„Darauf gehen wir gar nicht ein. Diese Lebensbereiche wurden von den Menschen dort ja auch wegen der Erhaltung des christlichen Glaubens und der abendländischen Kultur eingerichtet.“
Der Innenminister macht eine kurze Pause und meint dann: „Ich bitte zu bemerken, dass die Islamisten Partei bereits bei 20% liegt“, und wechselt dann seinen Blick auf seinen Kollegen Heiner: „Und wie ich weiß Heiner, ist deine geschiedene Frau in den Kibbuz 2083 übergewechselt.“
Das Gesicht des Angesprochenen ist versteinert, als er nur kurz antwortet: „Danke für die Information, Fritz!“
„Liefern diese Kibbuzim denn tatsächlich so viel Nahrungsmittel?“, will die Kanzlerin dann von ihrem Kollegen Karl Schober erfahren, der sofort darauf antwortet.
„Das ist schon erstaunlich, was so ein Kibbuz an Nahrungsmitteln hervorbringt. Die vertraglichen Lieferungen, also deren Überschüsse an landwirtschaftlichen Erzeugnissen, sind immer pünktlich. Da können wir bei dem vorherrschenden Klima nur froh sein, dass sich diese Kibbuzim gebildet haben. Auf irgendeine Art haben wir ja bekannter weise jedes Jahr mit einer Wetterkatastrophe zu kämpfen. Einmal sind es die Überschwemmungen, dann ist es die Dürre oder es sind die Stürme. Da sind wir schon sehr froh, dass wir diese so genannten autonomen Gebiete zur Unterstützung haben. Wir sind ja entweder damit beschäftigt Sturm und/oder Wasserschäden zu beseitigen oder im anderen Extrem, die Bevölkerung mit Wasser zu versorgen.“
„Ja, danke. Ich denke, diese Kibbuzim waren damals eine vorausschauende und gute Idee, im Klimawandel ein wetterunabhängiges Leben führen zu können“, fügt die Kanzlerin hinzu, was den Minister Schober zur Äußerung veranlasst: „Mir wäre es am liebsten, wenn alle Kibbuzim bei uns im Lande zugänglich bleiben würden. Wir haben schließlich wegen des steigenden Meeresspiegels bisher bereits bis zu 20 km Land an den Küsten verloren!“
„Ich weiß“, seufzt die Kanzlerin. „Aber wir haben mit dem Kibbuz 2083 einen Vertrag zu deren Autonomie, den auch wir einhalten wollen. Schließlich haben wir meines Wissens von deren Technik und der landwirtschaftlichen Versorgung sehr profitiert!“
„Mir wäre es auch lieber, wenn dieser Kibbuz unter unserer Kontrolle bleiben würde! Wie jene in Asien, die tatsächlich ein Leben in den unwirtlichen Regionen erlauben. Warum die Kuh schlachten, wenn man sie melken kann?“, meint Heiner Brandt im Glauben, bei seinen Kollegen Zustimmung zu finden.
„Ich denke das reicht! Es ist alles gesagt. Vielen Dank meine Herren!“ Die Kanzlerin steht auf. Ein Zeichen für die noch anwesenden Minister: Die Sitzung ist beendet.
In seinem Büro angekommen greift der Minister Brandt hektisch zum DigiCom, als müsse er ein Gespräch führen, welches nicht für fremde Ohren gedacht wäre. Als sich nach kurzer Zeit der gewünschte Gesprächsteilnehmer meldet, redet der Minister sofort mit scharfer Stimme auf diesen ein: „Ist es wahr, dass meine Frau bei Ihnen im Kibbuz eingezogen ist?“
Die kurze Antwort ist nur: „Ja!“
„Warum melden Sie mir das nicht! Oder wollen Sie, dass ich mich wieder einmal um ihre Kinder kümmern soll?!“
Am anderen Ende der Leitung wird keine Antwort gegeben. Nur ein tiefes Einatmen ist zu hören.
„Sie melden mir in Zukunft jede Veränderung aus ihrem Bereich. Besonders solche, die mit dem Ziel und dem dazugehörigen Datum zu tun haben!“
Der Minister hat gerade hektisch die Verbindung unterbrochen, als sein Kollege Karl Schober sein Büro betritt.
„Wer hat dich denn rein gelassen…?“, zischt Heiner Brandt seinen Kollegen an.
„Na, na! Begrüßt man so einen guten Freund...?“, gibt der lachend zurück.
