»Diese Information hat ihren Preis.«
»Ich biete ein amouröses Abenteuer.«
Er winkte ab. »Das bekomme ich an jeder Ecke.«
»Von derlei Abenteuern spreche ich nicht.« Mit weicher, verführerischer Stimme verlieh ich meinem Angebot Nachdruck. »Ich rede von einem Abenteuer, was dem Gegenstand in seiner Einzigartigkeit entspricht.«
»Du überschätzt dich.«
»Wenn du das so siehst«, vermerkte ich unterkühlt, »dann nenne mir deine Forderung.«
»Du wirst mir einen Sohn schenken. Zu einem Zeitpunkt, den ich noch bestimmen werde.«
Ich prustete, aufgebracht und amüsiert zugleich. »So, so, DU willst einen Sohn.« Es war eine Feststellung.
»Ich werde alt – sieht man das nicht?« Spott lag in seiner Stimme.
»Zu deinem Glück nicht.«
»Sag: Ich verspreche es dir, Schattenlaute.«
»Ich kann nur versprechen, was auch in meiner Macht liegt. Und für das Geschlecht des Kindes ist der Samengeber verantwortlich, nicht meine Fruchtbarkeit. Ich bin fähig, ein Kind zu gebären. Bist du fähig, einen Sohn zu zeugen?«
»Oh, deine Fruchtbarkeit weiß sehr wohl das Geschlecht zu beeinflussen. Ich erwarte Offenheit von dir, den rechten Samen lass dann meine Sorge sein. Also, ich höre?«
Gefesselt vom Anblick der Querflöte in den Händen dieses mysteriösen Mannes blitzten Gedankenbilder durch meinen Kopf. Das Flüstern des Frühlingswindes. Irgendwie …
Zwinkernd vertrieb ich ein pochendes Ziehen in meinen Schläfen. Bevor ich antwortete, wog ich den Handel ab.
Was immer sich Schattenlaute von einem Kind mit mir versprach, der gemeinsame Nachwuchs konnte für mich sogar von Vorteil sein. Der Barde verfügte über Einfluss und Wissen – und er war nicht unansehnlich, wenngleich narzisstisch und anmaßend. Und ich wünschte mir ein Kind – warum nicht mit ihm? Erneut erwischte ich mich dabei, wie meine Hand über den Bauch fuhr, wo einst eine Frucht reifte … meine Entscheidung war gefallen.
»Ich verspreche es dir, Schattenlaute.«
»Alle Hintertüren ausgenommen«, forderte er.
»Selbstverständlich«, bekräftigte ich und hob wegen seines Misstrauens beleidigt mein Kinn.
»Gut«, er sah auf die Querflöte und drehte sie in seinen Händen. »Das ist das Instrument des Tashna’kam. Die Legenden besagen, er habe es weggeworfen, als er die Feenwälder verließ und sich hinab in den Abyss begab.«
»Tashna’kam stammt aus den Feenwäldern?«
»Natürlich, von den dort lebenden Nachtfaunen.«
»Ich bin nicht so bewandert in den Feenwäldern und deren Einwohnern.«
»Tashna’kam ist der König der Satyrn, auch als Nachtfaun bekannt. Er wird auch König der Faune genannt. Tashna’kam ist das erste Geschöpf seiner Art, der Ursprung. Er ist mit einem niederen Gott vergleichbar. Und er ist – oder besser: er war – der Gemahl der Nymphenkönigin.«
»Warum hat er den Gegenstand nicht mitgenommen, als er die Feenwälder verließ?«
»Man sagt, er habe ihn fortgeworfen. Ein Grund wird nicht genannt. Aber dem Instrument werden große visionäre Fähigkeiten nachgesagt. Es soll in Verbindung mit der Nacht stehen.«
»Ich habe sie zu Fuße einer Statue des Tashna’kam gefunden.«
»Und wer hat sie abgelegt?«
»Der Erschaffer«, schlussfolgerte ich überzeugt.
»Dann sind die Geschichten doch nicht ganz wahr.«
»War Tashna’kam denn der Erschaffer?«
»Ja.«
»So wie es für mich aussieht wollte Tashna’kam, dass ich die Flöte finde.«
»Das mag sein. Diese Beweggründe kann ich selbstverständlich nicht abschätzen.«
»Kannst du mir beibringen, die Flöte zu spielen? Ich meine, so zu spielen, dass ich die ihr innewohnenden Fähigkeiten freisetze?«
»Nein. Die Fähigkeiten vermag ich nur freizusetzen, wenn ich die Flöte selbst spiele. Zauberhafte Musik ist die Kunst der Barden. Deine Fähigkeiten sind da eher mittelmäßig.« Nicht nur seine Worte waren für mich beleidigend, auch wie er sie sprach. Hochnäsiger Schnösel, dachte ich bei mir, verkniff mir aber eine Bemerkung. Die Neugier über die Querflöte war größer als mein Zorn.
