habe ich eine Abfolge von Phasen und die damit
verbundenen Gedankengänge skizziert, die jemand
beim ersten Herpes-Ausbruch oft durchmachen muss.
Diese Phasen ähneln in vielem dem Trauerprozess,
den man bei einem Sterbefall oder einem anderen
Verlust erlebt.
Die 5 Phasen des emotionalen Umgangs mit Herpes
Phase No.1:
Verdrängung – die Symptome ignorieren
und/oder abstreiten, dass es sich um Herpes handeln
könnte:
„Es ist ein Pickel; es ist ein Ausschlag; es ist ein Pilz;
es ist eine Allergie; es ist nichts.“
Sogar nachdem eine Diagnose gestellt worden ist, können Infizierte
in ihrer Ablehnungshaltung verharren.
„Das passiert nicht mir.“ Oder: „Das hier wird meinem
Sexleben keinen Dämpfer verpassen!“
Phase No.2:
Zorn – Gefühle des Ärgers, der Wut oder
der Rachsucht gegenüber der Person, von der man es
bekommen hat, gegenüber sich selbst oder gegenüber
Gott (bzw. der persönlichen höheren Macht):
„Dieses verdammte Miststück! Ich will Rache!“ - „Warum
nur habe ich mit ihm/ihr geschlafen? Ich bin solch
ein Idiot!“ - „Warum werde ich so bestraft? Das Leben
ist ungerecht!“
Phase No.3:
Verhandeln – eine andere Form der Verdrängung.
Der Versuch, einen Handel oder ein Versprechen
mit Gott (oder einer anderen höheren Macht)
oder mit sich selbst zu machen:
„Gott, wenn Du bewirken kannst, dass diese Bläschen
nicht Herpes bedeuten, dann werde ich nie wieder
Sex haben ... dann werde ich nie wieder trinken
... dann gehe ich jede Woche in die Kirche ... dann
werde ich ... “
Phase No.4:
Depression – Gefühle der Traurigkeit, der
Hoffnungslosigkeit, der Hilflosigkeit, geringes
Selbstwertgefühl, manchmal begleitet von einer Veränderung
der Ess- und Schlafgewohnheiten, der sportlichen Aktivitäten,
der beruflichen Tätigkeit und des sozialen Verhaltens:
„Das Leben ist mies. Ich bin wertlos. Ich bin ein schlechter
Mensch. Ich werde für meine sexuellen Verhaltensweisen
bestraft. Der Schmerz wird nie wieder vergehen.
Keiner wird je wieder mit mir schlafen. Wozu denn überhaupt
Verabredungen?“
Phase No.5:
Akzeptanz – Gefühle der Ruhe; mit sich im Reinen sein;
im Wesentlichen glücklich und zuversichtlich,
Rückkehr zum normalen Essen, Schlafen,
Sporttreiben, Arbeiten und sozialen Verhalten:
„Ich habe einen Virus erwischt. Es kann zur Plage
werden und es ist etwas, mit dem ich umgehen und
dessen ich bewusst sein muss, aber ich bin okay. Ich
bin ein guter Mensch.
Ich mache mir selbst keine Vorwürfe und es ist keine
Strafe von Gott. Ich werde vorsichtig sein und mich
besser um mich kümmern, meinen Stresspegel verringern und
dem Leben mit positivem Blick begegnen.
Es gibt viele Menschen mit Herpes da draußen,
ich könnte jemandem treffen, der es schon hat. Oder
es gibt eine Menge Leute, die verstehen und akzeptieren,
dass ich es habe. Es ist kein Vertragsbruch,
wenn ich trotz Herpes eine Verabredung habe oder
eine feste Beziehung eingehe.“
Auch wenn jeder mit den Einbußen und Verlusten in
Verbindung mit Herpes unterschiedlich umgeht, werden
die meisten all diese Phasen durchlaufen, wenn
auch nicht zwingend in dieser Reihenfolge, sondern
manchmal vorwärts oder rückwärts zwischen den
einzelnen Stadien wechselnd. Es ist wichtig, festzuhalten,
dass es kein „normales“ oder übliches Zeitfenster
gibt, in dem man diese verschiedenen Gefühle
erleben sollte. Manche erreichen das Stadium der
Akzeptanz innerhalb weniger Monate, andere brauchen
ein Jahr oder länger.
