1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Doch diesmal siegte die Vernunft, zumindest ermöglichte mir ein kurzer Augenblick der Klarheit die Anwendung von psionischen Atemtechniken und ich verfiel in Meditation. Ruhe kehrte in mein Gemüt ein. Flügel und Klauen verschwanden und ich hatte meine Beherrschung wieder, bevor ich die Querflöte erneut ansetzte.
Zur Belohnung meiner Mühen brachte das Instrument angenehm klingende Töne hervor und ich spielte eine einfache Weise. Aus der Erinnerung heraus versuchte ich, die gehörte Melodie nachzuspielen, aber so ganz gleich klang es nicht. Ich variierte die Klänge, was mir nun auch mehr oder weniger gut gelang. Das Musikinstrument gab sehr klare Töne von sich und ich konnte einfache Musikstücke zu meiner Zufriedenheit spielen.
Langsam fasste ich Vertrauen in das Instrument, doch ich erreichte bei weitem nicht die Schönheit der Melodie aus meinen Gedanken. Ich musste einfach mehr über die Geheimnisse der Querflöte erfahren. Und das erforderte einen Besuch, für den ich mich angemessen kleiden wollte. Ein flüchtiger Blick in den zerbeulten Metallspiegel bestätigte meine Vermutung: die kleine Auseinandersetzung hatte meine Haare zerzaust. Noch bevor die Sonne den Horizont verließ, würden meine beiden Sklavinnen Arbeit bekommen. Ich schmunzelte und erhob mich.
Bestens gelaunt ging ich in mein Ankleidezimmer und rief nach Elyabel und Malia, die kurz darauf – nackt und noch schlaftrunken – eintraten. Gähnend rieb sich Elyabel ihre haselnussbraunen Augen. Ihr hellblondes, schulterlanges Haar hob sich von ihrem kräftigen Hautton ab. Malia hatte hingegen eine helle Haut. Hellblaue Augen blitzten zwischen den brünetten Haarsträhnen vor ihrem Gesicht hervor. Der Bogen ihrer festen Brüste war beinahe perfekt. Luzius hatte eine gute Wahl getroffen, als er mir die beiden Sklavinnen zum Geschenk machte. In meiner Abwesenheit war ihre Jugend zu einer wohlgerundeten Weiblichkeit gereift.
»Genug geschlafen. Ich benötige eine ansprechende Aufmachung. Bringt mir meine Kleider zur Auswahl und bereitet den Frisiertisch vor. Los, los!« Amüsiert betrachtete ich die Bewegung ihrer runden Pobacken, als sie meinen Anweisungen nachkamen.
Ich wählte ein Frühlingskleid aus, bei dem sich vor dem Oberkörper zwei Bänder kreuzten und damit meine Brüste bedeckten. Die Bandenden wurden am Nacken verknotet. So blieben Bauchnabel und Rücken frei. Die luftige Erscheinung ergänzte ein Paar Sandaletten mit Wadenschnürung.
Die Sklavinnen gingen mir beim Ankleiden zur Hand und frisierten mich für den Tag. Aus dem Wohnraum hallte Geklapper zu uns herüber. Offenbar beseitigten Bedienstete die Spuren der Verwüstung.
Dezenter Schmuck rundete meine frühlingshafte Erscheinung ab. Ich hatte einen Fußweg von zehn bis zwanzig Minuten vor mir, um die Unterkunft von Saphira mit ihrem Labor und der Bibliothek zu erreichen. Die Hohepriesterin konnte die Sammlung an rituellen und magischen Schriftstücken aus dem Tempel der Keylani in Ustan retten und belegte damit ein eigenes Gebäude im Viertel der Magier. Vielleicht befanden sich darunter auch Aufzeichnungen über mystische Musikinstrumente.
Ohne anzuklopfen betrat ich den Vorhof und hielt auf den Flügel mit den Arbeitsräumen zu. Ich wusste, die vorhandenen Alarmzauber würden mich erkennen und meine Anwesenheit der Magiebegabten kundtun, und so fand ich Saphira auch beim Destillieren einer von mir nicht näher bekannten Flüssigkeit vor. Sie trug ihre karminroten Haare zurückgebunden zu einem Knoten, was auf mich einen strengen Eindruck machte. Vielleicht, dachte ich, brauchte sie auch nur ein wenig Ablenkung von ihrer Arbeit.
»Guten Morgen, Saphira«, trällerte ich vergnügt.
Anstelle einer Antwort hob sie einen Zeigefinger – das unmissverständliche Zeichen für mich, Ruhe zu geben. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, wie sie an einigen Ventilen drehte. In diesen Momenten wurde mir immer bewusst, warum Labore in einigem Abstand zu den Unterkünften von wichtigen Persönlichkeiten – wie den Kindern der Scharlachroten Königin – gebaut wurden. Jetzt war ich eindeutig zu nahe dran. Erst nachdem sich Saphira mir zugewandt hatte, atmete ich aus.
