Zum Ersten gewandt sagte er leiser :“ Was brennt da eigentlich. Nur der Salon des Alten oder auch der Gang?“
„Woher soll ich das wissen,“ sagte der Erste mürrisch, “so lahm wie ihr das angeht, brennt mittlerweile auch der Gang.“
„Feuer im Salon des Alten,“ brüllte der Bootsmann über Deck,“ und der Gang brennt nunmehr auch. Tauchretter anlegen. Norbert, schaff den Tauchretter herbei. Mit Schlauch. Zwanzig Meter. Und Blasebalg.“
„So ein Arschloch,“ sagte verhalten Timmy,“ Als ob es auf diesem Kahn zwei Salons gäbe.“
„Was für ein verdammter Tauchretter,“ fragte Norbert. „Wo zum Teufel soll ich einen Tauchretter finden. Haben wir Tauchretter an Bord?“ „Er meint den Lufthelm,“ erklärte der Matrose Erwin, „das Ding aus Leder. Mit der Glasscheibe zum umherschauen. Liegt alles in der Leinentruhe im Kabelgatt. Wenn es nicht gestohlen worden ist. Vergiß den Blasebalg nicht.“
Nachdem Norbert mit der gesuchten Ausrüstung wieder achterkante Mittschiffs erschien und der Erste aufhörte, nervös von einem Fuß auf den anderen zu tippeln :“Jetzt brennt schon das ganze Mittschiffs,“ und Timmy grinsend meinte, “dann lohnt das Löschen ohnehin nicht mehr, setzen wir wieder das Boot aus, Und holen wir uns was zu fressen aus der Kombüse,“ brüllte der Alte aus der Brückennock an Steuerbord :“Jetzt brennt schon der ganze Mittschiffaufbau. Ihr versenkt mein Schiff.“
Aber dann ging es professionell zur Sache. Norbert wurde der Lederhelm über den Kopf gestülpt und am Hals zugeschnürt. Erwin übernahm breit grinsend den Blasebalg und versprach Norbert auf dessen Vormarsch zum Brandherd mit frischer Luft zu versorgen. „Wenn du richtig schreist, kann man das durch den Schlauch hören,“ sagte er und grinste noch breiter. „Aber nuscheln höre ich nicht.“
„Haben wir eigentlich keinen zweiten Helm?“ Fragte der Erste den Bootsmann, „wie sollen wir die Kommunikation mit dem Mann aufrechterhalten, wenn der im Qualm des Ganges außer Sicht kommt ?“
„Wenns qualmt,“ sagte der Bootsmann bedächtig, „sieht der noch nicht mal seine Finger. Wenn wir Befehlsübermittler einsetzen wollten, bräuchten wir auf zwanzig Meter Entfernung vom Brandherd einen Mann alle fünf Meter. Und dazu die Schlauchführer und die Blasebalgleute. da wäre das Personal rasch erschöpft.“
Das sah der Erste dann auch ein und brüllte zur Nock hoch, “Personalmangel, wenn wir genug Leute hätten, würden wir BÜs in den Gang schicken.“
Der Alte tippte sich an die Stirn und verschwand in der Brücke.
So krochen dann alle abwechselnd unter dem Lederhelm auf allen Vieren den Gang entlang und hofften, dass Erwin für ausreichend Luft sorgen würde, um unbeschadet den Rückzug anzutreten und wohlbehalten wieder das Deck zu erreichen. Der Brandherd konnte nicht ermittelt und bekämpft werden, weil es keinen Brandherd gab und weil der Bootsmann vergessen hatte, Wasser Marsch zu brüllen.
„Sie haben vergessen Wasser Marsch zu brüllen,“ tadelte der Erste den Bootsmann.
„Wollen sie ganz Mittschiffs unter Wasser setzen ?“ Verteidigte sich der Bootsmann.
„Immer schön flach auf dem Boden bleiben,“ instruierte der Kapitän Bernd, als dieser die Schuhe des Alten direkt vor seiner Nase entdeckt hatte und die mitgeführte Schlauchspritze jäh hochreckte. „Immer schön auf dem Boden bleiben. Auf den Brustwarzen kriechen. Dafür sind sie da. Dann versengt sie die Flamme nur unwesentlich und sie bleiben uns erhalten.“ Bernd nickte verstehend mit dem Kopf.
Ordaz wurde unter voller Fahrt mit zwölf Knoten den Orinoco hinauf in zwanzig Stunden erreicht, denn die Faltermassen blieben dieses Mal aus.
„Die Indianer werden sie gefressen haben,“ sinnierte Timmy.
