Schorsch lächelte Hetty an und nützte die gute Gelegenheit, ihre Hand zu tätscheln. »Ehrlich gesagt, jammere ich nur, damit sie Mitleid mit mir haben.«
Er deutete mit dem Daumen hinter seinen Rücken. »Der wechselt die Damen schneller, als ich meine Krawatten und zur Zeit habe ich ganz schön zu tun, den Verflossenen meine Schulter zum Ausweinen anzubieten.«
Der Österreicher schmunzelte. »Ob sie es glauben, oder nicht, eigentlich erspart mir der Mann einen Haufen Arbeit. Ich brauche nur hinterher zu gehen und die geknickten Blümchen zu pflücken.«
Hettys Blick streifte kurz den Tisch, an dem die beiden saßen. Dieser Australier sah wirklich äußerst gut aus. Seine knappen 1,90 Meter Körpergröße mit schmalen Hüften und breiten Schultern steckten in einem maßgefertigten schwarzen Anzug, aus dem ein blendend weißes Hemd hervor blitzte. Die pechschwarzen, halblangen Haare umrahmten ein feingeschnittenes Gesicht, das von strahlend blauen Augen dominiert wurde. Den einzigen Makel, den man an diesem Menschen finden konnte, war eine feine, fast nicht sichtbare Narbe über der linken Wange. Allerdings verlieh ihm die auch noch einen Hauch von Verwegenheit und war daher eigentlich sogar noch als zusätzlicher Pluspunkt zu sehen.
Dazu hatte dieser Mann ein souveränes und dominantes Auftreten, das ihn sofort für alle Konkurrenten als Alphamännchen kennzeichnete und wenn er den Raum betrat, dann wusste man, dass jetzt der Chef gekommen war.
Hetty unterdrückte ein Aufseufzen. Dieser Mistkerl hatte nur einen Fehler und das war, dass er keinerlei Rücksicht auf seine Freundin nahm, wenn er einen Fall aufklären musste. Davon konnte sie inzwischen nicht nur ein Lied singen. Denn ihr heißgeliebter Kai hatte sie fachmännisch hereingelegt, als sie unbedingt bei seinem neuesten Auftrag mitmischen wollte. Auf ein Winken von Schorsch schenkte sie für sie beide eine zweite Runde ein.
Während sie an ihrem Gin Fizz nippte, dachte sie an die letzten Wochen zurück.
Kapitel 2
Ihr Leben mit Kai hatte sich, nach den Vorfällen mit Patrick und Troy, wieder auf dem üblichen Level eingependelt. Das Thema war vom Tisch und Hetty hatte, wie schon so oft, festgestellt, dass eine der besten Eigenschaften von Kai die war, dass er nicht nachtragend war und sie alle Ewigkeiten an vergangene Sünden erinnerte. Wobei ihr Freund jederzeit das Gleiche von ihr hätte behaupten können, schließlich ritt auch sie nicht darauf herum, dass er es mit der Treue nicht sonderlich genau nahm, sobald sie längere Zeit abwesend war.
Doch offensichtlich hatte er kein Problem damit, wenn sie es ihm mit gleicher Münze heimzahlte, solange sie „Troy“ blieb. Somit waren nun endgültig die Regeln für eine, allgemeinhin meist als offene Beziehung titulierte, Lebensgemeinschaft abgesteckt. Das ließ ihnen beiden die Freiheit, sich in gewissen Dingen nicht einschränken zu müssen, nur weil es auch andere so machten.
Inzwischen war sie noch einmal bei Melanie und Tim auf der Insel zu Besuch gewesen. Auch dieses Mal hatte sich ihre Rückfahrt um einige Tage verzögert, da ein gewisser Blondschopf mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht, an ihrem Auto gewartet hatte, als sie es in der Tiefgarage abholen wollte. Zugegebenermaßen war ihr Widerstand nicht sonderlich groß gewesen, allerdings war der Junge, wie immer, bereits in dem Moment Vergangenheit, als sie ihr Auto startete, um nach Brisbane zu fahren.
Dort wurde ihr Alltag wieder von Kais Firma bestimmt. Hin und wieder gab es kleine Einsätze, bei denen auch sie helfen durfte, doch die richtige Spannung kam bei Observierungen für Hetty nicht auf. Da Stillsitzen, ohne jegliche Aktion, für sie der reinste Nerventerror war, suchte sie sich schließlich eine Tätigkeit, die mehr ihren Wünschen und Fähigkeiten entsprach.
