Eine weitere Breitseite wurde auf die Lysitana abgeschossen, wieder fielen die Kugeln wirkungslos ins Meer.
Inzwischen war es den Besatzungen der Lysitana und der Katalanya gelungen, die Schiffe gefechtsbereit zu machen.
Der Wind griff in die vollen Segel und gab den Schiffen die notwendige Geschwindigkeit, um sich den Feinden zuzuwenden.
Bevor die angreifenden Schiffe, die keinerlei Erkennungszeichen oder Schiffsnamen trugen, einen erneuten Angriff starten konnten, schoss die Lysitana eine volle Breitseite auf das längsseits liegende Schiff.
Die Verfolger hatten sich sicher gefühlt, aufgrund des Überraschungsmoments und waren bis auf wenige Längen herangerückt. Das wurde ihnen jetzt zum Verhängnis. Die Geschosse trafen fast ohne Ausnahme ihr Ziel und aus dem gnadenlosen Jäger wurde in Sekunden ein waidwundes, tödlich verletztes Opfer.
Der Kapitän der Lysitana ließ sein Schiff beidrehen und überließ seinen angeschlagenen Gegner seinem unabänderlichen Schicksal.
Mit der Sicherheit des unverletzlichen Schiffes, das von Kanonenkugeln nicht erreicht werden konnte. steuerte es direkt vor die anderen beiden Angreifer, um auch diese unter Feuer zu nehmen.
Der zweite Angreifer feuerte seine Buggeschütze ab. Jargo hob die Hand … und taumelte aufstöhnend zurück.
Weit entfernt, im Thronsaal der Stadt Arkadien umklammerte Rrordrak eine silberne Schale, die mit Blut und Wein gefüllt war und auf deren Oberfläche sich ein schemenhaftes Bild des Gefechts an den Nebelinseln abzeichnete.
Auch sein Gesicht war angestrengt, der Schweiß zog schmierige Spuren über die furchige Haut.
Die Schüsse der Bugkanonen schlugen in die Lysitana ein und sorgten für ein heilloses Durcheinander. Eben noch unverletzbar, schwenkte das Schiff jetzt direkt vor die Längsseiten der beiden anderen Angreifer.
Alle drei Schiffe feuerten fast gleichzeitig ihre Geschütze ab. Die Schüsse der Lysitana trafen teilweise, verursachten aber nur geringen Schaden. Zu erschreckend war die plötzliche Entwicklung des Kampfes.
Auch die Schüsse der Angreifer waren eher hastig und von Furcht bestimmt abgefeuert, aber die pure Masse gab den Ausschlag.
Die Kanonenkugeln schlugen in den Rumpf des Schiffes, eine Kartätsche zerbarst auf dem Achterdeck, die Schrotladungen töteten den Kapitän, den Rudergänger und drei Seesoldaten und zerstörten das Ruder.
Im nächsten Moment schwenkten beide Schiffe ein und zogen an Backbord und Steuerbord an der Lysitana entlang.
Auf allen drei Schiffen waren die verbliebenen Kanonen wieder geladen. Der Geschützführer der Lysitana , ein erfahrener Veteran der Kämpfe auf dem fernen Kontinent und der Alten Welt, brüllte mit lauter Stimme,
„Nicht feuern, wartet auf mein Kommando! Keiner feuert!“
Blut lief ihm über die Stirn, in seinem Handrücken steckte ein langer Holzsplitter.
Durch die Stückpforten sah er die gegnerischen Schiffe vorbeiziehen.
Plötzlich blitzten Mündungsfeuer auf. Rauchwolken bildeten grau-schwarze Wolken zwischen den Schiffen.
An beiden Seiten wurden alle verfügbaren Kanonen gegen die Lysitana abgefeuert … und fielen wirkungslos ins Wasser.
Jargo brach in die Knie, er hielt die Augen fest geschlossen. Unter dem rechten Augenlid sickerte Blut hervor.
Nat war mit wenigen Schritten bei ihm und kniete neben ihm nieder.
Rrordrak blinzelte. Schweiß und Blut liefen über sein Gesicht und tropften in die Silberschale.
„FEUER!!!“
Siebzehn Kanonen an der Steuerbordseite und elf Kanonen an der Backbordseite der Lysitana spuckten Tod und Verderben gegen die vorbeiziehenden Schiffe.
