem Flugzeug, das in einiger Entfernung an ihnen vorbeiflog, die Zunge raus.
„Euch werde ich es allen noch zeigen!“ rief er. „Ihr Angeber und Nichtsnutze! In Wirklichkeit kann es doch kein Flugzeug mit mir und der Flupppuppe aufnehmen! Euch schickt niemand als Sonderbotschafter ins Blaue Gebirge! Euch schickt man höchstens nach Mallorca oder auf die Malediven!“
Betrüger-Schorschi ballte die Faust in Richtung Flugzeug und lachte. Nach ein paar Sekunden war das Flugzeug aus seinem Blickfeld verschwunden.
Nachdenklich sah Betrüger-Schorschi auf die Kondensstreifen, die vom Flugzeug übrig geblieben waren.
„Hast du das gesehen, Flupppuppe? Die kümmern sich gar nicht um uns! Die tun so, als ob es uns überhaupt nicht gäbe! - Aber keine Sorge! Wenn wir erst einmal einen ungefährlichen Zugang ins Blaue Gebirge gefunden haben und mit den Diamanten klimpern, dann werden sie vor uns winselnd auf die Knie gehen!“
Wie zur Bestätigung wackelten die langen Beine der Flupppuppe im Wind. Trotzdem war Betrüger-Schorschis gute Laune wie weggeblasen. Plötzlich sah er sein Unternehmen in einem anderen Licht:
Was, wenn die die Bewohner des Blauen Gebirges wirklich so gefährlich waren wie ihr Ruf? Was, wenn sie ihn wirklich fangen würden und es ihm überhaupt nicht gelingen würde, einen Weg zurück zu finden? Was, wenn dann womöglich er die Hilfe des jungen Hubels brauchen würde, um lebend wieder zurück zu kommen?
Zugegeben, gestern, als er neben den sagenhaften Flupppuppenbeinen seine Suppe geschlürft und ihn Tante Pim mit ihrer Bewunderung für den jungen Hubel angestachelt hatte, war ihm die ganze Sache leicht erschienen: Zuerst würde er den jungen Hubel verschwinden lassen, dann einen gefahrlosen Ausgang aus dem Blauen Gebirge finden, sich genug Diamanten für ein ausschweifendes Leben bei Seite schaffen und sich schließlich die eigentlich für den jungen Hubel gedachten Lorbeeren aufsetzen.
Aber heute, bei Tageslicht und frischer Luft um die Nase, hatte er doch seine starke Bedenken. War es nicht viel zu gefährlich, ins Blaue Gebirge zu fliegen? Dorthin, von wo es so gut wie kein Zurück mehr gab?
War es nicht wahnsinnig aus diesem Land Diamanten schmuggeln zu wollen? Und konnte er, Betrüger-Schorschi überhaupt etwas erreichen, was vor ihm noch niemandem gelungen war?
Andererseits: Warum sollte ausgerechnet der junge Hubel die geeignete Person für diese gefährliche Mission sein? Jemand, der sich vor allem um das Aussehen seiner Haare und Fingernägel sorgte? Dann doch schon viel eher er , Betrüger-Schorschi! Denn er war nicht nur viel mutiger und verwegener als dieser Milchbubi, sondern er hatte auch noch die Flupppuppe! Die Flupppuppe war sein Trumpf in der Hand, denn sie würde ihm in jeder Not helfen!
Gemeinsam mit ihr würde er alle Gefahren sicher bestehen! Mit ihr würde er einen Weg entdecken, die Diamanten und Edelsteine aus dem Land zu bringen. Und dann würde ihm die Welt zu Füßen liegen und der Reichtum des Blauen Gebirges sicher sein!
Eine starke Böe riss den Ballon ein wenig nach oben und der Korb schwankte. Betrüger-Schorschi lachte heiser und sang das Flupppuppenlied. Nach der dritten Strophe hängte er eine neue, selbst gedichtete Strophe an:
Ich bin die tolle Puppe
nur mit mir gibt’s Suppe
seit heut’ ist auch mein Freund dabei
mit ihm gibt’s Ruhm und Geld wie Heu,
ich trage ihn jetzt übern Berg,
zu Abenteuern, Kind und Zwerg
auf meinen zarten, schlanken,
flugsichren Hinterpranken
Die Beine der Flupppuppe wackelten im Takt von Betrüger-Schorschis neuer Strophe mit. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass die Flupppuppe mit dem Text nicht ganz einverstanden war. Vielleicht würde ihm bald eine bessere Strophe einfallen, doch im Moment musste diese ausreichen.
