Die blauen Augen musterten sie irritiert. Patrick runzelte die Stirn. »Was ist denn mit dir los?«
Hetty wollte gerade etwas Ausweichendes sagen, als die Frau von vorhin fragte. »Ist das ihr Kleiner? Der hat so lieb mit seiner Oma gespielt.«
Das Gesicht von Patrick war sehenswert, als ihm klar wurde, wer hier mit Oma gemeint war.
Doch noch viel interessanter war kurz darauf das der Frau, als er antwortete. »Jawohl das ist mein Junge, nur wissen sie, mit Oma haben sie sich gründlich getäuscht.«
Und ohne noch mehr zu sagen, nahm er Hetty ganz einfach in den Arm und küsste sie vor aller Augen lange und äußerst ausgiebig.
Als er sich von ihr löste, schüttelte Hetty den Kopf. »Bist du vollkommen verrückt geworden?«
Patrick grinste. »Betrachte es als Erste-Hilfe-Maßnahme.«
Während er sich zu seinem Sohn auf den Boden setzte, bemühte er sich, nicht laut zu lachen. Hetty musste Höllenqualen durchgestanden haben. Sie hatte zwar eigentlich nicht das geringste Problem mit ihrem Alter und liebte es mit ihren Jahren zu kokettieren. Aber als Oma bezeichnet zu werden – das hatte anscheinend sogar ihr die Sprache verschlagen. Allerdings hatte sich auch seine Mutter verbeten, dieses Wort zu gebrauchen. Das implizierte eine alte runzelige Frau mit weißen Lockenhaaren und auch Loanna glich in nichts dem herkömmlichen Bild.
Hetty hatte sich inzwischen wieder gefangen. Ein kurzer Rundumblick hatte sie davon überzeugt, dass glücklicherweise niemand in der Nähe gewesen war, der sie beide kannte. Patrick hatte wohl überhaupt nicht daran gedacht, was passieren würde, wenn jemand aus ihrem Bekanntenkreis das mitgekriegt hätte. Die Frau, welche sie als Oma bezeichnet hatte, wirkte eindeutig ziemlich verlegen und verzog den Mund zu einem entschuldigendem Lächeln, als Hetty sie ansah.
Nachdem sie ihr beruhigend zugenickt hatte, fragte Hetty Patrick. »Ich hole mir ein Eis, soll ich dir auch eines mitbringen?«
Als er bejahte, machte sie sich auf dem Weg zum Kiosk der ganz in der Nähe lag.
Patrick schmunzelte vor sich hin, während er mit Simon spielte. Ihm war sehr wohl bewusst gewesen, dass ihn jemand hätte sehen können. Doch das war ihm so etwas von egal. Die Gelegenheit war viel zu günstig gewesen, um sie nicht zu nutzen. Und es hatte ihm wieder einmal bewiesen, dass Hettys Gefühle für ihn immer noch da waren. Denn sie hatte seinen Kuss erwidert und das nicht gerade in einer schwesterlichen Art. Sie liebte ihn nach wie vor. Und das konnte sogar Kai nicht verhindern.
Seine gute Laune hielt auch beim Abendessen noch an. Als Fritz merkte, dass er hin und wieder den Mund zu einem Schmunzeln verzog, fragte er. »Ist es ein Geheimnis oder dürfen wir auch mit lachen? Irgend etwas macht dir doch furchtbar Spaß.«
Patrick zögerte und warf Hetty einen fragenden Blick zu. Die zuckte mit den Schultern und meinte. »Du kannst es ruhig erzählen.«
Wobei sie natürlich voraussetzte, dass er das Ende etwas umgestalten würde.
Also berichtete er. »Hetty ist heute das Opfer einer Verwechslung geworden. Eine Frau an der Lagune war der Meinung, Simon sei ihr Enkelsohn!«
Der ganze Tisch lachte und sogar Kai grinste. Auweia – das hatte sicher gesessen. Er warf Hetty einen kurzen Blick zu, aber die sah nicht so aus, als ob sie das noch belasten würde und lachte genauso laut, wie die anderen.
Patrick meinte. »Als ich hinzugekommen bin, war Hetty gerade am Grübeln, ob sie sich Prospekte fürs Altenheim besorgen und einen Antrag für einen Elektrorollstuhl stellen soll.«
Als das erneute Gelächter verstummte, fuhr er fort. »Als diese Frau mich dann auf das, ach so liebe Verhältnis zwischen meinem Sohn und seiner Oma angesprochen hat, habe ich sie natürlich darüber aufgeklärt, dass sie sich schwer im Irrtum befindet.«
Er schmunzelte. »Meine Erklärung hat sie dann auch kommentarlos akzeptiert und Hetty ziemlich bedröselt angesehen.«
Damit war er am Ende seiner Erzählung angelangt. Kai sah ihn nachdenklich an. Das war zwar alles lustig, aber an und für sich noch kein Grund, so gut drauf zu sein, wie der Junge momentan.
