Friedrich Proper mein Name, stellt sich der Dicke vor. ’Meister Proper’ Köhler kann es nicht fassen. Fehlt nur die vollkommene polierte Glatze. Aber die Glatze Propers hat Flecken, Flecken auch an den Händen. Überall. Bei dem Gedanken an Flecken und Meister Proper muss Köhler grinsen. Proper grinst auch.
„Sehen sie, jetzt freuen sie sich doch. Gott sei Dank sind sie gekommen Herr Köhler – oder – darf ich Jürgen sagen. Ich bin eigentlich lieber der Fritz. Hihi, ich mag meinen Nachnamen nicht so gern. Das passt irgendwie nicht so gut zusammen.“
‚Er merkt`s sogar selber der Dickwanst’ Jürgen muss weiter unwillkürlich grinsen. Fast hätte er laut losgelacht.
„Naja, was sich Eltern halt so ausdenken. Aber Fritz und Jürgen, das passt. Du wirst sehen, wir werden ein wunderbares Team und unsere Zusammenarbeit wird grandios.“
‚Oje, jetzt duzt er mich doch tatsächlich auch noch.’
Köhler schüttelt unwillkürlich den Kopf. Dann merkt er erst, was der Dicke gemeint hat.
„Moment: Zusammenarbeit? Sie haben mir etwas von ungewöhnlichen Erkenntnissen erzählt. Auf wissenschaftlicher Basis. Von Zusammenarbeit war nicht die Rede!“
Jürgen ignoriert die ihm angebotene Vertraulichkeit.
Der Kaffee und sein Sandwich werden serviert. Nichtsdestotrotz will Köhler so schnell wie möglich wieder gehen. Der Dicke hat sich nichts weiter bestellt, sondern hat nur sein kleines Wasser vor sich. Er beugt sich nach vorne und setzt einen ernsten Blick auf, was in dem feisten Gesicht irgendwie lustig wirkt.
Köhler muss schon wieder grinsen.
„Jürgen, lass dich nicht von meinem Äußeren täuschen – ich kann mir vorstellen was du dir denkst.“
Köhler ist nun etwas unwohl in seiner Situation. ‚Der beobachtet sehr genau dieser Proper.’
„Jürgen, du willst wissen warum ich dich angerufen habe und dich belästige? Ich hab dich aus deinem schönen Büro gelockt. Und wer sitzt da? Ein dicker hässlicher Kerl der aussieht als könnte er nicht bis drei zählen? Und mit dem sollst du dich unterhalten?“
Köhler beißt in sein Sandwich und nickt, er will nur schnell wieder weg. Das war keine gute Idee sich mit dem Mann hier zu treffen.
„Jürgen, hör gut zu: Du musst dich jetzt mit der Vorstellung vertraut machen, dass mein Geist sehr viel älter ist als du und deine Mitmenschen. Dadurch habe ich auch sehr viel mehr an Menschenkenntnis angesammelt. Ich kann auf Erfahrungen und Erlebnisse zurückgreifen, die du dir in deinen kühnsten Träumen überhaupt nicht vorstellen kannst…“
Bei diesen Worten hält ihm dieser Unsympath, Daumen und Zeigefinger vor die Nase.
‚So ein blöder Schwätzer’ Jürgen kann es nicht fassen.
Er würgt an seiner belegten Riesensemmel.
„…deshalb, lieber Jürgen, deshalb solltest du nun gut zuhören.“
Köhler spuckt einen Teil des Brotes in seinen Kaffee, als ihm Fritz nun leise zuflüstert, er sei mit Sicherheit mehr als Hunderttausend Jahre alt.
Köhler starrt ihn total entgeistert an.
„Fritz, tut mir leid aber du bist ein Depp! Ein, ein, ach du Vollidiot!“
Jürgen ist mit einem mal unglaublich wütend. Er wirft das angebissene Sandwich auf den Teller, steht auf und macht Anstalten zu gehen.
Doch Fritz hält blitzschnell und mit unerwartet kräftigem Griff seinen Arm fest. Er redet sehr schnell und mit scharfer, richtig bösartig klingender Stimme.
„Jürgen du musst mir helfen. Ich kann es dir beweisen. Du kennst die richtigen Leute. Sie werden mir glauben. Und du wirst mir auch glauben. Ich werde sie überzeugen. Ich werde dich überzeugen. Das garantiere ich dir. Mein absolutes Ehrenwort. Und wenn du jetzt wieder gehst und die Experten anrufst und Termine vereinbarst, dann erwähne nicht meinen Namen und keine Details. Sie tun absolut nichts zur Sache. Außerdem werden sie dich sonst nur auslachen.“
Köhler langt`s jetzt:
„Lassen Sie sofort meinen Arm los Herr Friedrich Proper. Sonst rufe ich noch die Polizei...“
Fritz wird wieder ganz freundlich und lächelt so unverfänglich wie es nur geht.
