Bare Münze, das war es dann auch, was ich ein Jahr lang Monat für Monat an die Hamburger Autorenschule zu blechen hatte. Nicht, dass ich den Lehrern dort etwas Konkretes vorzuwerfen hätte. Es war nicht ihre Schuld, dass alsbald mein Frust wegen des pingeligen „Schriftdeutschs“, der schwer durchschaubaren Rechtschreibung und der leidigen Interpunktion über meine Fabulierlust siegte. Und überdies und außerdem hatte ich in jenen Jahren der „Sesshaft“ wahrlich und wahrhaftig ganz andere Sorgen…
Jetzt, ca. vierzig Jahre danach, halte ich einige der damaligen Aufzeichnungen in meinen Händen: Sven Ebeltoft: „Lehrbrief Werkstattgespräche“, Aufgabe 6: „Ich lerne schreiben“, Aufgabe 7: „Streichen Sie überflüssige Textstellen der Hausaufgabe 6“. Das tat ich gründlich – hier also die Nummer 7, die gekürzte Fassung von Nr. 6:
Ich dachte: man setzt sich hin, denkt – und was man denkt, schreibt man. So wie der „Papillon-Autor“ Henri Charriére.
So einfach: Zack, Kugelschreiber; zack, Papier; zack Bestseller!
„Heiliger Bimbam“, die paar kleinen Fehlerchen. – Für was werden eigentlich Lektoren bezahlt? So dachte ich. Man sollte das Denken vielleicht doch besser den Pferden überlassen…
Aber schade ist es doch, dass ich nicht zum Schreiben tauge. Ja es ist fast ein Verrat an der ganzen Menschheit. Sowohl an jenen, welche an meinen Abenteuern teilgenommen, als auch an allen übrigen, aber leider unwissenden Mitmenschen. Von der Nachwelt ganz zu schweigen…
Denn wer anders als ich hat dem stolz gleitenden Sturmvogel ins blanke Auge gesehen? Wer sonst wohl hat mit Hans Buhmann im „Bouillon-Keller“ gezecht? Wer schon weiß von der wilden Liebe Rosarias? Weiß, wie schön und beschissen das Leben eines Matrosen sein kann…
Sicher: Dieser Seemannsschmarrn ist ein arg strapaziertes Thema. Jedoch die wenigsten Bücher
darüber entsprechen der profanen Wirklichkeit. Darum ist es mir ein Bedürfnis, unverlogen und ohne Pathos darüber zu berichten…
Kommentar des Lehrbeauftragten: Von unnützem Ballast befreit, wirkt – gestrichen, gestrichen, gestrichen – Hausaufgabe 7 wesentlich besser. Allerdings gäbe es auch hier noch einiges zu streichen… Ja, zum Teufel mit allen Schriftgelehrten! Was bleibt denn dann noch von meinem, mit so viel Verve geschriebenem Text?
Nun, inzwischen ist viel Wasser die Elbe hinunter geflossen. Was aus der Hamburger Autorenschule geworden ist weiß ich nicht. Eines aber scheint mir sicher zu sein: Die althergebrachten Lehrmethoden dürften sich von selbst erledigt haben. Dafür sorgen wohl nicht nur die neuen Kommunikationsmittel, auch die Rechtschreibreform – wie auch immer man dazu stehen mag – scheint ihren Beitrag zum „Niedergang“ der deutschen Sprache zu leisten. Für einen Dilettanten wie mich, der immer wieder einmal ein x für ein u hält, geradezu eine willkommene Ermutigung! Allerdings gibt es auch häufig Grund zum Ärgern. Zum Beispiel spätestens dann, wenn mir der klugscheißerische PC, den ich als Schreibmaschine benutze, sowohl die natürlich gewachsenen als auch die von mir erzwungenen zusammengesetzten Wörter wieder auseinander reißt. Z. B. „klugscheißerisch“ – gefällt ihm auch nicht!