Die beiden Männer schauen sich etwas zu lange an, bevor Brandt fragt: „Was kann ich für dich tun?“
„Ich denke, wir sitzen im gleichen Boot. Wir beide wollen nicht, dass dieser Kibbuz sein Ziel erreicht. Ich kann dir dabei helfen!“
„Dann sitzen wir tatsächlich im gleichen Boot!“, grinst Brandt seinen Kollegen Schober an. „Da bin ich ja wirklich gespannt, was du mir da anbieten kannst!“
„Mich interessiert deren Technologie nicht. Dafür bist du zuständig. Mich interessieren nur die landwirtschaftlichen Produkte, die dieser Kibbuz zu liefern in der Lage ist. Wenn die mal ihre so genannte Autonomie erreicht haben, dann werden die wohl nur mehr für ihre eigenen Leute Nahrungsmittel erzeugen. Das halte ich für einen Blödsinn. Und deshalb muss dieser Kibbuz Bestandteil unseres Landes bleiben.“
„Sage ich doch! Wir sitzen im gleichen Boot. Ich will deren Technologie und du willst ihre Nahrungsmittel!“
„Irgendwie schaut das interessant aus, wie der Energiezaun von hier aus zu sehen ist!“, sagt Norton Baum-Blume zu seinen Freunden auf dem Campus der Gemeinschaftsschule des Kibbuz und zeigt in Richtung Westen. Wie eine gewaltige Wabe, der Riesen-Seerose nachempfunden, wölbt sich das Energiegitter über ihren Lebensbereich.
„Ja, das finde ich auch so“, meint sein Freund William Haus-Beruf zustimmend. „Und irgendwann wird er einmal unseren gesamten Lebensbereich zur Sicherheit umspannen. Ich will sagen, mit Energie umspannen. Fertig gestellt ist das Gitter ja bereits.“
Norton und sein Freund William sind beide 18 Jahr alt, wie auch die beiden Mädchen, Silke und Cleo, in ihrer Gesellschaft.
Silke in ihrem einfachen, blauen Kleid hat ihre langen, blonden Haare nach hinten gekämmt und nimmt ihren Freund Norton bei der Hand: „Und meinst du Norton, dass auch einmal die Sonne über uns scheinen wird?“
Sofort schauen alle vier in die Höhe, dorthin, wo das Gitter in großer Höhe zusammenläuft. Im Lebensbereich hat man sich längst an diesen Anblick gewöhnt.
„Die Sonne scheint doch, Silke!“, lacht Norton seine Freundin an.
„Du sollst mich nicht auslachen. Du weißt genau, dass ich die künstliche Sonne meine…!“
„Das weiß ich doch, Schatz! Aber vielleicht haben wir heute den letzten warmen Tag in diesem Herbst. Da wollen wir unsere gute alte Sonne noch einmal genießen. Ab morgen beginnt ja im Lebensbereich die kalte Zeit des Herbstes.“
„Ja, leider!“, stimmt Cleo dem Gespräch zu. „Der Bereich Klima hat das ja im Intranet angekündigt.“
William hat seine Freundin um die Schulter gefasst. Sie gefällt ihm in ihren kurzen, blonden Haaren und den langen Hosen mit den einfachen Hemden. Es passt irgendwie zu dem Leben im Lebensbereich.
„Ich finde“, führt Norton das Gespräch weiter, „wir sollten den heutigen Sonnentag noch einmal ausnutzen. Was haltet ihr davon, wenn wir zum Kibbuz-Museum gehen?“
„Das ist eine gute Idee!“, stimmen seine Freunde ein. „Da können wir uns nicht nur mal wieder mit der Geschichte des Kibbuz beschäftigen, sondern auch einen guten Spaziergang machen!“
„Gut, dann treffen wir uns nach der Schule um 15:00 Uhr am Anfang der Ost-West-Straße, dann können wir auf dem Rundweg gehen.“
„OK“, beendet William die Runde auf dem Campus. „Lasst uns wieder reingehen, ich habe Hunger!“
Diese Bemerkung löst bei den Freunden Heiterkeit aus. Sie wissen um den immerwährenden Hunger von William. Auch wenn man es ihm überhaupt nicht ansieht.
In dem großen Speisesaal der Gesamtschule gibt es vier verschiedene Bereiche für die jungen und älteren Schüler. In dem Bereich, in dem auch Norton mit seinen Freunden sitzt, essen die Schüler bis zum 18. Lebensjahr. Es ist ein großer Saal, in dem die vielen Kinder und Jugendliche zusammenkommen, um ihr gemeinsames Mittagsmahl einzunehmen. Die Essensausgabe ist gut organisiert, so dass es keine langen Warteschlangen für die einzelnen Schulklassen gibt.
Die Schulzeiten für die Jugendlichen waren so eingerichtet, dass diese genügend Zeit und Muße finden konnten, sich in ihrer Freizeit mit dem Schulwissen auseinander zu setzen.
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