Neben Nat und Jargo schlug ein Matrose auf, ein Treffer hatte ihn aus den Wanten gerissen.
Überall schrien Sterbende und Verletzte. Die Soldaten versuchten den Widerstand zu organisieren, doch die wenigen ungezielten Pfeilschüsse richteten nur geringen Schaden an.
Das angeschlagene Piratenschiff, auf das die Katalanya es ursprünglich abgesehen hatte, trieb langsam davon. Alle Männer an Bord versuchten, Segel und Taue zu ordnen und Trümmer fort zu räumen, um wieder voll fahr- und kampftüchtig zu sein.
Mit kraftvollen Zügen pullten die Piraten des schwarzen Schiffes das sylthanische Schiff heran, die pure Mordlust stand ihnen in die verzerrten Gesichter geschrieben.
Die ersten übersprangen bereits den Zwischenraum zwischen den Schiffen, wurden aber von den Soldaten abgewehrt.
Einer der Piraten konnte sich im letzten Moment an der Reling festklammern, bevor er in das Wasser zwischen den Schiffen stürzten.
Dann zogen die Piraten mit einem letzten kraftvollen Ruck das Schiff heran und dem an der Reling Hängenden wurde die Beine und der Unterleib zerquetscht. Er hing brüllend zwischen den Schiffen wie ein Käfer, bis der Schwertstreich eines Soldaten seinen Qualen ein Ende bereitete.
Jargo legte Nat die Hand auf die Schulter und drängte den jungen Mann zur Backbordseite.
Nat stützte seinen taumelnden Lehrmeister und führte ihn bis zur gegenüberliegenden Reling.
„Schnell ins Wasser, vielleicht gelingt es uns zu flüchten!“ Mit einem Fuß auf der Reling wollte Nat seinen väterlichen Freund hinter sich herziehen.
„Nein.“ Ganz ruhig schüttelte Jargo den Kopf. „Mein Weg ist hier zu Ende. Für eine Flucht fehlt mir die Kraft. Aber du musst entkommen.“
Er legte die Hände auf Nat`s Kopf und Brust und schloss die Augen um sich zu konzentrieren.
„Das lass ich nicht zu!“ Nat packte mit beiden Händen Jargos Arm. „Wenn Du bleibst, dann bleibe ich auch!“
Ein müdes Lächeln zog über Jargos Gesicht.
„Was willst Du von mir hören? >Ich bin alt und Du bist jung. < oder >Du musst entkommen um mich zu rächen.< Das ist alles wahr, aber es gibt nur einen Grund!“
Er sah Nat tief in die Augen. Aus seinem Augenwinkel rann ein feiner Blutfaden an der Nase entlang bis zum Mundwinkel. Der mörderische Kampf, der um sie tobte schien weit weg zu sein.
„Du bist wichtiger als wir alle, die hier sind. Das hat das Orakel ganz deutlich gemacht. Bei uns geht es um unsere Leben, bei dir um die Zukunft einer Welt. Daher geh!“
Erneut fasste Jargo Nats Kopf und Brust und murmelte einen kurzen Spruch. Die Anstrengung, diesen Zauber zu weben, raubte ihm die letzte Kraft, sein Gesicht schien von einem Augenblick zum nächsten eingefallen und grau.
„Dies war ein Unsichtbarkeitszauber, nutze dies um zu entkommen und sieh nicht zurück!“
Mit einem Stirnrunzeln sah Nat an sich herunter. In diesem Moment schien er sich aufzulösen. Seine Füße, seine Beine, dann seine Arme und sein Oberkörper verblassten und wurden durchscheinend. Nat zuckte zusammen, riss die Hände vor die Augen, doch er sah – nichts.
In diesem Moment verpasste Jargo ihm mit letzter Kraft einen Stoß.
Nats Beine schlugen gegen die Reling, seine Hand griff ins Leere und aufschreiend fiel er ins schäumende Meer.
Neben ihm stürzte gurgelnd ein Matrose ins Wasser. Ein Schwerthieb hatte seinen Hals aufgerissen, das Blut schoss in einer Fontäne heraus und färbte das Wasser.
Nat drehte sich um und brachte mit einigen kraftvollen Schwimmstößen Abstand zwischen sich und die Schiffe.
Dann drehte er sich auf den Rücken und schaute angstvoll hoch zum Deck der „Katalanya“, auf dem die sylthanischen Soldaten und Matrosen ihren letzten Kampf fochten.
Das kleine Kontingent der Soldaten hatte blutige Ernte unter den ungeordnet angreifenden Piraten gehalten, aber die schiere Macht der zahlenmäßig überlegenen blutdurstigen Angreifer hatte den Widerstand zum Erlahmen gebracht.