Zum Thema: Während des Niederschreibens meiner Erlebnisse wurde mir doch sehr schnell klar, dass zwischen dem Einst und Jetzt viel Zeit verronnen ist. Erstaunlicherweise lassen sich aus dem tiefen Brunnen der Vergangenheit zwar immer noch einzelne Brocken heben, aber… Aber – abgesehen vom Wahrheitsgehalt – die gehobenen Schätze verlieren, bei Licht besehen, schnell ihren Glanz. Man muss sie, wie trockene Kieselsteine, erst einmal wieder mit Feuchtigkeit benetzen, um sie zum Glänzen zu bringen. Und weil ich befürchtete, dass das bisschen Glanz für ein ganzes Buch nicht ausreicht, habe ich mich dazu hinreißen lassen, auch noch Geschichten einzufügen, die mit meiner Person rein gar nichts zu tun haben. Dafür aber umso mehr mit allem, was die christliche wie auch die unchristliche Seefahrt betrifft. Die Schicksale einzelner Schiffe, berühmter Entdecker und berüchtigter Seefahrer hatten es mir schon immer angetan. Und so habe ich mich also bemüht, mehr oder weniger bekannte Geschichten darüber mit einzubauen. Dass mir dabei, einem Seemann aus Österreich, die Erinnerung an maritime Abenteuer der längst verblichenen Donaumonarchie besonders am Herzen lag – darum bitte ich, bittschön, um Nachsicht…
Der vorliegende Lesestoff besteht aus einer etwas unorthodox zusammengestellten Mischung von persönlich Erlebtem und willkürlich Hinzugefügtem. Leitfaden ist die Erinnerung an meine erste Seefahrts-Dekade von 1957 bis 1968. Während dieses Zeitraumes diente ich als Junggrad und Vollmatrose ausschließlich auf Schiffen unter deutscher Flagge sowohl in der Kleinen als auch in der Großen Fahrt. Diese Schiffe bilden dann auch das Gerippe der Erzählungen. Geordnet nach den Eintragungen im Seefahrtsbuch stellt jedes Schiff ein Kapitel dar. Diese Vorgehensweise mag ja pedantisch sein, war mir aber doch sehr hilfreich beim Sortieren meiner Erinnerungen.
Nun ist es aber nicht so, dass der Alltag eines Matrosen, mal abgesehen vom Landgang, so besonders aufregend wäre. Im Grund gibt es da nicht viel zu erzählen – und immerzu nur von Kneipen, Saufgelagen und Beischläferinnen oder vom Seegang, schlechtem Wetter, sterbenslangweiligem Wachdienst zu schwadronieren – das ist dann doch auch nicht das Gelbe vom Ei! Deshalb ist dieses „typische Seemannsgarn“, das natürlich auch nicht fehlen darf, eingebunden in mehr oder weniger spektakuläre Berichte über die Seefahrt und über die Schicksale so mancher Schiffe.
Dabei gilt meine besondere Aufmerksamkeit den Seefahrern und Entdeckern zum Ende des Mittelalters, also den Pionieren der Neuzeit, die unser Wissen von der Welt grundlegend verändert haben. Piraten und Meuterer kommen aber auch nicht zu kurz. Dramatische Schiffskatastrophen dürfen natürlich auch nicht fehlen – wenn auch nicht gerade der Untergang der „TITANIC“. Selbst Kriegsschiffe und Seegefechte finden Beachtung, wenn es nach Meinung des Autors in den Rahmen passt. Und nicht zu vergessen: das rein seemännische Wissen und dessen Anwendung. Darüber aber zu entscheiden, was das Skript noch verträgt und was nicht, das ist die Crux mit meinen ausufernden, vielfach dem Internet entnommenen Geschichten…
Der Gedanke, der mich bewegte, mich überhaupt mit diesem Thema zu befassen, ist das kritiklose Übernehmen traditionellen Gedankenguts in Bezug auf die Seefahrt, ist das Vertuschen sogenannter Unglücksfälle und die damit verquickte Stellung der Kapitäne. Im Grunde geht es mir eigentlich darum, mit der immer noch nostalgisch verbrämten Figur des Kapitäns, der ja letztlich nur der verlängerte Arm des Reeders ist, endlich aufzuräumen. Zugleich ist es mir ein Anliegen, auf die Ursachen maritimer „Unglücksfälle“ hinzuweisen, die oft genug nur mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen werden können.
Was bleibt, ist die bange Frage: Gibt es in unserer Gesellschaft überhaupt noch ein Interesse an der inzwischen fast gänzlich ausgeflaggten deutschen Handelsschifffahrt? Gibt es noch Verlage, die sich dieses Themas überhaupt annehmen?
PS: Das Manuskript beinhaltet 16 Kapitel mit eingefügten Fotos plus Vor- und Nachwort und Glossar.
Zu meiner Person: Ich bin Jahrgang 1940 und lebe seit dem Jahr 2000 in Chemnitz / Sachsen. Geboren wurde ich in einem ländlichen Ort Oberösterreichs. Und so ward es mir auch nicht in die Wiege gelegt, Seemann zu werden. Um das durchzusetzen, brauchte es schon an Sturheit grenzenden Eigensinn und – Ausdauer. Dies – und das Hervorheben der maritimen Vergangenheit Österreichs – war mir das ganze 1. Kapitel wert…
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