Betrüger-Schorschi drehte sich auf die andere Seite des Korbs und pfiff überrascht: Die Alpen waren schon erstaunlich nahe! Er musste sich beeilen, an Höhe zu gewinnen.
Schnell öffnete er die Klappe der Flupppuppe und ließ mehr Gas in ihre Beine strömen. Die Beine blähten sich auf und rissen den Korb nach oben.
Auf den Wiesen unter sich konnte Betrüger-Schorschi als braune Punkte ein paar Kühe sehen. Hin und wieder glaubte er, winkende Wanderer ausmachen zu können.
Sie stiegen höher und höher hinauf bis sie schließlich auf die Berge hinabsehen konnten. In der Ferne erkannte Betrüger-Schorschi die Umrisse der Zugspitze. Unter ihnen schlängelte sich eine schmale Straße den Berg empor. Wenn sie in dem Tempo weiterfahren würden, würden sie schon am Abend beim Blauen Gebirge sein.
„Nur noch ein paar hundert Meter bis zur Zugspitze!“, rief Betrüger-Schorschi der Flupppuppe zu. „Danach müssen wir uns rechts halten und Kurs aufs Blaue Gebirge nehmen.“
Die Flupppuppe wackelte mit den Beinen und zog den Korb noch ein paar Meter nach oben. Gerade so weit, dass der Korb eine halbe Stunde später über den Sendemast der Zugspitze fliegen konnte ohne ihn zu streifen.
Ein paar Touristen zeigten verdutzt auf den Flupppuppen-Ballon. Aber bevor Betrüger-Schorschi ihnen ein stolzes „Hallo“ zurufen konnte, waren sie außer Sichtweite.
Plötzlich schwenkte der Ballon seitlich ab und verlor wieder an Höhe. Betrüger-Schorschi schaute ängstlich zur Flupppuppe. Aber sie schien zu wissen, was sie tat.
Er überließ ihr deshalb das Steuern und betrachtete die Berg-Landschaft. Die Gegend wurde immer kärger und kärger. Bäume und Sträucher gab jetzt fast nicht mehr. Nur Felsen, Licht und Schatten. Hin und wieder konnte man eine Gämse oder ein verirrtes Schaf ausmachen, aber im Wesentlichen war alles öd und leer.
Die Sonne stand schon ziemlich tief, als Betrüger-Schorschi bemerkte, dass die Felsen anfingen, bläulich zu schimmern. Das Blau-Rot der Kämme und Spitzen verfärbte sich am Bergrücken ultramarin und lief in den Schluchten nachtblau aus.
Da, wo das Licht der untergehenden Sonne nicht mehr hinreichte, ragten schwarzblaue Kanten in den Himmel und verschluckten tiefschwarze Krater und Schluchten den letzten Lichtschimmer.
„Wow!“ dachte Betrüger-Schorschi beeindruckt. „Das also ist das Blaue Gebirge!“
Er war so in das farbenprächtige Schauspiel vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie der Himmel immer dunkler wurde und die Wolken sich in einiger Entfernung zu einem mächtigen Turm aufbauten.
Erst als es donnerte, schaute Betrüger-Schorschi sich erschrocken um und sah den Turm aus blau-schwarzem Dunst. Ein kalter Wind fing an zu blasen und riss am Ballonkorb.
Plötzlich kam der Turm in Bewegung und kreiselte schnell auf sie zu!
„Flupppuppe!“ rief Betrüger-Schorschi. „Siehst du den Wolkenturm?“
Die Flupppuppe rührte sich nicht.
„Ist das nicht ein Wirbelsturm?!“ schrie Betrüger-Schorschi.
Die Beine der Flupppuppe schienen davon unbeeindruckt.
„Hörst du mich nicht?“ schrie Betrüger-Schorschi. „Ein Wirbelsturm kommt auf uns zu! Lass uns von hier verschwinden! Flupppuppe! Warum tust du denn nichts? Siehst du den Wirbelsturm nicht?“
Doch, die Flupppuppe sah den Wirbelsturm. Aber sie hatte keine Angst vor ihm. Im Gegenteil, sie flog direkt auf ihn zu!
„Flupppuppe! Flupppuppe, rette uns!“ schrie Betrüger-Schorschi und riss verzweifelt an den Seilen, die den Korb mit dem Ballon verbanden.
Aber umsonst! Der kreiselnde Turm war jetzt nur noch ein paar Meter von ihm und der Flupppuppe entfernt!
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