1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 „Besser nicht die Heizung, sonst riechts noch mehr. Couch ist gut.“ Elijah legte den Pullover neben ihren Blouson und sagte, „Ich mag harmlos und nett. Von dem anderen habe ich jeden Tag genug. Live und in Farbe.“
„Was hörst du am liebsten?“
„Am liebsten?“
„Welche ist deine absolute All-Times-Lieblingsband?“
„Kann ich nicht sagen. Hab ich nicht. Ich mag von vielen Bands viele Lieder, aber von keiner Band alle Lieder. Verstehst du, was ich meine?“
„Ich glaube. Also, was ist dann dein Lieblingslied? Was ist Top deiner persönlichen Best-Mix?“
„Kommt auf die Stimmung an. Aber In the air tonight ist immer dabei und Whitesnake, Here I go again . Dann ein paar Sachen von Meat Loaf, Thin Lizzy, Deep Purple mit Child in time , Lynyrd Skynyrd, Bob Seger. Journey ganz klar, Don’t stop believin‘ -“
„ Separate Ways . Ich liebe Journey.“
„ Verdamp lang her find ich aber auch nicht schlecht, der Westernhagen hat ein paar ganz gute Sachen, Mit 18 zum Beispiel. Styx auch, ein bisschen schmalzig vielleicht, aber trotzdem, The best of times -“
„- are when I’m alone with you .“
Sie sah ihn an. Ihre Augen strahlten.
„Ja. Und wenn ich mit einem Mädchen zusammen wäre, würde ich vielleicht Romeo and Juliet einlegen.“
„Mit einem Mädchen zusammen?“
„Nur so zu sagen.“
„Ah. Romeo and Juliet ? Von wem ist das?“
„Dire Straits.“
„Um was gehts in dem Lied?“
Um den verliebten Romeo, sagte Elijah, der nachts vor einem Haus unter dem Fenster seiner Juliet steht und ein Liebeslied für sie singt, You and me, babe, how about it? Dem Juliet aber antwortet, Hey Romeo, mein Freund ist zurück, du kannst nicht einfach so hier auftauchen und singen. Aber Romeo ist sehr verliebt, er sagt, sie soll ihn nicht ansehen, als wäre er nur irgendeiner, sie wüsste doch, wenn sie sich geliebt hätten, dann hat sie geweint und ihm gesagt, Ich liebe dich wie die Sterne am Himmel, und ich liebe dich, bis ich sterbe.
„Oh, das hört sich so schön an“, sagte Layla. „Ich liebe dich, wie die Sterne am Himmel, ich liebe dich, bis ich sterbe. Geht es gut aus? Bitte sag, dass es gut ausgeht.“
Elijah schüttelte den Kopf.
„Sie ist also nicht so nett, diese Juliet, hm?“
„Nein, das ist sie nicht.“
„Hast du eigentlich ...“ Layla kam einen Schritt an ihn heran. „Hast du eigentlich gewusst, dass ich total harmlos und nett bin, Eli?“
Layla stand jetzt ganz dicht vor ihm und sah zu ihm hoch.
Elijah spürte die Wärme ihres Körpers, obwohl sie sich nicht berührten, und er spürte ihren warmen Atem in seinem Gesicht, ihr Mund nur Zentimeter von seinem Mund.
Das Kribbeln in seinem Bauch wurde stärker. Und tiefer, es wunderte ihn nicht, regte sich längst auch was. War das dasselbe Kribbeln, von dem immer die Rede war, das Kribbeln, wenn Menschen sich liebten? Wenn sie sich verliebten?
Konnte das sein? War er verliebt in Layla?
Warum nicht? Weshalb sonst hörte er seit Wochen das Lied mit ihrem Namen rauf und runter?
Und wenn es so war, was sollte er jetzt tun? Sollte er sie jetzt umarmen? Sie küssen?
Doch was, wenn sie ihn nicht mochte? Wenn sie nur einfach so mit ihm gekommen war? Wenn sie mit ihm spielte, genau wie Juliet mit Romeo?
Aber sie hatte sich bei ihm eingehängt und dann sogar seine Hand genommen und nicht mehr losgelassen. Und sie hatte gesagt, dass Juliet nicht nett war. Das musste doch etwas bedeuten, oder?
Oder?
Was sollte er tun?
Er sagte, „Vielleicht würden wir auch etwas anderes hören. Etwas altes. Aus 1970. Clapton vielleicht.“
Layla guckte. Ihre Stimme war leise, kaum mehr als ein Hauchen. „Du ... hast Eric Clapton auf deinem Rekorder?“
„Seit einer Weile schon.“
Elijahs Herz schlug hart und fest gegen seine Brust.
