Michael Kress - Nicht für alle Zeit

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Deutschland 1848
Eine Frau, drei Männer, ein Waisenjunge und die Revolution.
Die zwanzigjährige Eleonore will aus Liebe heiraten, nicht aus Vernunft. Und sie will den Armen helfen, deren Not lindern, und darüber ein Buch schreiben. Mit Leutnant August von Engel gibt es bereits einen hartnäckigen Verehrer. Der hat es vor allem auf das Geld und Ansehen ihres Vaters abgesehen.
Da trifft sie auf zwei Brüder. Friedrich ist ein angesehener Portraitmaler – und Geheimagent. Er will die bestehende Ordnung um jeden Preis aufrechterhalten. William ist Journalist, steht auf der Seite der Revolution und will für mehr Gerechtigkeit schreiben.
Eleonore ist zwischen beiden hin- und hergerissen. Und da ist noch ein Waisenjunge, den sie umsorgt. Wer wird neben ihm einen Platz in ihrem Herzen finden.

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MICHAEL KRESS

NICHT FÜR ALLE ZEIT

Aufbruch

Historischer Roman

Die Rechte für die Ausgabe liegen alleine beim Autor.

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung oder Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Autoren unzulässig und strafbar. Alle Rechte sind vorbehalten.

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Er übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und

Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten.

Es besteht keine Absicht, diverse Orte, Firmen oder

Markennamen sowie Personen des öffentlichen Lebens in irgendeiner Art und Weise zu schädigen oder negativ

darzustellen.

Impressum

Texte © Michael Kress

Umschlag © by k-e-coverdesign@gmx.de

Bild(er) © Ralph Sander

Lektorat/Korrektorat

ela.marwich@gmx.deund Bianca Weirauch

Satz Katharina Georgi

Verlag

Neopubli GmbH

Köpenicker Straße 154a

10997 Berlin

Druck

epubli ist ein Service der neopubli GmbH Berlin

Abschied

Herzlich Willkommen

Geheimnisse

Ein feines Haus

Wundersame Tauben

Schöne Aussichten

Ein Besuch und eine Überraschung

So lang das Übel zu ertragen ist

Was für ein Glück

Briefe schreiben ist schwer

Nachrichten aus Paris

Kleider machen Leute

Im Salon Bettina von Arnim

Ein Flugblatt entsteht

Potsdam

Sogar dem König

Eleonore in Not

Vor dem Schloss

Heilig-Geist-Spital

Eine Tragödie

Der Prinz rasiert sich

Die Mütze runter

Vorsorge

Der Wahrheit ins Auge schauen

August wütet in Baden

Paulskirche

Williams Erlebnis

Erinnerungen

Fremde Heimat

Überraschungen

Die Stellung einer Frau

Spurensuche

Die Nebel lichten sich

Tumulte und ein trauriges Wiedersehen

Cannstatter Volksfest

Abenteuer im Ballon

Erfüllung

Figurenverzeichnis (*historisch)

Geschichtlicher Hintergrund

Danksagung

Vita

Abschied

Stuttgart, Januar 1848

Der eisige Januarwind schlug Eleonore Herbst entgegen, als sie aus der Kutsche stieg, und ließ sie frösteln. Gedankenverloren griff sie nach ihrem Hut, um ihn festzuhalten. Ihre schlanken Finger bekamen die Hutnadel zu fassen. Natürlich, sie hatte ihn an ihrem braunen Haar fixiert, das im Nacken zu einem Knoten geschlungen war. Das war ihr entfallen, wie so vieles in den letzten Tagen. Sie ließ ihre Hand sinken, blieb stehen und wartete, bis ihr Vater ausgestiegen war.

Vor dem Eingang zum Stuttgarter Hoppenlaufriedhof standen die Trauergäste. Zur Linken die einfachen Leute. Eleonore erkannte den Böttcher Vogt, von dem alle Fässer im Haus stammten, vom Butterfässchen bis hin zu den großen Tonnen, worin sie die Äpfel aufbewahrten. Gib den Menschen Arbeit, niemals Almosen , war die Maxime ihrer Mutter gewesen. Sie wollte das fortführen. Darum hatte Eleonore ihn gebeten, ein paar Kränze zu flechten. Das handwerkliche Geschick dazu hatte er. Ein Anfang. Sie musste später daran denken, ihm seinen Lohn auszuzahlen.

Zur Rechten warteten die Honoratioren Stuttgarts in ihren dunklen Anzügen. Darunter Bürgermeister Gutbrod, weitere Stadträte, Fabrikanten und Rechtsgelehrte, Kollegen ihres Vaters. Dabei stand auch Leutnant August von Engel, der alle um einen Kopf überragte. Er war ihr bereits in der Kirche aufgefallen. Nie, so schien es ihr, verlor er sie aus den Augen. Leutnant von Engel, eine gute Partie, wie alle sagten. Er war der Letze einer alten Adelsfamilie, besaß ein Landgut und diente in der Garde des Königs. Sein Tschako saß ihm akkurat ausgerichtet auf dem Kopf. Die silberfarbenen Pompons blitzten jedes Mal auf, wenn die tiefstehende Sonne hinter einer Wolke zum Vorschein kam. »Ich bin für dich da«, hatte er gesagt. Sie spürte seinen eindringlichen Blick.