»Ich brauche deine Hilfe«, begann ich ohne Umschweife.
»Du bist so früh wach?«
»Ich konnte nicht mehr schlafen. Sag, kennst du dich mit magischen Musikinstrumenten aus?«
»Musik ist nicht mein Fachgebiet. Worum geht es denn?«
»Ich muss wissen, was das für eine Flöte ist«, demonstrativ streckte ich ihr die Querflöte entgegen.
Saphira nahm das Instrument behutsam aus meinen Händen. Einige Augenblicke verstrichen, in denen sie aufmerksam die Flöte betrachtete, dann legte sie diese auf ein Samtkissen.
»Ich werde einen Zauber vorbereiten, der die Geheimnisse der Querflöte entlocken sollte«, murmelte die Hohepriesterin und wandte sich von mir ab. Sie ging zu einem robust gearbeiteten Sekretär, öffnete eine Schublade und holte eine Schmuckschatulle hervor. Ein leise gesprochenes Wort öffnete das Schloss und der Deckel hob sich wie von Geisterhand. Mit Daumen und Zeigefinger pickte Saphira eine Perle aus dem Geschmeide heraus, flüsterte ein anderes Wort und die Schatulle verschoss sich wieder. Von einer Anrichte holte sie eine Karaffe mit rotem Wein und einen mit arkanen Symbolen verzierten Krug. Sie legte alles auf einem Arbeitstisch ab, ging zu einem Regal, auf dem unzählige herkömmliche und merkwürdige Materialien lagerten, und kramte aus den Reagenzien eine Eulenfeder hervor. Auf ihrem Weg zurück nahm sie einen Stößel samt Mörser mit und zerrieb darin zunächst die Perle. Anschließend goss sie Wein in den Krug und ließ vorsichtig den Perlenstaub hineinrieseln. Das Gemisch rührte sie mit der Feder um, streifte die Feder am Rand ab und legte sie beiseite. Sie nahm den Krug auf und trank den Wein in einem Zug. Alle Handgriffe erschienen mir sehr routiniert.
Saphira räumte die Gegenstände wieder weg, zog einen Stuhl heran und setzte sich vor die Flöte. Einen Moment lang hielt sie inne, dann brachte sie ihre Hände über das Studienobjekt und vollführte kompliziert wirkende Gesten. Dazu rezitierte sie arkane Verse. Auf mich wirkte die Zauberei sehr langatmig, daher schaute ich mich gelangweilt um. Die alchemistischen Aufbauten sagten mir nichts und blubberten leise vor sich her. In der Luft lag die Würze mir unbekannter Zutaten, deren Gemisch ich nicht länger ausgesetzt sein mochte. Ich verließ das Labor und trat hinaus in die kühle Morgenluft.
Ich machte einen Spaziergang und sog den Geruch des erwachenden Tages in mich ein. Es war noch sehr früh. Nur wenige Wesen zeigten sich zu der Stunde auf den Straßen und Plätzen. Ich schlenderte durch die Tempelstadt und ließ die Umgebung auf mich wirken. Irgendwo tönte ein Schrei in der Gasse. Sein Ursprung und Grund störte mich nicht weiter. Ich besah mir die Gebäude, deren Dächer oft ineinander über gingen und so das Stadtbild prägten. Der Scharlachrote Tempel war jedoch nicht allein einer einzigen Gottheit gewidmet. Auch wenn er als Residenz für das Oberhaupt von Bregantier diente und somit der Gottheit Odimorr huldigte, beherbergte er die Tempel aller Gottheiten der östlichen Reiche. Wenngleich der Tempel des Laird geschlossen und der Tempel des Xorin versiegelt wurden. Der Krieg gegen den gemeinsamen Feind im Westen hat die Allianz nicht lange aufrechtgehalten.
Neben den Tempelanlagen befand sich in dem eigens den Magiern gewidmeten Viertel auch eine Beschwörerschule, auf deren Türmen und Kuppeln Runen prangten. Der arkane Markt war noch geschlossen. Sklaven und Bedienstete räumten auf, Fuhrwerke lieferten neue Waren an und ich sah Bäcker und ihre Gehilfen bei der Zubereitung und Verteilung ihrer Köstlichkeiten. Natürlich durften nach einer durchzechten Nacht die umher wankenden und liegenden Alkoholleichen nicht fehlen.
Als mein Rundgang endete, hatte Saphira ihren Zauber bereits vollendet und rollte bei meinem Eintreten eine Schriftrolle zusammen. Die Querflöte lag unverändert auf dem Samtkissen.
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