Alle mit den jeweiligen Phasen verknüpften Gefühle
sind normale Reaktionen und werden vorbeigehen
oder im Lauf der Zeit weniger werden.
Ich ermutige jeden, der gerade diese Gefühle erlebt, das
Gespräch mit einem Berater oder einem Freund zu
suchen oder sich einer Herpes-Selbsthilfegruppe anzuschließen.
Und falls Sie darüber nachdenken, sich selbst oder
jemand anderem etwas anzutun, bitten wir Sie eindringlich darum,
umgehend den Notruf zu wählen,
die Telefonseelsorge anzurufen oder sich an einen
psychologischen Experten zu wenden.
Weiterhin habe ich eine Liste zusammengestellt, in
der Sie Vorschläge finden, was man tun oder eben
nicht tun sollte. Sie ist als Hilfestellung auf Ihrem
Weg durch die Gefühle gedacht, bis Sie an jenem
Punkt angelangt sind, an dem Sie das Virus akzeptieren
können.
Was Sie nicht tun sollten
Ignorieren Sie die Symptome nicht.
Wenn Sie Bläschen auf oder in der Nähe der Genitalien
bemerken oder unerklärliche Schmerzen in dieser
Region spüren, gehen Sie bitte zum Arzt. Die Anlage
einer Virenkultur und eine Blutuntersuchung können
für gewöhnlich die Diagnose einer bestehenden
Herpeserkrankung bestätigen. Das Ignorieren der
Symptome wird sie nicht verschwinden lassen und
kann dazu führen, dass das Virus unnötigerweise
an den Partner weitergegeben wird.
Quälen Sie sich nicht selbst.
Machen Sie sich selbst keine Vorwürfe, beschuldigen
und kritisieren Sie sich nicht. Denken Sie auch
nicht, den Herpes verdient oder ihn als Strafe für Ihr
Sexualverhalten bekommen zu haben. Diese Denkweise
ist kein lebensbejahender Weg und hilft nicht
dabei, mit Ihrem Stress umzugehen. Aber gerade das
ist unerlässlich, um das Virus so inaktiv wie möglich
zu halten.
Sprechen Sie nicht mit Freunden oder Familienangehörigen, die
zu einer verurteilenden oder voreingenommenen Haltung tendieren,
besonders, wenn es um Sexualität geht. Diese negative
Sichtweise können Sie gar nicht gebrauchen und Sie verdienen
sie auch nicht.
Verheimlichen Sie die Diagnose nicht vor Menschen,
mit denen Sie sich verabreden und/oder Sex haben.
Während Sie nicht gleich jedem, den Sie gerade erst
kennengelernt haben, alles erzählen müssen, schulden
Sie die Information über Ihre Krankheit aber jener
Person, mit der Sie eine sexuelle Beziehung eingehen,
und zwar BEVOR Sie mit ihr intim werden.
Es ist zu empfehlen, dass Sie ehrlich und geradeheraus
darüber sprechen und dass die Unterhaltung im
noch bekleideten Zustand stattfindet, bevor es zu irgendeinem
Hautkontakt kommt.
Hierzu noch eine Anmerkung: Können wir sicher sein,
dass diese Person nicht einfach geht? Natürlich nicht,
aber wenn sich der- oder diejenige nur wegen eines
therapierbaren Virus sofort aus dem Staub macht,
wäre das dann wirklich der Mensch, den Sie sich als
festen Partner wünschen?
Natürlich ist man verletzt, so wie man es bei jeglicher Art der
Ablehnung in einer Beziehung wäre. Aber irgendwann werden
Sie dankbar dafür sein, den wahren Charakter dieser Person
besser früh als zu spät erkannt zu haben.
Versinken Sie nicht in Selbstmitleid.
Es ist normal, manchmal „Ich Armer“-Gedanken zu
haben. Lassen Sie diese Gefühle zu, aber versuchen
Sie auch, sich nicht zu lang damit aufzuhalten. Das
Hängenbleiben in solch einer negativen Gemütsverfassung führt
lawinenartig zu geringerem Selbstwertgefühl, Depressionen
und Isolation.
Sprechen Sie mit einem Berater oder Therapeuten
über Ihre Gefühle.
Diese Gesprächssitzungen sind vertraulich und ein
wunderbarer Weg, um Ihren Gefühlen freien Lauf zu
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