Die Kommandos erfolgen seltener.
Bis auf zehn Meter Tiefe ist U.10 hochgegangen.
Mader will den Platz nicht verlassen. Ein großer Plan ist in seinem Kopfe gereift.
Er kennt jetzt den Weg und will ihn nochmals befahren.
Der alte Neptun wird helfen, und nun ist der Weg leichter zu finden.
Wieder taucht U.10 auf achtzehn Meter hinab.
Die Leute können es nicht glauben, daß ihr Kommandant nochmals in die Höhle zurück will.
»Wat sall dat?« fragt sich Möller.
Gewohnt, zu gehorchen, und im Vertrauen zu dem geliebten Führer, werden die Befehle ausgeführt.
Ganz langsam geht die Fahrt.
Zwölf Meter Tiefe.
Langsam tastend.
Die Einfahrt ist gefunden.
Die Positionslichter werden eingeschaltet.
Der große Scheinwerfer läßt seine Strahlenbündel durch die dunkle Flut gleiten.
Viel kürzer ist der Weg jetzt.
Periskop und die obere Positionslampe davor gehen hoch.
Beide brechen wie Streichhölzer plötzlich ab.
Die Ventile werden geschlossen.
Die Tauchtanks entleeren sich.
Das Boot steigt. Steht.
»Schröder!«
»Befehl – Herr Kapitänleutnant?«
»Schröder! Sie und Reimer bereiten Aluminium- und Weißphosphorfarbe. Dort, wo wir den Wasserspiegel wieder erreichen, über dem Ausgange des Unterseehohlkanals Zeichen machen! Groß! Mit Pfeil! Mehr Phosphor als Aluminium! Verstanden?!«
»Befehl, Herr Kapitänleutnant!«
Die Einsteigluken fallen zurück.
Die Positionslaternen bezeichnen den Platz, wo das Boot aus der Tiefe kam.
Schröder und Reimer ziehen das Faltboot hoch.
Der kleine Scheinwerfer spielt an der Rückwand des Felsens.
Mader behält einen senkrechten Spalt, der sich wie ein Hochgebirgskamm hinzieht, im Auge. Darunter ist der Tunnel.
Maxstadt wird in Taucherkleidung kommandiert. Schröder zurückbeordert.
Willy Reimer fährt mit einem anderen Matrosen auf den Spalt zu, auf dem der Scheinwerfer spielt.
Breite, weißleuchtende Pinselstriche ziehen sich an der feuchten Felswand herab.
Das große Beiboot ist flott. Schröder und Maxstadt in Taucherausrüstung, besteigen es mit der Taucherbegleitmannschaft. Das U-Boot dreht langsam bei. Die Luftpumpe beginnt zu arbeiten, der Sauger wird neben der Steuerungsanlage auf der Kommandobrücke klargelegt.
Reimer hat sein Malwerk vollendet. Die Farbe trocknet nur langsam auf der feuchten Wand. Der Strahl des Scheinwerfers wärmt die Stellen.
Das Beiboot hält an dem Spalt im Felsen. Das Wasser ist ruhig, und man zwängt den Bug des Bootes in den Spalt.
Die Luftpumpe für die Taucher arbeitet mit voller Kraft.
Schröder geht als erster in die Tiefe.
Alle Mann sind auf Deck und gespannt wartet man auf Schröders Signal zum Hochziehen.
Mader befiehlt, eine große leere Eisentonne auszupumpen und zu verlöten.
Schröder hat Signal gegeben und kommt hoch.
Nachdem ihm der Helm abgenommen, berichtet er:
»Zuerst fällt die Wand steil ab, dann folgen Einbuchtungen, und in vier Meter Tiefe kommt ein breites Plateau, ganz mit besonderer Muschelart bekrustet.« Schröder zeigt eine Muschel, die er losgebrochen.
»Unter dem Plateau beginnt der Tunnel. Messungen konnte ich nicht machen, da ein längeres Verweilen unten unmöglich war.«
Die Muschel hatte eine besondere Form. Sie sah wie eine ovale Frucht aus, war faustgroß und besaß in ihrem Innern zwei Kammern, jede von einem anders geformten Muscheltier bewohnt. Während in der kleineren Kammer die schleimigdicke Masse gelblich war, hatte die in der größeren eine grellrote Farbe.
Die aus der Eisentonne verfertigte provisorische Boje wurde mittels Ankerketten und Klemmen an der Felsspalte unter der bemalten Fläche fest verankert.