Eleonore hörte Hufe auf das Pflaster schlagen und wandte sich um. Ein Mann im dunklen Anzug führte den Leichenwagen in den Friedhof hinein, der Pfarrer folgte. Ihr Vater hielt ihr seinen angewinkelten Arm hin und sie trat neben ihn, hakte sich ein. Die Geste weckte eine Erinnerung an ihre Mutter, wie sie neben ihrem Vater einherging. Stolz und gütig gleichermaßen. Und heute? Vor drei Tagen war ihre Mutter gestorben. Erst vor drei Tagen? Sie besaß kein Zeitgefühl mehr und der Alltag war ihr entglitten. Ihre Welt stand still. Wann hatte sie das letzte Mal gegessen? Und was? In Gedanken sah sie nur den verwaisten Stuhl mit der hohen Lehne am Tisch.

Eleonore blickte auf den dicken Hals des Geistlichen. Wohlgenährt wie alle Pfarrer, die sie kannte. Sollten die Nachfolger von Jesus nicht teilen, wie er es getan hatte? War sie mit solchen Gedanken allein, jetzt, da ihre Mutter gestorben war?

Immer wenn der Wagen über eine Bodenunebenheit rollte, klapperten die Messinggriffe des Sarges gegen das Holz und die Kränze rutschten hin und her. Hinter Eleonore schniefte Maria unablässig in ihr Taschentuch. Für Eleonore war sie wie eine zweite Mutter. Sie führte seit zwanzig Jahren ihren Haushalt und gehörte längst zur Familie.

Schnee knirschte unter den Rädern des Wagens und unter den zahlreichen Stiefeln. Der Wagen stockte kurz und fuhr dann auf die linke Seite neben einen Grabstein. Eleonore nutzte die Gelegenheit und betrachtete den Trauerzug, der sich gleich einer riesengroßen Raupe den Weg bis hinunter zur Friedhofsmauer hinzog. Die Gassenjungen bildeten den Schluss. Sie sprangen weder wie Flöhe umher, noch lärmten sie, was sie sonst taten. Mancher der Jungen hatte bestimmt heimlich eine Träne vergossen und sich an die großen, rotgelben, saftigen Äpfel erinnert, die ihre Mutter immer aus einem Fass zauberte, wenn es galt, einen Dienst zu belohnen, und sei er noch so klein gewesen.

Sie wandte ihr Gesicht ihrem Vater zu. Seine grauen Augen blickten leer geradeaus, seine Haltung glich der einer Marionette mit durchgetrennten Schnüren. Keine Spur mehr von der Kraft, die sonst von ihm ausging. Sein Anzug schlotterte um seine dürren Beine. Und sie, würde sie je wieder lachen können?

Der Zug erreichte die Grube, die sich schwarz von der Umgebung abhob. Eleonore roch die frisch ausgehobene Erde, sah den Totengräber. Der lehnte sich an ein steinernes Rondell, das im Hintergrund in die Höhe ragte. Dieses Grabmal gehörte dem Geheimrat Johann Daniel Sick und Eleonore hoffte, dass ihr Vater bei Mutters Ruhestätte auf derlei Pomp verzichten würde.

Männer traten vor, nahmen die Kränze herab und hoben den Sarg vom Wagen herunter. Gemessenen Schrittes trugen sie ihn zum Grab. Der Pfarrer ging mit gesenktem Kopf an die Stirnseite.

Die Träger nahmen links und rechts Aufstellung und ließen den Sarg an Tauen hinabgleiten. Stoßweise stieg der Atem der Männer in kleinen Wölkchen auf. Eleonore schluckte. Vor wenigen Tagen hatten sie noch gemeinsam das Jahr 1848 begrüßt, hatten miteinander gelacht. Nun blieben ihr nur liebevolle Erinnerungen an ihre Mutter. »Ach Kind!«, hatte diese oft zu ihr gesagt.

Sie trugen nicht nur ihre Mutter zu Grabe, Eleonore verlor eine Verbündete. Sie spürte, wie ihr Vater neben ihr bebte.

»Asche zu Asche, Staub zu Staub«, sagte der Pfarrer.

Ihr Vater warf als Erster mit einer kleinen Schaufel Erde ins Grab. Die Klumpen schlugen polternd auf den Sarg. Eleonore tat es ihm gleich und reichte die Schaufel an Maria weiter. Keiner der höhergestellten Männer drängte sich vor. Ihre Mutter hatte keine Standesunterschiede gekannt und das wurde heute stillschweigend akzeptiert. Würde auch sie den Spagat hinbekommen, bei allen Anerkennung finden?

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