Konstantin Müller
JAMES HARRISON
Das Geheimnis der fünften Dimension
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Inhaltsverzeichnis
Titel Konstantin Müller JAMES HARRISON Das Geheimnis der fünften Dimension Dieses eBook wurde erstellt bei
Vorwort Vorwort
Die Auswahl
Der Kobruswolf
Flugzeuge sind nicht Jedermanns Sache
Flughafenkrankenhausessen
Lesar
Kangaroo Island
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Die Kolibripflanze
Die Ruhe vor dem Sturm
Der Plan
New York City
Die Bank der Vereinigten Staaten von Amerika
Die Prophezeiung
Ein steinernes Gefängnis
Paul
Die fünfte Dimension
Der Angriff
Ein neuer Freund
Impressum
Vorwort
Heißt es nicht, dass einem Gaben in die Wiege gelegt werden? Tja, das glaube ich nicht.
Wenn du dieses Buch hier liest, weil du die Welt retten willst, dann rate ich dir: Klapp das Buch zu und werfe niemals wieder einen Blick hinein! Denn die Welt zu retten ist gefährlich. Oft führt das zu einem schmerzhaften Tod. Unschön.
Wenn du ein ganz normaler Mensch bist und das hier liest, weil du es für einen Roman hältst: Alles klar, weiterlesen.
Sag aber am Ende nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.
Ich heiße James Harrison und das ist meine Geschichte:
Die Auswahl
Ich schlug meine Augen auf, als der erste schwache Sonnenstrahl durch die hohen Baumkronen brach und sich auf meine Wange legte.
Der Geruch von frischem saftigen Moos und feuchter Rinde drang in meine Nase. Der Wald hatte seinen ganz eigenen Charakter. Anders als die Stadt oder das Meer. Anders als Felder oder Wiesen. Er war einmalig, unverwechselbar. Sein Klang, sein Temperament und eben sein Geruch.
Er war vielfältig. Dunkel und undurchschaubar, ein Meer aus Ästen, Blättern und Tieren. Doch auch verführerisch und einladend. Er war Beschützer und Verfolger zugleich. Er war mein Freund.
Ich stütze mich auf meine Ellenbogen. Der Boden, auf dem ich die, für diese Jahreszeit ungewöhnlich warme, Nacht geschlafen hatte, war von Moos bedeckt. Welche Tiere sich darin tummelten, wollte ich lieber nicht genau wissen. Doch gestern Abend war mir das gleichgültig gewesen. So erschöpft hatte ich mich hier zusammengerollt und war augenblicklich eingeschlafen.
Ein Tautropfen, der sich an der Blattspitze einer Lilie zu meinen Füßen gesammelt hatte, glänzte im Sonnenlicht wie ein Kristall. Ich beobachtete ihn, während er allmählich größer wurde, das schwache Blättchen immer weiter bog und schließlich mit einem beinahe lautlosem Platsch der Erde etwas Wasser schenkte.
Ich atmete ruhig und zog die kühle Luft in meine Lungen. Dann richtete ich mich auf. Hinter mir raschelte es und ein gelbgefiederter kleiner Vogel flatterte aus einem Gebüsch. Er landete auf einem Ast einer alten Kiefer hoch über mir und stimmte in das Gezwitscher der anderen Vögel ein. Doch die Nacht im Freien hatte ihre Tribute gefordert. Bei jedem Stritt verspürte ich ein unangenehmes Stechen an meiner Hüfte und auch mein linker Arm, der mir als Kopfkissen gedient hatte, war verspannt.
Langsam schritt ich den schmalen Pfad entlang. Das herbstliche Laub knisterte unter meinen Füßen. Ich kannte diesen Teil des Waldes. Er war mir so vertraut, als wenn er mein zweites Zuhause sei – nun ja, mehr oder weniger war er dies auch. Denn es dauerte auch nicht lange und ich hatte die Waldgrenze erreicht. Vor mir erstreckte sich nun eine weitläufige Wiese, die von einem kleinen Bach durchkreuzt war. Trotz des fernen Gelärm der hupenden und brummenden Autos der Hauptstraße, die sich nur wenige hundert Meter weiter einen Weg durch die bergige Landschaft bahnte, konnte ich deutlich das fröhliche Plätschern des Gewässers hören. Schnell eilte ich über die Wiese und übersprang den Bach bis ich zu einem mit hellen Steinen geschotterten Fußweg gelangte. Diesem folgte ich bis hinter die Terrasse eines Hauses. Die Schlüssel klimperten, als ich vorsichtig die Hintertür aufschloss und mich hineinstahl. Niemand war zu hören. Auf Zehenspitzen ging ich den breiten Gang entlang und lugte an dessen Ende um die Ecke. Die Küche war noch dunkel. Allem Anschein nach schliefen meine Eltern noch. Umso besser. Lautlos huschte ich eine gläserne Treppe hinauf und schloss die Badezimmertür hinter mir.