Jetzt kommt Maxstadt, der mittlerweile getaucht hatte, einen riesenhaften Seestern, der in allen Farben schillert und im Dunkeln am ganzen Körper phosphoresziert, in der Hand haltend, nach oben.
Kapitänleutnant Mader hat inzwischen Messungen veranstaltet und den Kompaß überprüft. Alles wird genau zu Papier gebracht.
U.10 taucht und findet diesmal seinen Weg leichter in die Außenwelt.
Im Marineministerium wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt.
Mader stand vor dem Marineminister und Obersten Chef der Flotte.
Der Plan des Kapitänleutnants war gigantisch. Seit dreiviertel Jahren schon zogen sich die Verhandlungen ergebnislos hin.
Endlich hatte Mader es durchgesetzt, selbst gehört zu werden.
Man war über das persönlich Berichtete höchst erstaunt. Bis jetzt hatte es eine Kamarilla zu verhindern gewußt, daß der Kapitänleutnant persönlich seine Pläne darlegte.
Ein Konteradmiral mit einem großen technischen Stab begleitete U.10 und U.79 zum Golf von Genua.
Nachts auf hoher See, bei stürmischem Wetter, nahm Kapitänleutnant Mader den hohen Vorgesetzten nebst den Technikern an Bord von U.10.
Am folgenden Morgen erreichte U.10 den Golf von Genua und schlüpfte wie immer unter der Minenkette durch, schwamm den Wassertunnel entlang und hob sich im großen Dom an die Oberfläche.
Der Konteradmiral kam aus dem Staunen nicht heraus.
Mader hatte im verflossenen Halbjahr eine Lichtleitung in dem großen Dom und den anschließenden Räumen legen lassen.
Die Kabel wurden an die Dynamos im U.10 angeschlossen.
Neun große Höhlen lagen in einer halbkreisförmigen Strecke von zwölf Kilometern Länge.
Auf dem Plateau hatte Mader eine kleine Reparaturwerkstätte eingerichtet.
Die Höhlen waren Wunder, wie nur die Natur sie zu schaffen vermag.
Alle hatten Namen oder Zahlen erhalten.
In Nummer 4 fiel ein großer Wasserfall zwanzig Meter in die Tiefe.
Durch die Höhlen 5, 6 und 7 ging ein reißender Bach von 7 bis 10 Meter Breite. Das Wasser war an manchen Stellen tief. Trinkbares, eisiges, keimfreies Quellwasser.
In Höhle 8 gab es drei heiße Springquellen, die in Zeitabständen von genau sechs Minuten dicke, heiße Wasserstrahlen bis zu neun Metern hochschleuderten.
Sechs U-Boote folgten Mader, zwei Monate nach der Besichtigung durch den Konteradmiral, nach dem Mittelmeer.
Mit jedem U-Boot fuhr Mader in die Höhle, die Kommandanten genau in der Fahrtrinne unterweisend.
Jedes der U-Boote barg große Mengen von Maschinenteilen und Baumaterialien und war mit einer Anzahl von Arbeitern bemannt.
Ungeheure Vorräte an Lebensmitteln wurden mitgeführt.
Die Arbeiter entluden im Verein mit der Mannschaft die Boote. Alle Boote kehrten den Weg ins Freie zurück, und als letztes fuhr Kapitänleutnant Mader sein U.10 in die Höhle, nachdem er das sechste Boot sicher ins Freie gelotst hatte.
U.10 brachte einzelne Möbelstücke und sogar drei Lebewesen. Maders Foxterrierhündin »Nelly«, Möllers Kanarienvogel und – eine Milchziege.
Noch vor seiner letzten Ausreise hatte Mader Hertha von Zöbing, seine Verlobte, aufgesucht und ihr erklärt, daß er vor Kriegsende nicht mehr auf Urlaub käme. Hoffentlich werde das Völkerringen bald ein Ende nehmen.
Hertha saß ihm gegenüber und sprach nichts. Ihre Augen blickten weit geöffnet mit fragendem Ausdruck auf ihren Verlobten. Sie wollte keine neue Auseinandersetzung. Fast ein Jahr hatte sie ihn nicht mehr gesehen und in Furcht gelebt, wenn die Nachrichten länger als gewöhnlich ausblieben.
Sie konnte und wollte nicht begreifen, daß Millionen von Menschen aufeinandergehetzt wurden, sich mit den schrecklichsten Mordinstrumenten töteten oder zu Krüppeln machten.
Sie hatte weder jetzt Umgang mit den sogenannten Volksbeglückern, die seit Jahren von einer Weltverbrüderung schrieben, noch hatte sie je mit diesen Leuten zu tun gehabt.
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