„Aber, aber, Jürgen. So brauchst du nicht reagieren. Denk doch erst mal drüber nach. Glaubst du vielleicht, ich weiß nicht wie blöd sich das anhört? Glaub mir doch, ich kann es beweisen. Du wirst wahre Bauklötze staunen.“
Fritz hat den Griff ein wenig gelockert. Er ist auch aufgestanden. Sehr leise, fast geflüstert hat er die letzten Sätze. Sein Blick ist wieder sehr ernst. Jürgen kann in den hellgrauen klaren Augen, die so gar nicht in das Mondgesicht passen, nichts erkennen. Plötzlich ist ihm richtig unbehaglich. Was ist das für ein Verrückter? Er redet Hochdeutsch mit bayerischem Einschlag, aber irgendein anderer Dialekt steckt noch hinter seiner Sprache. Jürgen ist fest davon überzeugt dass der Dicke kein gebürtiger Bayer ist.
Aber er muss zugeben, der unbekannte Fettsack hat etwas überzeugendes, geheimnisvolles Wesen hinter diesem biederen Äußeren. Was also tun?
Jürgen seufzt. Resigniert schüttelt er Friedrichs grobe Hand weg. Er reibt sich den Arm von dessen groben Griff und setzt sich wieder.
„Also Herr Proper, gut, was stellen sie sich denn vor? Einen Kongress vielleicht?“
Auch Fritz lässt sich wieder auf den filigranen Bistrostuhl plumpsen. Der Stuhl knarrt dabei bedrohlich.
„Wir waren schon beim Du, Jürgen. Ganz einfach. Du suchst ein paar Experten aus. Sagen wir für alte Sprachen, wie Latein. Ein paar Spezialisten, Anthropologen, Historiker solche Leute eben. Nicht zu viele. Sechs bis acht Leute reichen fürs Erste völlig. Wenn es zu viele sind, wird nur blöd rumgequatscht. Ich bin kein Freund von endlosem sinnlosem Rumgequatsche. Kurz und sachlich ist meine Devise. Dann setzen wir uns in aller Ruhe gemütlich zusammen und reden über alles. Du kannst absolut nichts verlieren, glaub mir. Ich helfe dir, sollte uns einer von denen blöd kommen. Vertrau mir. Ich bin kein Anfänger.“
„Und was willst du von denen? Sollen die dir ein Zeugnis ausstellen? Du machst dich und mich einfach nur lächerlich.“
Jürgen hat das vertrauliche ‚Du’ jetzt scheinbar akzeptiert.
„Ich sagte schon, zuerst stelle ich mich einer kleinen exklusiven Runde. Du wirst sehen, wenn sie die Beweise für meine lange Existenz überprüft haben, werden sie restlos überzeugt sein. Es gibt viel zu entdecken in dieser Welt. Viele kleine und große Geheimnisse. Ich bin in der glücklichen Lage, von einigen Rätseln den Schleier zu lüften. Und ich…ich habe eine sehr wichtige Botschaft. Du wirst sehen.“
„Eine Botschaft?“
Jürgen verzieht das Gesicht.
Mit dem Begriff ‚Botschaft’ verknüpft er verkommenes Sendungsbewusstsein. Leute die eine Botschaft verbreiten wollen, haben für ihn alle eine Macke.
„Lass dich überraschen. Zuerst die Fachleute. o.k.?“
Doch Köhler lässt nicht locker.
„Was meinst du mit ‚Botschaft’. Woher soll deine Botschaft kommen? Hast du dir da was ausgedacht? Das möchte ich schon genauer wissen.“
Fritz holt tief Luft.
„Ich habe mir nichts ausgedacht. Eine Botschaft die seit Menschengedenken weiter getragen wird. Diese Botschaft, diese Mitteilung habe ich mir nicht ausgedacht. Ich bin nur der Überbringer. Nur, ohne bestätigte Glaubwürdigkeit, ist jede noch so wichtige Botschaft wertlos. Verstehst du? Ich erkläre es dir wenn ihr euch über meine Echtheit überzeugt habt. Einverstanden?“
Köhler der erfahrene Chefredakteur sitzt mit hängenden Schultern da und ist nur noch ratlos. Fritz ist nicht zu greifen, er ist glitschig wie ein Aal. Er merkt, dass seine eigene Abgebrühtheit wie weggeblasen ist. Wie kann sich jemand einer Gruppe von hochgebildeten Leuten stellen und denen einen dermaßenden Bären aufbinden? Ein Masochist? Oder einfach nur ein Verrückter. Er beschließt noch einen Versuch um Fritz etwas zu entlocken.
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