Sie sagte, „Welches ... Welches Lied denn?“
Sein Entschluss stand fest. Die Situation war, wie sie war, und ihm war es egal, ob er sich lächerlich machte, ob sie vielleicht lachen würde, ob sie vielleicht später anderen davon erzählen würde und die würden lachen, er musste es einfach tun, alles riskieren.
Er kniete sich vor sie und sah zu ihr hinauf und sagte, und seine eigene Stimme war ihm fremd, „Well, Layla, you’ve got me on my knees, Layla, I’m begging, darling please, Layla, darling won’t you ease my worried mind.“
Wie Layla ihn da ansah, das zarte Lächeln um ihren Mund. Während er sprach, sprang ihr Blick zwischen seinen Augen und seinen Lippen hin und her, und jetzt erschienen Tränen in den Winkeln ihrer Augen.
Und sie kniete sich zu ihm hin.
Und küsste ihn.
Ihre Lippen waren warm und weich und zart und ihre Haut verströmte einen süßen Duft, und ihre Zunge spielte mit seiner Zunge, langsam und vorsichtig, und ihre beiden Hände streichelten sein Gesicht.
Er legte seine Arme um sie und stand auf und sie stand mit ihm auf, und er hob sie hoch und trug sie hinüber zum Bett und legte sie vorsichtig, vorsichtig darauf.
Sie lächelte ihn an.
„Ja, Eli. Ja.“
Elijah trank vom Wasser und goss Kaffee nach und betrachtete die Akte, ohne sie anzufassen.
Kein Aktenzeichen.
Was bedeutete, dass es sich nicht um eine offizielle Akte handelte. Keine offizielle Akte der Staatsanwaltschaft oder der Polizei, und keine Handakte von Doktor iurisprudentiae Julika Vianne, der freundlichen Fachanwältin für Strafrecht, die zudem einen verdammt guten Kaffee kochte.
Er schlug die Akte auf und las flüchtig die erste Seite und blätterte langsam durch bis zum letzten Blatt. Achtzehn Blätter. Alle Seiten waren Kopien.
Elijah nippte an seinem Becher.
Keine Originalakte, genau, wie er gedacht hatte. Aber es war die Kopie einer Originalakte. Die exakte Kopie nämlich einer Ermittlungsakte der Polizei.
Es gab mehrere Fotos, aber auch diese waren keine Originale, sondern Kopien auf Papier.
Wie er es aus Hunderten Ermittlungsakten kannte, waren die Blätter handschriftlich durchnummeriert, rechts oben in der Ecke. Von eins bis achtzehn.
Die Akte war chronologisch geführt.
Sie begann am Sonntag, den 20. März 1983.
An diesem Tag erschienen um neun Uhr morgens die Eheleute Hans und Ursula Zimmermann, geborene Hammes, auf dem Polizeipräsidium in Trier, Südallee und zeigten das Verschwinden ihrer Tochter Astrid an.
Astrid, so gab die Mutter zu Protokoll, ist sechzehn Jahre alt, schlank und hat lange, dunkelbraune fast schwarze Haare und sie war noch nie, ohne uns vorher zu informieren, über Nacht weg, noch niemals.
Ob Eltern und Tochter Streit gehabt hätten?
Nein.
Ob es nicht sein könnte, dass die Tochter bei einer Freundin wäre?
Nein.
Oder bei einer Freundin, die sie nicht kennen würden?
Nein. Wir haben alle angerufen. Nein.
Ob die Tochter einen Freund hätte?
Nein.
Ganz sicher?
Ja. Wir wüssten davon.
Ob es nicht sonst jemanden gäbe, bei dem die Tochter jetzt sein könnte? Tante, Oma, Onkel?
Wir haben alle angerufen . Nein.
Die Eltern hatten ein Foto ihrer Tochter dabei und es der Polizei überlassen.
Das Foto zeigte eine junge Frau mit langen Haaren, Jeans, Pullover und einem Blouson mit breiten Schulterpolstern, der ihr phantastisch stand.
Das Foto war schwarzweiß kopiert, aber Elijah wusste, der Blouson war dunkelblau.
Er wusste es genau, denn die junge Frau auf dem Foto war Layla.
Brandner hatte den Geländewagen mit dem nicht registrierten Kennzeichen gut im Blick und telefonierte erneut. Eine andere Nummer, aber wieder ein Gefallen. Dann eine weitere Nummer und wieder ein Gefallen.
Читать дальше