»Auch ohne Bardenkunst kann doch ein Träger Visionen haben, oder nicht?«
»Das ist durchaus möglich. Dafür müsste der Träger, also du, sie ab und an spielen. Aber du erzeugst eher durch Zufall eine Vision. Seit diesen Tagen in den Feenwäldern ist auch viel Zeit ins Land gegangen. Viele Jahrtausende sind vergangen und im Abyss ist vieles im Wandel. Die ehemalige Herrin ist nicht mehr, aber das weißt du sicherlich. Welches Ränkespiel dahintersteckt, vermag ich nicht zu bewerten.«
»Jedenfalls muss es einen wichtigen Grund für das Verlassen der Nymphenkönigin gegeben haben.«
»Er wurde von der Dona’Donai verführt.«
»Aber sie ist nicht mehr. Warum kehrte er nicht zurück?«
»Ich weiß nicht«, er zuckte mit den Schultern und schürzte seine Lippen. »Ich war zu jener Zeit sehr jung«, ich horchte auf, denn damit bekannte sich Schattenlaute zu seinem wahren Alter, das demzufolge Jahrtausende umfasste. Ich gab ihm keinen Hinweis auf meine Erkenntnis und hörte ihm aufmerksam zu. »Die Welt ist bereit für einen Wandel. Er hat bereits begonnen, doch die Ereignisse befinden sich im Fluss und ihr Ziel bleibt sicher noch für Jahre ungewiss.«
»Genau der richtige Anlass für Visionen. Ich schlage vor, du spielst die Flöte.«
»Die Flöte? Nein, ich werde meine Laute für dich spielen«, sagte Schattenlaute und löste sein Instrument vom Rücken. Dann stimmte er ein Lied an.
Tosend stürmt der Donnerhall
blutgetränkt strahlt das Abendrot
die Trommel schlägt mit lautem Knall
des Feuers Rauch entströmt dem Schlot.
Kehlen grölen laute Lieder
Im Rausch die Leiber eng umschlungen
Lusthauch schallt von Wänden wider
das sündig Fleisch tief eingedrungen.
Im Dunkeln ruft der Fürst zur Balz
leckt seiner Liebsten ab das Salz.
Das Fackellicht verzerrt die Schatten
wirft Fratzen auf verschwitzte Haut
wird Licht durch Dunkelheit verraten
ertönt orgastisch heißer Laut.
Siehe, die Dunkelheit tritt ins Licht
zeigt sich stolz und königlich
fühle, die Macht wie sie zerbricht
durch letzten tödlichen Stich.
Im Dunkeln ruft der Fürst zur Balz
leckt seiner Liebsten ab das Salz.
Schatten dringt in fleischig Leib
begattet so sein göttlich Weib
löst das Band von ihrem Hals
leckt seiner Liebsten ab das Salz.
Im Dunkeln ruft der Fürst zur Balz
leckt seiner Liebsten ab das Salz.
Als ich – von der Melodie gefangen – wieder aufblickte, war ich allein. Nachdenklich drehte ich die Flöte in meinen Händen. Ich musste ihr Geheimnis entlocken. Ich musste sie so spielen, wie Schattenlaute es vermochte. Und der unbekannte Flötist.
Ich holte mir das Bild vor Augen, wie mein Gast dem Instrument einen einzelnen Ton entlockte. Geradezu zärtlich führte ich das Mundstück an meine Lippen. Meine Finger legten sich sanft über Öffnungen, ließen einige unberührt, und ich sammelte meinen Atem. Die Luft entwich meinen Lungen, verließ meine Kehle und strömte durch den schlanken Klangkörper.
Ein Ton, klar und ohne Fehl.
Weitere Töne folgten, bildeten eine Melodie. Ich spielte mich in den Zauber hinein. Kleine Ranken lösten sich, noch zart und zerbrechlich, aber willens, aus dem Holz hinauszuwachsen.
Die Freude über den Erfolg brach meine Konzentration und die Schattengebilde verschwanden augenblicklich. Erschrocken setzte ich das Spiel fort, doch die Reinheit war dahin. Keine noch so kleine Ranke zeigte sich. Meine Kehle war trocken, mein Atem rau. Ich gönnte mir eine Pause und trank den Wein aus.
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