Er überlegte, was er wohl im Falle eines Falles gemacht hätte und warf Hetty einen prüfenden Blick zu. Die hatte wieder diesen neutralen Augenausdruck und seltsamerweise zu der Geschichte überhaupt keinen eigenen Kommentar beigesteuert. Also war da wohl noch etwas mehr passiert.
So wie er Patrick inzwischen kannte, hatte der wohl die Gelegenheit genutzt, zu demonstrieren, dass er den Altersunterschied zwischen ihm und Hetty für belanglos hielt. Kai seufzte innerlich. Es wurde Zeit, dass sein Patensohn sprechen lernte. Dann hatte er endlich einen Spion dabei, wenn die drei alleine unterwegs waren. Und er hätte zu gerne gewusst, ob seine Vermutung, dass Patrick Hetty in aller Öffentlichkeit geküsst hatte, richtig war.
Er warf ihm einen Blick zu, der ohne jegliches Anzeichen von schlechtem Gewissen erwidert wurde, was ihn in seiner Meinung erst recht bestärkte. Was ihn allerdings völlig irritierte, war die gute Laune von dem Jungen.
Als er am Morgen aufwachte, hatte er bereits einige Schlussfolgerungen gezogen, von denen ihm allerdings keine einzige gefiel. Es war wohl das Beste, nochmal die Zeit für sich arbeiten zu lassen und dafür zu sorgen, dass zwischen Hetty und Patrick ausreichend Distanz vorhanden war, damit auch die letzten Nachwehen ohne weiteren Zwischenfall vorübergingen.
Kapitel 3
Eine Woche später präsentierte er Hetty seinen neuesten Plan. »Was hältst du davon, wenn wir mal ein Reise nach Europa unternehmen?«
Als sie ihn daraufhin völlig verdutzt ansah, fügte Kai hinzu. »Ich möchte eigentlich schon lange mal deine Heimat kennenlernen und wenn wir schon unterwegs sind, könnten wir auch gleich den Rest abklappern.«
Hetty brauchte nur Sekunden, um sich mit dem Vorschlag anzufreunden. »Wie lange werden wir denn wegbleiben?«
Kai zuckte mit den Schultern und meinte. »Nat ist inzwischen gut eingearbeitet, auf George kann ich mich auch verlassen und jetzt im Sommer stehen nicht viele Veranstaltungen an. Deshalb hat ein Teil meiner Leute sowieso Urlaub. Also denke ich, vier oder fünf Monate können wir uns schon leisten.«
Im heutigen Zeitalter der Globalisierung und des World-Wide-Web konnte er problemlos über Handy und Internet auch von Europa aus Kontakt mit seiner Sicherheitsfirma halten und George Anweisungen erteilen.
Nur Spezialaufträge, für die seine Anwesenheit erforderlich war, würde sein Büro in dieser Zeit nicht annehmen können, und darüber war Hetty einerseits sogar ganz froh. Denn auf diesen Geheimmissionen, über die ansonsten niemand etwas erfuhr, gab es immer wieder äußerst gefährliche Begebenheiten und da sie eben nichts darüber wusste, machte sie sich immer Sorgen, wenn er wieder in solchen Angelegenheiten unterwegs war.
Also stimmte sie seinem Vorschlag freudig zu und machte sich ein paar Tage darauf ans Kofferpacken.
Kais rechter Mundwinkel hob sich, als er das einzige Gepäckstück sah, welches sie auf die Reise mitnehmen wollte. »Wahrscheinlich werden sie uns upgraden, weil du dem Flieger so viel Gewicht sparst.«
Hetty sah ihn schmunzelnd an. »Du meinst also, du darfst die Mühle dann selber fliegen, denn der Einzige der noch weiter vorne sitzen wird, als wir, ist der Pilot.«
Das war eben das Angenehme daran, wenn man einen Lebensgefährten hatte, der soviel Geld hatte, dass er nicht eine Zehntelsekunde überlegen musste, ob er sich die First-class leisten konnte. Ganz abgesehen davon, dass auch ihr Kontostand solche Ausgaben inzwischen locker zuließ.
Kai lächelte und meinte. »Ich habe schon gefragt, aber sie haben gesagt, mein Helikopterschein würde für die 747 nicht ausreichen.«
Читать дальше