Nachdem ich mich geduscht hatte trocknete ich meinen Körper ab und blickte in den, von der Feuchtigkeit angeschlagenen Spiegel. Ein vierzehnjähriger Junge schaute mich mit glänzenden nussbraunen Augen an. Seine kurzen schwarzen Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab eine einzelne kleine Narbe zog sich an seiner rechten Wange entlang.
Ich streifte mir ein frisches T-Shirt über und schnallte beim Hinausgehen den Gürtel zu. Aus der Küche im Erdgeschoss konnte ich Geschirr klappern hören. Mina musste schon aufgestanden sein. Mein Vater dagegen hatte immer so ein Problem mit dem Wachwerden. Ich war mir sicher, dass er noch immer zerknautscht in den Federn lag.
Tatsächlich stand in der Küche Mina. Meine Mutter war eine attraktive Frau, mit langen roten Haaren, einer geraden Nase und Sommersprossen auf den mit Grübchen versehenen Wangen. Ja, Mina lachte sehr gern und sehr oft. Hätte man einen Bekannten gefragt, was ihr charakteristischstes Merkmal sei, hätte er ihr unverschämt nettes Lächeln erwähnt.
»Morgen«, begrüßte ich sie und schenkte ihr eine Umarmung. Sie strahlte mich an und verstrubbelte mir die noch feuchten Haare.
»Heute ist dein Tag«, flüsterte sie und machte sich pfeifend an der Herdplatte zu schaffen. Ich blickte mich um. Das Esszimmer, das sich an die Küche anschloss, war ein großer Raum, der größte im Hause der Harrisons, mit einer riesigen Glasveranda, durch die die herbstliche Morgensonne lange Schatten der Fichten, die vor dem Anwesen wie Messer in den Himmel wuchsen, hineinwarf. Auf dem Kaminsims konnte man dicke Wälzer über viele wissenswerte Sachen finden. Ein Bild irgendeines berühmten Malers – ich hatte mich noch nie für Malerei interessiert – nahm fast die ganze westliche Zimmerfront ein. Die restlichen Wandteile waren in einem einladenden Hellgrün tapeziert und selbst die Küchenregale aus ihrem hellen Holz harmonierten mit den übrigen Möbeln, mit denen der Raum bestückt worden war.
Ich ließ mich auf meinem Stammplatz am mit Granitstein bedeckten Tisch nieder und schaute Mina zu. Der Geruch von gebratenem Speck und Gemüse wehte von den Pfannen, die sie mit geschickten Händen bearbeitete, zu mir herüber. Mein Magen knurrte geräuschvoll.
»Wie hast du geschlafen?«, fragte Mina.
Ich zögerte. »Nicht schlecht. Warum?«
»Du siehst recht müde aus.« Mina musterte für einen Moment mein Gesicht, bevor sie sich wieder den Pfannen zuwandte.
Als ich keine Antwort gab fuhr sie fort. »Du weißt, dass es deinem Vater und mir nichts ausmacht, wenn du eine Nacht lang bei deinen Freunden oder sonst wo bleibst, doch wir wollen darüber informiert sein.«
Jetzt begriff ich, worauf sie hinaus wollte. »Gestern Abend konnte ich nicht einschlafen. Ich war aufgeregt und dann bin ich raus. Ich wollte eigentlich nur kurz Luft schnappen. Aber dann... es war eine so schöne Nacht. Keine Wolken, Vollmond«, versuchte ich zu erklären.
»Dass du aufgeregt warst, kann ich mir gut vorstellen«, kicherte meine Mutter. »Ich persönlich konnte die gesamte Woche vor meinem Tag nicht schlafen. Ich würde mich in Zukunft dennoch freuen, wenn...«
In diesem Moment kam John, mein hochgewachsener Vater, in die Küche. Sein Gesicht war durchdrungen von einem Paar strahlend blauer Augen. Sie spiegelten Tiefgründigkeit, Intelligenz und Erfahrung wieder.
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