Es gab mehr champagne , auch John tauchte wieder auf. Die Rechnung war beachtlich, Schober wurde erst mal blass. Na gut, erst mal die Firmenkreditkarte nutzen, dann mit cash den Rest erledigen. Man schickte die Damen nach Hause, im Taxi bedankte sich John: " It's always a pleasure doing business with you guys. I am very pleased with the service. We should try to organize meetings like this more frequently, not just once a year! " Schober stimmte zu, nicht ohne ein dummes Gefühl im Magen.
Am folgenden Tag ging er mit seiner Abrechnung zur Sekretärin, Madame d'Aubigné. Die sagte: " Oh la, la ." Und dann "Sie ' atten Spaß Charles , oui ? Wenn der Umsatz hoch genug ist, bestellen wir für unsere guten Kunden gerne hostesses bilingual !"
Schober war die Geschichte immer noch peinlich. Erst als er erkannte, bei ihr gab es keine Kritik an seinem Verhalten, solche Rechnungen waren offenbar nicht ungewöhnlich, begann er sich zu beruhigen. Trotzdem suchte er im Wörterbuch nach passenden Übersetzungen und ging zur Beichte. Das wollte er hinter sich haben, denn zuhause ging das überhaupt nicht! Dieses Erlebnis konnte er seinem Beichtvater im Dorf nicht erzählen. Der wäre sowas von geschockt, nein, unmöglich war das. Tabula rasa musste schon in Paris geschaffen werden. Es beruhigte ihn dann doch, der Priester sah kein wirkliches Problem. Ehebruch war es nicht, so ein blow job !
Im Frühsommer traf Schober bei einem Besuch in der Zentral zufällig vor dem Paternoster auf Seeberger. Der Paternoster war ein enges Gefährt, das rasche Reaktionen beim Ein- und Aussteigen verlangte, deshalb blieben beide erst mal zum small talk stehen. Er erfuhr, Seeberger würde auf dem Weg zu einem Kunden durch Paris kommen. Man kam überein, sich dort am Abend zu treffen, das gab Gelegenheit zum Gespräch, oder wie man heute sagt, zum networking .
Es wurde ein lockeres Abendessen. Seeberger hatte ein paar Abenteuer erlebt in Chile, Bolivien und Peru. Er war mit dem Auto in der Atacama liegen geblieben, aber das war weniger interessant, als sein Bericht von einer Taxifahrt in Argentinien. Seebergers Taxi hatte in einer Kleinstadt, weit weg von Buenos Aires, an einer Ampel vorschriftsmäßig gestoppt. Der nachfolgende Autofahrer hatte damit nicht gerechnet und war aufgefahren. Auf der Polizeiwache stellte sich heraus, der Taxifahrer hatte keinen Führerschein. Weiterfahren war erst mal unmöglich. Seeberger musste zur Toilette. Die war direkt neben den Zellen für irgendwelche Gefangenen. Da gerade Besuchstag war, standen alle Zellentüren weit offen und Besucher und Insassen ununterscheidbar durcheinander. Seeberger meinte: "Ich hab mich geeilt, da wieder raus zu kommen. Ich dachte, am Ende muss ich noch beweisen, ich bin keiner der Insassen! Mit hundert US$ haben wir unseren Taxifahrer wieder frei bekommen und konnten weiter zum Kunden fahren."
Schober erzählte von den Problemen bei den Synthesen in Krauths Truppe und von Krauths Desinteresse an fast allem, ausgenommen natürlich seiner Scheinkarriere an der Würzburger Uni. "Stellen Sie sich mal vor", sagte er, "da gibt es ein dringendes Problem zu lösen beim Personal, und der verschwindet einfach, nur um seine Vorlesung zu halten. Zum Glück konnte ich einspringen und die Schwierigkeiten beseitigen. Mit Personalproblemen und Menschen, da kann ich gut. Das ist eine meiner Stärken."
"Das bringt mich auf eine Position, die bei uns bald besetzt werden soll", sagte Seeberger zu diesem statement Schobers, "wie ich gehört habe, möchten der Unterholzer vom Vorstand und der Geschäftsgebietsleiter Pfleiderer die Nachfolge von meinem obersten Chef sehr frühzeitig regeln. Dem Unterholzer ist aufgefallen, allzu dick ist die Personaldecke nach den Abbauaktionen nicht mehr und strategisch ist unser Bereich ganz wichtig."
"Also eigentlich bin ich ja mindestens zwei Jahre hier", antwortete Schober, "ich bin nicht sicher, ob das sinnvoll ist, jetzt schon nach etwas anderem zu suchen?"