Kai nickte zustimmend, als sie ihn fragte, ob sie nicht einen Teil der Büroarbeit übernehmen könnte. Mit einer einladenden Handbewegung zeigte er auf seine Computer und meinte. »Ich hätte nichts dagegen, wenn du mir die Buchhaltung abnimmst und um den Schreibkram reiße ich mich auch nicht.«
Dann fügte er hinzu. »Und wenn du denkst, Patrick könnte etwas an unseren Programmen verbessern, lasst euch nicht aufhalten.«
Ein paar Wochen später waren alle Computer auf dem neuesten Technikstand und Patrick fragte am Abend in der Bibliothek. »Du hast nicht zufälligerweise ein paar Überwachungsdrohnen? So etwas hätte ich schon immer gerne programmiert.«
Kai schmunzelte und meinte. »Falls ich irgendwann welche kaufe, nehme ich dich auf alle Fälle mit. Vielleicht schenke ich dir auch nächstes Jahr eine zu Weihnachten, die würde sich bestimmt gut unter dem Christbaum machen.«
Während sich die anderen Hausbewohner über diesen Kommentar amüsierten, wechselten die beiden Männer einen kurzen Blick. Patrick verstand auch ohne Worte, was Kai übermitteln wollte. Er hatte keine Drohne nötig, er passte selbst auf und auf wen er aufpassen musste, wusste er ganz genau.
Damit Hetty für die wenigen Einsätze, die sie auch interessierten, fit blieb, trainierte sie, nach wie vor, mindestens dreimal in der Woche in der Halle. Und an manchen Tagen, wenn keine Arbeit anstand und Kai wieder einmal sonst wo unterwegs war, blieb sie auch zuhause. Schließlich war die Farm ein netter Ort zum Faulenzen und Dolly und Chrissie sorgten als willige Gesprächspartner für die Unterhaltung.
Auch Fritz nahm sich inzwischen öfter mal frei, um mit seinem Enkelsohn spielen zu können und am Abend gesellten sich dann auch Patrick und Kai zu der Runde. Wobei Patrick eigentlich immer derjenige war, der als letzter ankam, denn die Leitung der Mine wurde von seinem Schwiegervater immer mehr an ihn übertragen und verantwortungsbewusst wie er war, kannte er keinen Feierabend, bevor nicht alles erledigt war.
Kai wusste sehr wohl, dass es auch noch andere Gründe gab, warum er sich lieber in der Mine als zuhause aufhielt, aber damit musste Patrick selbst fertig werden. Allerdings kam er immer früh genug zurück, um auf alle Fälle noch eine Runde mit Simon spielen zu können, bevor er ihn zu Bett brachte. Mittlerweile schlief der Kleine nachts durch, was von allen Bewohnern mit einem erleichterten Aufseufzen begrüßt wurde.
Damit es ihnen trotzdem nicht langweilig mit ihm wurde, hatte er reichlich früh seine Krabbelphase eingestellt und konnte inzwischen Laufen. Wenn auch manchmal noch reichlich wackelig, aber er war unterwegs, um die Welt zu erobern. Also räumten die Erwachsenen im Haus alle erreichbaren Dinge, die nicht für Babyhände bestimmt waren, in eine höhere Position und beobachteten mit besorgter Miene, wie lange er noch brauchen würde, um festzustellen, dass Klettern auch eine Fortbewegungsart war. Die restliche Zeit verbrachten sie damit, ihn daran zu hindern, die Blumentöpfe auszuleeren, ohne Begleitung die Treppen auf- und abzusteigen, in den Schwimmingpool zu fallen und ihm im Prinzip alles zu verbieten, was er interessant gefunden hätte.
Und leider Gottes hatte er befunden, dass neben seinem Taufpaten Kai, an dem er, sobald er da und in erreichbarer Nähe war, sowieso klebte, wie ein Kaugummi an der Schuhsohle, auch Hetty genau die Richtige war, um sich mit ihm abzugeben. Warum der Kleine so ein Fan von ihr war, blieb ihr nach wie vor ein Rätsel, aber sie hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass Simon es offenbar auch noch toll fand, wenn er von ihr wenig liebevoll aufgefordert wurde, die Fliege zu machen und sie in Ruhe zu lassen. Für ihn war das ein Spiel und das konnte er ohne Ende spielen.
Er stapfte auf sie zu und forderte. »ötze auen!« Damit meinte er, sie sollte seine geliebten Holzbausteine aufeinander stellen, damit er sie umschmeißen konnte.
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