„Fresst mehr Vierfruchtmarmelade,“ brüllte der Smutje in die Mannschaftsmesse, “dann haben wir leere Eimer, ein Kanu auf der Rückfahrt zu versenken.“
Baden traute sich niemand, man konnte ja nicht wissen, ob die Pyranhas in der Nähe weilten und die Zitteraale gute Laune hatten, überdies blieb wenig Zeit, wollte man noch die preiswerten Bordelle im Dschungel besuchen und rasch eine Nummer schieben und zuvor auch noch saufen, was nicht zu vernachlässigen war. Überdies war von der Schiffsleitung bekannt gegeben worden, dass in den braunen Fluten lange Aale lauerten, die mühelos die Ladung Strom produzieren konnten, die ein Seemann kaum überleben würde. So zogen also sechs Mann der Deckmannschaft und zwei Mann des Maschinenpersonals an Land und zwängten sich in einen VW Käfer, zusammen mit dem eingeborenen Fahrer und bretterten über die Schlaglöcher der gewunden durch den Urwald führenden Sandpiste, wobei der Mann auf dem Dach den Halt verlor und verloren ging, während die Mehrzahl wohlgemut und bester Stimmung in dem ersten Bordell ankam und mit Biersaufen begann, hernach in gehobener Stimmung und mit Liedern auf den Lippen Bordell Nummer zwei und dann drei und vier aufzusuchen, um den verlorenen Mann viel später in Bordell Nummer eins wiederzufinden und dort die letzte Nummer zu schieben. Die Bräute waren, wie gewöhnlich nicht pingelig und fickten auch schon mal für das Oberhemd, wenn kein ausreichendes Kapital mehr in der Hosentasche zu finden war. San Syphillis war ein Seemannstraum und niemand bekam Syphillis und noch nicht mal ein Tripper wurde gemeldet, obschon die verhütende Tube mit der Paste nicht mehr verfügbar war, da die Last sich erschöpft hatte, wie der Dritte nicht müde wurde, zu erklären.
„Die Tuben sind jetzt alle. Lasst euch was anderes einfallen.“
Stromabwärts wurde die Einmündung des Rio Marconi noch rascher erreicht und nach achtzehn Stunden dampfte das Schiff in das Mündungsdelta und hinfort in die glatte, kaum durch Dünung bewegte Platte des Nordatlantik mit Kurs auf Port of Spain in Trinidad, wo es schwarzen Rum und Post gab, so jemand jemanden anderswo hatte, der mal schrieb. Dann Kurs nach Genua. An Bord wurde munter rund um die Uhr gesoffen, sowohl achtern, als auch Mittschiffs, und alle gelangten volltrunken irgendwie auf Brücke, Wache zu schieben und der Alte, ebenso voll, die ganze Reise, verbot Gesang am Ruder und stand eines Mittags in der Backbord Brückennock, fuchtelte mit der Kapitänspistole in der Luft umher, gab einen Schuß ab, damit alle an Deck aufmerksam wurden und brüllte aus Leibeskräften : „Das Gesetz bin ich und meine Pistole.“ Worauf er erschöpft nach hause torkelte und in seine Koje fiel. „Drei Mann auf einem Haufen ist Meuterei,“ brüllte der ebenfalls volltrunkene Bootsmann und hangelte sich an der McGregor Luke nach achtern, in seine Koje zu fallen :“Ihr habt gehört, was er gesagt hat.“
„Leck mich am Arsch,“ brüllte Erwin hinterher, „Feiern heute in meiner Kammer.“
In Genua ging der Erste Offizier von Bord und der neue Erste Offizier kam forsch die Gangway zum Deck hoch und verkündete, seinen Koffer absetzend : „Ich bin jetzt der neue Erste Offizier,“ damit auch alle verstanden, was er so meinte. Seine allererste Handlung war der Verschluß der Bierlast :
„Zwei Dosen Bier pro Mann pro Tag,“ ließ er verlauten, „täglich abzuholen vor der Bierlast. Das Saufen nimmt jetzt ein unverzügliches Ende.“ „Woher weiß der, dass wir saufen,“ fragte verständnislos Timmy in der Mannschaftsmesse, „wo er grad erst angekommen ist.“
„Wenn ich nicht mehr saufen darf, “sagte Norbert verzagt, „will ich hier nicht länger leben .“
„Du hast einen Vertrag, Norbert. Ein Jahr. Wir alle haben einen Vertrag. Daran fehlen noch fünf Monate,“ belehrte der Bootsmann.
So wurde es einstweilen nichts mit dem Abmustern und bald hatte der Mittelatlantik sie wieder. Rasmus tobte und ein Sturmtief jagte das nächste. Wie gewöhnlich waren die Strecktaue über Deck zu spannen, auch bei der Westfahrt in Ballast, aber Doppelausguck wurde nur bei voller Ladung angeordnet.
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