"Vielleicht sollten Sie sich trotzdem bewerben", schlug Seeberger vor, "wenn Sie gerne mit Personal arbeiten und strategisch planen wollen, dann wäre das vielleicht etwas."
Wegen seines noch schlechten Gewissens lud Schober Elsbeth nach Paris ein. Der Frühsommer war passend, Töchterchen Jasmin durfte mitkommen. Er begann mit den üblichen Besichtigungen, nur um rasch zu erkennen, der Louvre und die Tullerien waren nicht sehr spannend für Kindergartenbesucher. Elsbeth schlug als bessere Alternative für den nächsten Tag den Besuch von Disney World vor. Für Jasmin war das genau richtig, sie amüsierte sich hervorragend. Schober langweilte sich mächtig. Nach einem guten halben Tag schützte er einen wichtigen Anruf vor und verschwand ins Büro. Elsbeth war darüber sogar glücklich, denn sein langes Gesicht drückte mächtig auf die Stimmung.
Am Abend kam es zu einer unerwarteten Begegnung. Schober hatte für Elsbeth und Jasmin eine Überraschung fürs Abendessen, man fuhr mit dem Schiff, einem der bateaux-mouches, auf der Seine. Es war eine gelungene Bootsfahrt bis ihm zwei Tische weiter Jeanette ins Auge fiel, die dort mit einem Herrn saß, der ihm den Rücken zuwendete. Zum Glück schien sie ihn nicht zu beachten. Im wurde heiß und kalt und er sah etwas zu oft hinüber, Jasmin fiel es auf.
Sie fragte: "Papa, kennst Du die Frau da drüben?" Daraufhin drehte sich Elsbeth um und blickte in die Richtung: "Welche Frau meinst Du, Jasmin?"
Jasmin meinte: "Na, die da drüber mit der komischen Frisur und dem kurzen Kleid! Die hat ganz hohe Schuhe an."
Elsbeth versuchte unauffällig über ihre Schulter zu sehen, was ihr nicht gelang.
Schober wollte schon heftig verneinen. Dann besann er sich und versuchte eine Vorwärtsstrategie: "Ich kenne sie nicht, aber sie erinnert mich an die Frau eines unserer amerikanischen Kunden, die von Mr. Bishop. Deshalb hab ich immer wieder hingesehen und überlegt, ob sie es ist der nicht. Aber das kann ja überhaupt nicht sein, der Bishop ist schon wieder in den USA!" Zum Glück wollte Jasmin ein großes Eis zum Nachtisch, das genügte um Elsbeth abzulenken.
Da das Bewirten und Bootfahren auf Dauer ziemlich langweilig wurde, erschien Schober die Zeit in Paris bald mehr als Leerzeit, denn als Lehrzeit. Schober brütete nicht lange über die Option sich für die Stelle in Seebergers Bereich zu bewerben. Erstens hatte er bei Unterholzer vermutlich einen guten Ruf als Folge seiner schnellen Aufräumaktion beim Personalabbau und zweitens wurde ihm die Vermittlung beim Einführen neuer, einheitlicher Standards langweilig. Das Ende war abzusehen, viel gab es nicht mehr zu tun. Er beschloss, sich mit dem Argument zu bewerben: 'Arbeit erledigt, möchte mich nicht auf Kosten der Firma langweilen, suche deshalb neue Aufgabe mit Herausforderung'.
Er lernte Details zur der offenen Stelle beim Gespräch mit Pfleiderer und Lübmüller. Es war nicht wirkliche eine vakante Stelle, eher eine weitere Warteposition. Für die Karriere war es wichtig, seinen Auslandsaufenthalt in der Personalakte dokumentiert zu haben. Der war kein Wert an sich, es genügte eine Position durchlaufen zu haben. Schober war sich sicher, in der Zentrale hatte er jede Menge Gelegenheit die gewonnenen Kontakte, zum Beispiel zu Unterholzer oder Hohlenberger, zu nutzen und weiter auszubauen.
Elsbeth erklärte er die Vorteile: "In der Zentrale, da treffen sich alle, besonders, wenn es um Entscheidungen für Karrieren und für Investitionen geht. Wer dort zur richtigen Zeit gesehen wird, ist fast schon befördert."
"Aber dafür hast Du dann einen deutlich weiteren Weg von zuhause zur Arbeit", Elsbeth erkannte die Nachteile.
"Das spielt überhaupt keine Rolle. Du musste das Positive sehen, ich werde nicht mehr nur am Wochenende zuhause sein, sondern praktisch jede Nacht! Schließlich kann ich mit der Bahn fahren. Wenn ich erst meinen Firmenwagen hab, sind die paar Kilometer sind mit dem Auto doch ein Klacks!"
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