Wie seine Vettern besteht das HDL aus Proteinen, TG und Phospholipiden. Im Unterschied zu VLDL und LDL werden HDL-Partikel nicht in der Leber synthetisiert, sondern im Blut assembliert. Zuerst gibt die Leber das HDL-typische Apo-Protein Apo-A1 an das Blut ab. Dort vereinigt es sich mit Phospholipiden und bildet die Vorläufer-HDL (Abb. 5 und Abb. 6). Erst wenn diese das Cholesterin aus dem Gewebe einbauen, werden sie zu reifen HDL. Die Hauptaufgabe von HDL ist der Transport von verwaistem Cholesterin aus Gewebe. (12)

Abb. 5 Kreislauf von LDL und HDL

Abb. 6 HDL sammelt verwaistes Cholesterin ein.
Abgesehen von dem Transport von Cholesterin, reguliert HDL die Immunantwort. Immunzellen wandern in die Wände von Blutgefäßen ein. Treffen sie auf modifiziertes LDL, lösen sie Entzündungen aus. Das HDL beugt Entzündungen vor, weil es das exzessive Eindringen von Immunzellen in die Wände der Blutgefäße reduziert. Blutplättchen, die übermäßig zur Gerinnung neigen, sind ein Grund für atherosklerotische Plaques. HDL normalisiert das Verklumpen der Blutplättchen und beugt Plaques vor. HDL verhindert die Aufnahme von oxidiertem LDL durch Immunzellen. Die weitere Aufgabe von HDL, die es mit den anderen Lipoproteinen teilt, ist das Neutralisieren von Endotoxinen. Endotoxine sind Teile der Zellwand von Bakterien, auf die Immunzellen mit einer Entzündung reagieren. Sie gelangen durch die Darmwand ins Blut.
Heißt das, mehr HDL ist besser? Nein. Zu wenig und zu viel HDL sind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von HKE assoziiert. Für HDL gilt ein Wertebereich von rund 50 mg/dl bis rund 80 mg/dl, als schützend. Bei höheren Werten verliert HDL seine Schutzfunktion. Aber auch das sind Assoziationen, keine Kausalitäten.
Quellenangaben
1 Sharman MJ, Kraemer WJ, Love DM, Avery NG, Gómez AL, Scheett TP, Volek JS. A ketogenic diet favorably affects serum biomarkers for cardiovascular disease in normal weight men. J Nutr. 2002 Jul;132(7):1879-85.
2 Toft-Petersen AP, Tilsted HH, Aarøe J, Rasmussen K, Christensen T, Griffin BA, Aardestrup IV, Andreasen A, Schmidt EB. Small dense LDL particles--a predictor of coronary artery disease evaluated by invasive and CT-based techniques: a case-control study. Lipids Health Dis. 2011 Jan 25;10:21.
3 Ivanova EA, Myasoedova VA, Melnichenko AA, Grechko AV, Orekhov AN. Small Dense Low-Density Lipoprotein as Biomarker for Atherosclerotic Diseases. Oxid Med Cell Longev. 2017;2017:1273042.
4 Kannan S, Mahadevan S, Ramji B, Jayapaul M, Kumaravel V. LDL-cholesterol: Friedewald calculated versus direct measurement-study from a large Indian laboratory database. Indian J Endocrinol Metab. 2014 Jul;18(4):502-4
5 Ahmadi SA, Boroumand MA, Gohari-Moghaddam K, Tajik P, Dibaj SM. The impact of low serum triglyceride on LDL-cholesterol estimation. Arch Iran Med. 2008 May;11(3):318-21.
6 Younis N, Sharma R, Soran H, Charlton-Menys V, Elseweidy M, Durrington PN. Glycation as an atherogenic modification of LDL. Curr Opin Lipidol. 2008 Aug;19(4):378-84. doi: 10.1097/MOL.0b013e328306a057. Review. Erratum in: Curr Opin Lipidol. 2008 Oct;19(5):552.
7 Sobal G, Menzel J, Sinzinger H. Why is glycated LDL more sensitive to oxidation than native LDL? A comparative study. Prostaglandins Leukot Essent Fatty Acids. 2000 Oct;63(4):177-86.
8 Alique M, Luna C, Carracedo J, Ramírez R. LDL biochemical modifications: a link between atherosclerosis and aging. Food Nutr Res. 2015 Dec 3;59:29240.
9 Sharman MJ, Gómez AL, Kraemer WJ, Volek JS. Very low-carbohydrate and low-fat diets affect fasting lipids and postprandial lipemia differently in overweightmen. J Nutr. 2004 Apr;134(4):880-5.
10 Younis N, Charlton-Menys V, Sharma R, Soran H, Durrington PN. Glycation of LDL in non-diabetic people: Small dense LDL is preferentially glycated both in vivo and in vitro. Atherosclerosis. 2009 Jan;202(1):162-8.