Das angeschlagene Schiff an Backbord wurde in der Mitte aufgerissen wie ein Hafersack, Kanonen, Trümmer und Menschenleiber flogen durch das Geschützdeck. Drei Kugeln durchschlugen den Schiffsrumpf unterhalb der Wasserlinie, das Wasser strömte in das zerschlagene Schiff und füllte in Sekunden die Laderäume und die unteren Decks.
Den Seeleuten der Lysitana blieb keine Zeit, sich über ihren Erfolg zu freuen. Das letzte Schiff der Gegner hatte einige schwere Treffer hinnehmen müssen, aber es war weiterhin manövrierfähig und an Backbord waren die meisten Kanonen noch einsatzfähig.
Doch dem Kapitän dauerte eine Wende über Backbord zu lange. In dieser Zeit konnte vielleicht das Flaggschiff der „Altweltler“ heran sein.
Er brüllte wilde Kommandos und ließ die Geschützmannschaften auf dem beschädigten Deck die Trümmer notdürftig beiseite räumen. Inzwischen drehte er sein Schiff über die Steuerbordseite zur stark beschädigten Lysitana hin.
Hier versuchte man im Chaos die Kanonen neu zu laden, aber die gegnerische Joreale hielt sich achteraus und somit außerhalb des Wirkungsbereichs der Backbordgeschütze.
Als die Angreifer ihr Schiff in Position für einen Angriff gebracht hatten, standen an Steuerbord drei Geschütze zur Verfügung, die das Feuer der Lysitana unbeschadet überstanden hatten und zwei weitere, die man von Backbord herüber gerollt hatte.
Der Geschützführer ließ alle Kanonen mit durchschlagenden Kanonenkugeln laden und auf Punkte unterhalb der Wasserlinie der Lysitana richten.
Sein lauter Ruf erklang, die Kanonen feuerten und vier Kugeln durchschlugen den Rumpf des wehrlosen Schiffes.
Die wenigen Überlebenden an Bord erkannten die hoffnungslose Lage und versuchten auf dem bereits stark krängenden Deck die noch nicht zerstörten Beiboote klar zu machen.
Doch immer wieder feuerte das angreifende Schiff in die Überreste der Lysitana .
Jetzt war die Katalanya heran. Kapitän Nilsson erkannte deutlich, dass es für die Matrosen und Soldaten der Portalia und der Lysitana keine Rettung mehr gab.
Aber Rache würde es geben.
Mit vollen Segeln jagte er auf die Stelle zu, an der der letzte Angreifer die Lysitana in Stücke geschossen hatte und jetzt Jagd auf die überlebenden Seeleute machte.
Gleich würde die Katalanya auf Schussweite heran sein und noch immer schien niemand an Bord des Feindes Notiz vom heranstürmenden Flaggschiff der Altweltler zu nehmen.
Kapitän Nilsson ließ beidrehen um mit der Backbordseite zum gegnerischen Schiff zu liegen. Alles konzentrierte sich auf den Angriff auf das letzte Schiff … und so ging man in die Falle.
Aus dem Nebel an der Steuerbordseite schälte sich eine riesige tiefschwarze Bargalone, am Mast zeigte sich die Piratenflagge mit dem Totenkopf und den gekreuzten Knochen.
Alle Stückpforten waren geöffnet, 30 schwere Kanonen zeigten direkt auf die Katalanya . Auf dem Achterdeck stand ein hünenhafter Mann und hielt ein schwingendes Amulett hoch in die Luft.
Das Überraschungsmoment war gelungen.
Bevor dem Kapitän eine Möglichkeit der Gegenwehr blieb feuerte das unheimliche schwarze Schiff eine volle Breitseite.
Doch einer hatte rechtzeitig reagiert.
Jargo bäumte sich auf, seine Hände zuckten, seine Augen schienen aus den Höhlen treten zu wollen. Und tatsächlich gelang es ihm einen weiteren Abwehrzauber über das Schiff zu spinnen, die Kugeln klatschen ein weiteres Mal nutzlos ins Wasser.
Doch damit schien der Anführer der Piraten gerechnet zu haben, denn jetzt schwenkte die Bargalone ein und lag nach wenigen Momenten längsseits der Katalanya .
Seile flogen, Enterhaken krallten sich in Tauwerk und Holz. Ein Matrose wurde von einem Enterhaken am Rücken getroffen, der Ruck der Entermannschaft trieb ihm den Haken tief in den Leib und nagelte ihn regelrecht an die Reling.
Aus den Wanten und von den Masten schossen die Bogenschützen der Piraten auf das Chaos an Bord des sylthanischen Schiffes.
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