›Was befand sich dahinter?‹
›Leider konnte ich nur eine Silhouette ausmachen, keine Details, die auf das Wesen der Person schließen lassen. Aber das war nicht der Einzige Eindruck, den ich gewonnen habe. Luzius, ich habe gesehen, wie ich getötet wurde! Heimlich und Hinterrücks. Und das habe ich auch so real gespürt, dass mir noch immer der kalte Schweiß den Rücken runterläuft.‹
›Ich spüre deine Sorge, Schwesterherz. Was hast du noch gesehen?‹
›Da war ein Firmament aus unzähligen Sternen. Ich glaubte, das arkane Triumvirat darin wiederzuerkennen … und ich schmeckte einen unbeschreiblich wohligen Kuss …‹
›Wann … vor oder nach deinem Tod?‹
›Nach meinem Tod. Der Kuss hat mich wieder zum Leben erweckt.‹
›Wenn ich die Eigenheiten von Visionen betrachte, hat dich der Kuss und die damit verbundene Person wohl eher vor dem Tode bewahrt.‹
›Hm, das mag sein. Aber dann kenne ich die Retterin noch nicht, denn diese Lippen hätte ich bestimmt nicht vergessen. Da waren aber noch mehr Eindrücke, Luzius. Der Scharlachrote Tempel wurde von einem schwarzen Nichts verschlungen. In einer anderen Vision habe ich eine weitere Zukunft des Tempels gesehen, wo er von der sich bewegenden Labyrinthstadt umgeben wird. Das ist alles noch sehr verwirrend für mich. Die Eindrücke waren sehr wirklich, als hätten sie bereits stattgefunden. Bist du sicher, Bruder, dass ich das Tor öffnen soll? Woher hast du das?‹
›Wovon ich das habe?‹ Ich konnte sein Schnauben beinahe hören. ›Von unserem Herren und Meister! Und ich rate dir, mit niemanden darüber zu sprechen.‹
›Ich wüsste niemanden, mit dem ich darüber sprechen sollte, außer mit dir, Luzius. Und selbst wenn ich jemanden wüsste, würde ich diesem nichts anvertrauen.‹
›Das ist auch besser so. Und wie deutest du das, was du in den Visionen gesehen hast, Schwesterchen?‹
›Vier Aussagen sind für mich erkennbar. Erstens: Vor dem Tod durch den Chaosmagier kann mich nur eine noch nicht bekannte Frau bewahren. Zweitens: Der zweite Schlüssel öffnet ein prunkvolles Tor und jemand ist dahinter. Drittens: Zu einer nicht bestimmten Zeit oder Gegebenheit fällt der Koloss in sich zusammen und der Scharlachrote Tempel wird verschlungen. Und viertens: Die Labyrinthstadt legt sich um den Tempel zu einer Zeit, wo der Koloss noch steht.‹ Jetzt hatte ich Antworten auf Fragen, die ich noch nicht kannte. Befriedigend oder besser als die fehlenden Antworten auf meine Fragen war diese Erkenntnis nicht.
Zudem machte mir die Vision deutlich, dass Morrigaine nicht nur ein Schlüssel war, sondern sie in sich beide Schlüssel trug. Dafür musste ihre Tätowierung vervollständigt werden. Die Hautmalerei beherrschte ich durch das Anbringen der psionischen Tätowierungen – somit war ich selbst sozusagen der zweite Schlüssel. Leider wusste ich nach wie vor nicht, wo sich das Tor befand, welches durch Morrigaine geöffnet werden konnte.
Und noch viel weniger wusste ich, wer sich hinter dem Portal verbarg.
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