Diese Ehe war von Beginn an ein Fehler gewesen und wenn es Chrissie lieber war, wie Bruder und Schwester mit ihm zu leben – eigentlich war es ihm egal. So wie es aussah, war Chrissie anscheinend mit diesem Arrangement sehr glücklich und sie lebten inzwischen in einer Art freundschaftlicher Beziehung, in der jeder Partner so ziemlich seine eigenen Wege ging. Nach außen hin wahrten sie den Schein, und keiner der sie kannte, kam auf die Idee, dass er hier nur die Farce eines Ehelebens vor sich sah.
Wobei Chrissie an und für sich auch gerne in Gesellschaft ihres Mannes unterwegs war, denn sie wusste sehr wohl, dass viele Frauen sie um diesen attraktiven und mit vielen charakterlichen Vorzügen ausgestatteten Mann beneideten. Nur körperliche Nähe war nicht erwünscht und diese vermied sie, wo sie nur konnte. Was Patrick mittlerweile nicht mehr belastete, denn er hatte sich in der Hinsicht inzwischen entsprechend eingerichtet. Es gab genügend Frauen, die nur zu gerne bereit waren, ihm das zu geben, was ihm seine eigene vorenthielt und die auch kein Problem damit hatten, nur als Bettgenossinnen zu dienen.
Er hatte sich Kais Methode als Vorbild genommen und bevorzugte verheiratete Frauen, die waren verschwiegen und wollten nicht mehr, als eine ansprechende Abendunterhaltung. Und sein Herz gehörte sowieso Hetty, von daher war ihm alles einerlei. Doch zugegebenermaßen fühlte er sich trotzdem wieder einmal ein kleines bisschen verletzt, denn die Selbstverständlichkeit, mit der Chrissie annahm, dass er keinerlei Bedürfnisse hätte, störte ihn. Patrick zuckte innerlich mit den Schultern. Seine Frau hatte ihn nie richtig gekannt und auch nie versucht, ihn kennenzulernen.
Susi nahm den Ball begeistert auf und redete auf ihn ein. »Gut, dann bleibst du bei uns und wir können noch weiterfeiern!«
Als eine Stunde später Kais Handy ein leises Fiepen von sich gab, seufzte der auf. »Schätze, mein Einsatz ist gefragt.«
Womit er auch vollkommen recht hatte. Nat klang reichlich fertig und Hashimoto verzog grinsend seinen Mund, als er mitbekam, dass sich dessen Stimme teilweise überschlug. Seltsamerweise war ausgerechnet der körpermäßig Größte von ihrer Vierertruppe immer derjenige gewesen, den man am leichtesten aus der Ruhe bringen konnte.
Kai beendete das Gespräch, stand auf und sah Hetty entschuldigend an. »Ich muss los. Vor morgen Abend brauchst du nicht mit mir zu rechnen.«
Hashimoto nickte ihm zu und reichte ihm den Autoschlüssel. »Nimm meinen Wagen, wir fahren mit dem Taxi heim.«
Er stand ebenfalls auf und folgte Kai. »Ich hole nur noch unsere Sachen aus dem Auto.«
Als sie vor dem Wagen standen, verzog Kai den Mund. »Pass mir ja gut auf Patrick auf!«
Hashimoto grinste seinen Freund an. »Aber sicher doch! Der wird heute den Schlaf des Gerechten schlafen.«
Schmunzelnd fuhr Kai los. Der Japaner hatte einige Mixturen, die hervorragend wirkten. Die hatten ihnen früher schon öfters geholfen, wenn es darum ging, Leute außer Betrieb zu setzen und Hashimoto kannte keine falsche Scham sie einzusetzen, wenn es denn nötig war.
Kapitel 3
Patrick hatte nicht vorgehabt, die Situation auszunutzen. Abgesehen davon, dass man schon ziemlich hartgesotten sein musste, um unter Hashimotos Dach etwas mit der Freundin seines besten Freundes anzufangen. Dafür gab es andere Orte und bessere Zeiten. Ihm hatte der Kuss, den er sich am Ende ihres Tanzes geholt hatte, vollkommen genügt. Denn sie hatte ihn erwidert und ihm damit gezeigt, dass nach wie vor alles unverändert war. Und eines hatte er in den letzten Jahren hervorragend gelernt – abzuwarten, bis er eine gute Chance sah.
Und nach diesem Intermezzo war er sich sicher gewesen, dass Hetty irgendwann in den nächsten Monaten wieder eine Auszeit nehmen würde, um einfach für sich alleine zu sein. So gern sie unter Menschen war, hin und wieder wollte sie auch mal ihre Ruhe haben und nur tun, was ihr gefiel. Da sie immer noch nichts lieber tat, als lange Strecken mit dem Auto zu fahren, stieg sie nicht in den Flieger, wenn sie sich auf Tour begab. Eine Ausnahme machte sie nur, wenn sie Silvie und Paul in Alice Springs besuchte. Der Track mitten durch das Outback war zu gefährlich, um ihn alleine zu fahren und der obere Highway sehr oft überschwemmt. Also nahm sie hier eine Flugreise in Kauf und lieh sich dann vor Ort von Paul einen Jeep, um damit durch die Gegend zu düsen.
Ansonsten schnappte sie sich ihren Geländewagen, brauste die Ostküste nach oben, machte Halt in Airlie Beach bei Tim und Melanie, besuchte dabei meistens anschließend noch seine Eltern in Cairns und kam nach ein paar Wochen gutgelaunt wieder zurück. Und hin und wieder stand auch ein Besuch ihrer Freunde in Sydney auf dem Programm. Und den Ort, an dem sie bei der Rückfahrt von dort einen Zwischenstopp einlegte, kannte er ganz genau. Also würde er, sobald sie wieder mal Richtung Süden fuhr, Byron Bay einen Besuch abstatten und sehen, was sich ergab.
Seine Gedanken liefen in der Zeit zurück. Schon einmal hatten sie dort drei Tage und Nächte miteinander verbracht. Damals war er nur hingekommen, um endlich den genauen Grund zu erfahren, warum sie ihm in der Nacht vor seiner Hochzeit mit Chrissie nicht gesagt hatte, dass sie ihn sehr wohl liebte. Zwar nicht so sehr wie Kai – der damals in ihren Augen sowieso unerreichbar war – aber für ihn hätte es ausgereicht, um auf der Stelle seine Hochzeit abzusagen. Sie hatte gedacht, es wäre nur eine kurze Vernarrtheit von ihm gewesen und nicht gewusst, wie tief seine Liebe zu ihr tatsächlich war. Und deshalb hatte sie ihn angelogen.
Wobei Hetty inzwischen wusste, dass ihr größter Fehler gewesen war, ihm dann am übernächsten Tag zu verraten, dass sie gelogen hatte. Hätte sie ihren Mund gehalten, hätte er einige Zeit gebraucht, um darüber hinwegzukommen, dass er sich so in ihr getäuscht hatte, aber die Sache wäre damit zu Ende gewesen. Zu erfahren, dass auch bei ihr Gefühle vorhanden waren, war nach wie vor ein Stachel in seinem Fleisch. Denn immer wieder fragte er sich, wie es ausgegangen wäre, wenn er statt Chrissie am nächsten Tag, mehr aus Trotz, denn aus Liebe zu heiraten, einfach gesagt hätte, die Hochzeit müsse verschoben werden. Ok, er brauchte eigentlich nicht lange zu überlegen – die Hochzeit hätte dann nie stattgefunden. Patrick seufzte innerlich. Damals war er zu unerfahren gewesen, um Hettys Verhalten zu durchschauen, mittlerweile wusste er, dass seine Chancen gar nicht so klein gewesen waren.
Doch das gehörte der Vergangenheit an und er war in seiner Ehe mit Chrissie gefangen und hatte zu dieser Beziehung zu stehen, ob er wollte oder nicht. Schließlich hatten sie einen gemeinsamen Sohn und damit waren ihm die Hände gebunden. Er sah Hashimoto zu, der an einem Sideboard die Weingläser füllte und schüttelte seine Gedanken ab. Das Hier und Jetzt zählte und heute hatte er mehr bekommen, als er gedacht hatte. Nun noch eine nette Unterhaltung bei Hashimoto im Wohnzimmer und er konnte den Tag als äußerst erfolgreich abhaken.
Doch als ihn Susi leicht mitleidig ansah, als er soeben einen Schluck aus seinem frisch eingeschenktem Weinglas nehmen wollte, wurde ihm blitzartig bewusst, dass Hashimoto ihm anscheinend kein bisschen über den Weg traute. Und Hetty hatte ihm damals nach ihrer Rückkehr von Europa erzählt, dass der Japaner der Spezialist für die Betäubungsmittel in der ehemaligen Vierergruppe beim Militär gewesen war. Es würde sicher von Vorteil sein, wenn er dafür sorgte, dass nicht er aus diesem Glas trinken musste. Also tat er nur so, als ob er einen Schluck nehmen würde und ließ den Inhalt unberührt.
Als Susi kurz in die Küche ging, um noch etwas Naschzeug zu holen, deutete er auf ein Bild an der Wand und fragte. »Ist das ein Foto aus eurer Militärzeit?«
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