Auf dem Achterdeck hatte Kapitän Nilsson seine besten Leute um sich geschart und versuchte die Angreifer immer wieder zurück zu drängen.
Dann traf ein Pfeil seinen ersten Offizier und der Moment der Ablenkung genügte, damit die anrückenden Piraten an Steuerbord die Treppe stürmen und das Achterdeck regelrecht überfluten konnten.
Zuletzt standen nur noch der Kapitän, Jargo, zwei Seeleute und ein Soldat mit dem Rücken zur Reling. Jeder blutete aus vielen kleinen und größeren Wunden und sah den weiter auf sie eindringenden Piraten entgegen.
Dann erklang ein lautes Tuten eines Hornes und die Piraten ließen widerstrebend von ihren fast besiegten Gegnern ab.
Überrascht sah Nat hinauf zu den Szenen, die sich dort oben abspielten.
Vom angreifenden Piratenschiff wurde eine kurze Planke zur Katalanya herüber gelegt.
Auf diese trat ein riesenhafter, ganz in schwarz gekleideter Pirat. Mit ruhigen Schritten betrat er das Deck des geenterten Schiffes, ging über das Deck, wobei er mit weit ausholenden Schritten über die vielen Leichen der Sylthaner und der Piraten hinweg stieg und dann über die Treppe hinauf zum Achterdeck. Am Fuß der Treppe lag ein großer Haufen toter oder sterbender Männer.
„So, das sind also die letzten Tapferen, die uns den Sieg so schwer gemacht haben.“
Mit einem mitleidslosen Grinsen zog Blackard einen langen, schartigen und leicht gebogenen Säbel.
„Ich hasse es, wenn meine Feinde tapfer sind.“
Mit drei unglaublich schnellen Streichen streckte er die Soldaten und Matrosen nieder, wobei die Macht seiner Schläge sie fast zerteilte.
„Und ihr seid der Kapitän!?! Na, da wollen wir uns doch was einfallen lassen, was etwas länger dauert.“
Die Umstehenden brachen in raues Gelächter aus.
Kapitän Nilsson schaute dem Piratenkapitän furchtlos ins Gesicht. Seine Kleidung war an vielen Stellen zerrissen und blutig.
„Ich werde euch nicht zu eurem Vergnügen zur Verfügung stehen…!“
Mit einer schnellen Bewegung warf er sein Schwert hoch in die Luft. Als die Blicke der Piraten dem fliegenden Schwert folgten, riss er einen Dolch aus seinem Hosenbund und stieß ihn sich in den Hals.
Röchelnd stürzte er zu Boden, Blut spritzte aus der klaffenden Wunde, dann verklangen die gequälten Atemzüge.
Die Piraten hatten sich instinktiv wieder dem Kapitän zugewandt, so übersahen sie das Schwert, das in einem Bogen herunterfiel und einem der Piraten von oben in den Kopf drang.
Ohne einen Ton stürzte er tot zu Boden.
Blackard brüllte wütend auf, wie ein Irrer hackte er auf den Leichnam des Kapitäns ein und schlug ihn regelrecht in Stücke.
Dann richtete er sich auf, Blutspritzer auf Gesicht, Händen und Kleidung.
„Ich hasse es auch, wenn man mir den Spaß verdirbt.“
Damit wandte er sich Jargo zu, der völlig entkräftet an der Reling lehnte.
„Und du bist der Magier, der uns so viel Ärger bereitet hat. Warum tragt ihr nur immer diese albernen Fummel, da weiß doch jeder gleich welcher Zunft ihr angehört.“
Mit der Spitze seines blutigen Säbels fuhr er über Jargos Umhang.
„Aber da du ein Magier bist, darf ich dir keine Zeit geben, dich wieder zu erholen. Schade, du hättest uns vielleicht mehr Freude bereitet als der Kapitän dieses armseligen Schiffes.“
Er hob den Säbel zu einer weit ausholenden, kreisrunden Bewegung.
„Ich verfluche dich. Du wirst in der siebten Hölle schmoren und jeden Tag die furchtbarsten Qualen erleiden. und alle deine Nachkommen ebenfalls.“
Blackard lachte auf.
„Mit deinen hehren Wünschen kannst du dich in die lange Reihe der Anderen stellen, die mich schon zu allen Leiden dieser und aller anderer Welten verflucht haben.
Das mit den Nachkommen ist allerdings neu, aber vielleicht nicht so schlau. Ich kenne die Blagen nämlich nicht, wer weiß, wen du da gerade zu ewigem Leid verdammt hast.“
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