Zu diesem frühen Zeitpunkt wusste Klaus allerdings noch nicht, wie er an Johann herankommen könnte. Der Zufall wollte es, dass sich Karin Grodberg an ihn wandte, mit der Bitte, er, Klaus Timmen, möge sie vor Johann zu schützen. Dieser war offensichtlich nach einem Experiment durchgedreht und fühlte sich verfolgt und bedroht.
Es hatte sich wieder einmal gezeigt, dass man einfach Glück haben musste im Leben. Diese Frau Grodberg hatte sich ohnehin als ein schlechter Umgang für Johann erwiesen. Johann Schellberg war ein sonderbarer Einzelgänger und Eigenbrötler. Er war nicht geschaffen für eine Lebensgemeinschaft oder einer Beziehung zu einer Frau. Das war nicht seine primäre Aufgabe, sich mit Partnerschaftsproblemen herumzuschlagen. Besser war es, ihn unter eine besondere Aufsicht zustellen und ihn Tag und Nacht arbeiten zu lassen. So wie damals in Tübingen, wo er wirklich Großes geleistet hatte. Doch diesmal drängte die Zeit.
So hatte er über seine Firma die ,Prometheus‘ in Blaue hinein der US Regierung ein Angebot gemacht. Das war riskant, da er noch nicht wusste, ob sich der Gesundheitszustand von Johann dauerhaft bessern würde. Er liess trotzdem durchblicken, dass er wissenschaftliche Kapazitäten beschäftigte, die den Militärs und Sicherheitskräften ihre Wünsche nach mehr Einbindung von biologischen Elementen in die Waffentechnik erfüllen könnten. Timmen hatte in der Folge Kontakte um Kontakte geknüpft. Immer wieder bemühte er Nick Messco und bearbeitete ihn, seine Beziehungen zu den Machtzirkeln in der US-Regierung spielen zu lassen.
Mit Hilfe von Johann, den er schon am Krankenbett ständig aushorchte und in aufforderte, Großes und Einzigartiges zu leisten, liess er über seine Firmen weitere Expose`s erstellen. In diesen schilderte er eine völlig neue Welt. Sicherheit auf biologischer Basis. Billige organische Produkte sollten die Polizeien und Armeen unterstützen. Klaus Timmen liess sogar durchblicken, seine Forschungsabteilung wäre in der Lage eine Art Chimäre herzustellen. Ein Lebewesen, das der Soldat von morgen werden könnte. Einfach konstruiert. Ohne Persönlichkeit. Ohne eigene Meinung. Ohne trauernde Eltern oder Familienangehörige. Einfach und leicht zu züchten und abzurichten.
Es dauerte nicht lange und einige einflussreiche Herren hatten tatsächlich angebissen. Die Geheimdienste und Armeeoffiziere begannen ernsthaft über derartige Neuerungen nachzudenken. Allen ethischen und moralischen Bedenken zum Trotz, spielten sie derartige, eventuelle Szenerien durch, in denen Soldaten nur noch in geringer Stärke auftraten.
Einziger Wermutstropfen dieser gesamten Überlegungen war die Abhängigkeit der USA. Niemand aus den Kreisen der Militärs wollte, dass in diesem sensiblen Bereich, unkontrolliert geforscht wurde. Das denkbare Ziel war, wenn es denn eine Forschungsgruppe geben sollte, diese unter eine rein amerikanische Führung zu stellen. Längst wussten die USA von der Existenz eines Johann Schellbergs und dessen genialer Performance. Es war allen Beteiligten klar, dass es auf absehbare Zeit keinen Wissenschaftler geben würde, der ihm folgen oder ersetzen könnte.
Das war der große und einzige Trumpf in der Hand von Klaus Timmen. Und dieser dachte nicht im Traum daran Schellberg wieder herzugeben. Er erhöhte den Druck, indem er durchblicken liess, auch ohne die Unterstützung der US-Regierung forschen zu können. Er war sich allerdings bewusst, dass das ein Spiel mit dem Feuer war. Vor allem die Geheimdienste der USA waren nicht zu unterschätzen.
Klaus hatte sich bei den folgenden Gesprächskreisen für eine überschaubare Anzahl an Teilnehmern ausgesprochen. Es war nicht in seinem Sinne, vor großem Publikum die Details auszubreiten und Johann der Gefahr auszusetzen, von allen möglichen Offerten belagert zu werden. Ein kleiner, eloquenter Kreis von Spezialisten, sollte über das Für und Wider von bioorganischer Waffentechnologie entscheiden. