Nach einer Stunde waren sie fertig und Fritz fragte. »Gönnen wir uns zur Belohnung gleich eine Runde im Pool? Bis dahin ist dann auch das Frühstück fertig.«
Als ihr Fritz nach dem Schwimmen zuvorkommend den Stuhl zurechtrückte, wurde ihr langsam aber sicher bewusst, dass hier auf der Farm zwar ein legerer, allerdings keineswegs sparsamer Lebensstil gepflegt wurde.
Denn vor ihr stand auf dem reichlich gedeckten Tisch ein Sektkühler und sie wurde gefragt. »Machen wir zur Feier des Tages ein kleines Sektfrühstück?«
Dolly sah ihn an und legte den Kopf schief. »Nur zu, ist gut für den Kreislauf.«
Als der Champagner in ihrem Glas perlte, fügte sie hinzu. »Aber wir sollten endlich mit dieser formellen Anrede aufhören, was meinst du Fritz?«
Der hob lächelnd sein Glas. »Ich richte mich ganz nach dir, Dolly.«
Sie deutete auf den Tisch. »Wo kommen denn die ganzen Sachen plötzlich her? Hast du irgendwo kleine Heinzelmännchen, die das alles machen?«
Fritz schmunzelte. »Nein, aber ein perfekt auf uns eingespieltes Hausmeisterehepaar. Der Stallbursche und Bereiter ist ihr Sohn. Die drei wohnen in einem Haus hier auf dem Gelände, ungefähr einen Kilometer von der Farm entfernt. Dort hinüber führt eine Standleitung und wenn Bedarf ist, wird angerufen. So wie jedes Mal, wenn wir alle das Haus verlassen, das ist dann immer der Auftrag zum gründlichen Reinemachen. Ansonsten kommen sie durch die Hintertür und nehmen sich der Reihe nach die unbelegten Zimmer vor. Wenn du in deines zurückgehst, wirst du sehen, dass die Betten bereits gemacht sind.
Bei größeren Feiern lasse ich die beiden als Butler und Zofe auftreten und wenn es zu viel Arbeit wird, bestellen wir zusätzlich einen Cateringservice, den die zwei dann beaufsichtigen. Der Sohn kümmert sich neben den Pferden, gemeinsam mit seinem Vater auch noch um die Gartenanlage und die Maschinen. Einmal pro Woche haben sie einen Tag frei, ansonsten muss zumindest einer von ihnen immer auf Abruf bereit sein.«
Dolly nickte. Praktisch gelöst und das Sich-unsichtbar-machen beherrschten die zwei älteren Herrschaften absolut perfekt. Jetzt wusste sie auch, wer bei ihrer Ankunft ihre Sachen so sorgfältig in den Kleiderschrank geräumt hatte und eine Vase mit Blumen auf ihren Garderobentisch gestellt hatte. Der Sohn musste natürlich in Erscheinung treten, aber auch der war gut geschult und hatte ihr zuvorkommend, das gesattelte und nachgegurtete Reitpferd neben ein kleines Treppchen geführt, so dass sie ohne jegliche Mühe in den Sattel steigen konnte. Er war freundlich, aber kein Schwätzer, sprich, wenn sie mit ihm reden wollte, dann wurde er munter, ansonsten hielt er sich zurück.
Sie nahm einen Schluck aus ihrem Sektglas und sah sich um. Kein Wunder, dass Hetty und Kai hierher gezogen waren. Ohne zu übertreiben, konnte man dieses Anwesen als kleines Paradies bezeichnen.
Patrick sah seinen Schwiegervater lächelnd an. »Du kannst dir ruhig ein paar Tage freinehmen und dich um unseren Gast kümmern. Hetty und Kai müssen in die Firma und kommen erst am Abend zurück und Chrissie wollte eigentlich zu einer Freundin fahren. Wir können Dolly doch nicht ganz alleine auf der Farm sitzen lassen. Also bleib du zuhause und walte deiner Gastgeberpflichten. Abgesehen davon musst du schließlich jeden Morgen den Stalldienst übernehmen und damit bist du dann voll und ganz ausgelastet. Die Firma läuft auch mal eine Woche ohne dich.«
Es hätte ihn schwer gewundert, wenn von seinem Schwiegervater eine Widerrede gekommen wäre. Und so erhielt er auch nur ein etwas verlegen gemurmeltes »Man kann sie wirklich nicht einfach alleine lassen«, von Fritz mit dem Nachsatz »und zu zweit macht Ausreiten auch viel mehr Spaß.«
Patrick schmunzelte in sich hinein. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Dolly noch länger auf der Farm bleiben würde. Und das war gut so. Denn Fritz war schon viel zu lange alleine und diese Frau war genau das, was sich jeder Mann in seinem Alter ganz oben auf die Wunschliste schreiben sollte. Er kannte Dollys Eigenarten bereits aus Hettys Erzählungen und nun stellte er fest, dass sie damit nicht übertrieben hatte. Die Frau war attraktiv, patent und ein unwahrscheinlich liebenswerter Mensch. Und sie war geschieden. Also wenn Fritz nicht völlig daneben war, sollte er zugreifen, falls er die Chance bekam. Patrick hätte nicht die geringsten Einwände gehabt, Dolly als Schwiegermutter zu bekommen.
Kapitel 5
Fritz stürzte sich mit Wonne in seine Gastgeberpflichten, wobei das Wort Pflicht in keinster Weise der Freude entsprach, die ihm Dollys Anwesenheit bereitete. Endlich eine Person in seiner Altersgruppe, mit der er reden konnte. So gut er sich mit der jüngeren Generation verstand, aber zwanzig und mehr Jahre Altersunterschied machten eben auch eine andere Sichtweise aus. Und nun hatte er zum ersten Mal seit langer Zeit jemanden, mit dem er über Dinge reden konnte, ohne vorher lang und breit erklären zu müssen, wann diese Vorfälle stattgefunden hatten. Zugegebenermaßen war ihm keine Minute langweilig und wenn am Abend die anderen hinzukamen, hatte er eher das Gefühl, dass sie im Weg waren. Denn er und Dolly hatten sich noch soviel mehr zu erzählen, da reichte die Zeit unter Tags einfach nicht aus.
Die Woche auf der Farm war vergangen, wie im Flug und Dolly musste sich eingestehen, dass sie nur ungern an die Heimreise dachte. Sie seufzte leise auf. Ihre Tochter war seit kurzem verheiratet und das frisch verliebte Ehepaar lebte natürlich bei ihr im Chateau. Doch obwohl ihr Schwiegersohn sehr zuvorkommend war und ein wirklich netter Mensch, überkam Dolly doch immer öfter das Gefühl, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Abgesehen davon, dass sie sich in ihrem eigenem Haus nicht mehr frei bewegen konnte, da die beiden in jeder Ecke herum turtelten und sie andauernd über zwei sich küssende Menschen stolperte. Das war wohl auch der Grund gewesen, warum sie sich im Datum für das Seminar geirrt hatte, denn sie konnte nicht schnell genug wegkommen.
Hetty, die neben ihr auf die Veranda trat, riss sie aus ihren Gedanken. »Kai und ich müssen mal kurz in die Firma, macht es dir etwas aus hierzubleiben?«
Sie sah Dolly mit einem leicht verzogenen Mund an. »Wir wollen Chrissie nicht unbedingt alleine lassen, du weißt schon.«
Dolly lächelte. »Kein Problem, ich sitte Mutter und Kind, haut ihr nur ab.«
Eine halbe Stunde später drang Babygeschrei an ihre Ohren. Ah, Simon war wach geworden. Dieses Mal musste Chrissie zwangsgedrungen selber zur Tat schreiten und ihren Sohn versorgen. Doch das Geschrei hielt an. Dolly stand auf und ging ins Haus, um nachzusehen. Ihr erster Gedanke, dass Chrissie ihren Sohn tatsächlich einfach ignorierte, wurde durch die verzweifelte Stimme, die sie aus der Küche hörte, ad absurdum geführt.
»Ach Simon, schrei doch nicht so. Bitte sei doch endlich still.« Chrissie stand vor dem Fläschchenwärmer und versuchte vergeblich ihren plärrenden Sohn zu beruhigen. »Du kriegst doch gleich was zum Essen.«
Dolly sah mit hochgezogenen Augenbrauen, wie verkrampft sie ihren Sohn hielt. Leise schüttelte sie den Kopf. Da war wirklich Hopfen und Malz verloren. Diese junge Frau bekam einfach keinen Zugang zu ihrem Sohn. Und man konnte ihr wirklich nicht vorwerfen, dass sie es nicht versuchte. Aber nicht bei jedem weiblichen Wesen dieser Welt war ein Mutterinstinkt tatsächlich vorhanden und bei Chrissie fehlte einfach das Gespür, wie man ein Baby behandeln sollte.
Simon ignorierte ihre Beschwichtigungsversuche und legte noch an Lautstärke zu, was Chrissie in einen Tränenausbruch trieb.
Dollys Herz zog sich vor lauter Mitleid zusammen und ihr Vorsatz, sich einfach wieder still zurückzuziehen, verschwand ins Nirgendwo.
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