11 Al Saudi RM, Kasabri V, Naffa R, Bulatova N, Bustanji Y. Glycated LDL-C and glycated HDL-C in association with adiposity, blood and atherogenicity indices in metabolic syndrome patients with and without prediabetes. Ther Adv Endocrinol Metab. 2018 Aug 14;9(10):311-323.
12 Huang LH, Elvington A, Randolph GJ. The role of the lymphatic system in cholesterol transport. Front Pharmacol. 2015 Sep 2;6:182.
Korrelationen und Assoziationen – Schwächlinge mit Autorität
Korrelation bedeutet Zusammenhang oder Wechselwirkung. Statistische Analysen bestätigen Korrelationen oder widerlegen sie. Fällt der Test auf Korrelation positiv aus, interagieren die getesteten Faktoren miteinander. Der Test sagt nichts aus über die Ursachen (Kausalität) der Interaktion zwischen den beiden Faktoren. Diese Interaktion ist wahr oder unwahr. Es ist unwahr, dass der Weihnachtsmann Geschenke bringt. Dass der HI-Virus AIDS verursacht, ist wahr. Beide Beobachtungen fußen auf statistischen Korrelationen, nur Letztere ruht auf Kausalität.
Beim LDL glauben wir an den Weihnachtsmann!
Eine Korrelation ist die Grundlage von Arbeitshypothesen. Niemals ist eine Korrelation der Beweis für Kausalität. Eine positive Korrelation weist auf Kausalität hin, oder nicht. Kausalität wird durch weitere Versuche getestet und fortführende Studien bestätigen oder widerlegen die vorige Korrelation. Tritt das Letztere auf, wird die Arbeitshypothese neu formuliert.
Ein Beispiel: Die Korrelation zwischen Schuhgröße und Jahresgehalt ist positiv und statistisch signifikant. Das heißt, ein Mensch, der große Schuhe trägt, verdient im Durchschnitt mehr als ein Mensch mit kleinen Schuhen. Die Korrelation ist wahr, weil Männer, die größere Schuhe tragen, mehr verdienen als Frauen. Frauen tragen kleinere Schuhe. Daraus zu schließen, dass die Fußgröße die Ursache für den Pay-Gap ist, wäre falsch. Die Korrelation weist auf die sozioökonomische Position der Frau hin. Die Größe ihrer Füße ist irrelevant. Wer hier auf Kausalität setzt, zieht für die nächste Gehaltsrunde große Schuhe an. Die Schuhe täuschen aber nicht über das Geschlecht hinweg.
Ähnlich ist es mit dem Cholesterin, dem LDL und dem Risiko für Atherosklerose. Die anfänglich publizierten Studien setzten Korrelation mit Kausalität gleich. Die Hypothese lautete, dass die Senkung des Cholesterins zu einer Abnahme der HKE führt. Das hatte zur Folge, dass Forscher und Ärzte Cholesterin und LDL unter allen Umständen zu senken versuchten. Der Gedanke vom „bösen“ LDL ist ein Dogma. Andere Studien widerlegten die positive Korrelation zwischen LDL und HKE. Manche zeigen, dass wenig Cholesterin mit einer erhöhen Todesrate einhergeht. Damit wäre die ursprüngliche Hypothese zu überdenken. Die Diskussionen um diese Kontroverse sind lebhaft, amüsant und häufig vulgär.
Korrelationen sind essenziell, weil sie Hypothesen gebären. Diese Hypothesen führen zu Experimenten und Studien und diese zu Fakten und Therapien. Der Sprung von der Korrelation zur Therapie ist bequem und falsch. Korrelationen verdeutlichen keine mechanistischen Zusammenhänge, weil Beobachtung und Ursache zwei Paar Schuhe sind.
Studien, die die Lipid-Hypothese unterstützen, setzen auf Korrelationen, um ihre Argumente zu unterstreichen. Das Gleiche gilt für die Studien, die behaupten, die Lipid-Hypothese sei inkorrekt. Es ist eine Schlacht mit Seifenblasen. Keine Partei kann Kausalität nachweisen.
Die Rationale für die Gabe von Statinen sind Assoziationen und Statistiken, nicht Kausalitäten. Der Profit aus diesen Assoziationen überschreitet bald die Billionen-Grenze. (1) Statistik wird in der Zukunft eine enorme Rolle spielen. Kardiovaskuläre Krankheiten, Krebs und Demenz sind keine 1 + 1 = 2 Beschwerden, sondern komplexe Leiden gespickt mit komplexen Formeln. Statistik ist die Lösung, weil sie bequemer und billiger ist als die Grundlagenforschung und Festanstellungen für Wissenschaftler. Viele echauffieren sich, dass unser Gesundheitsminister an Datentollwut leidet. Doch sein Plan ist bloß die Kontinuation assoziativer Studien voriger Jahrzehnte.
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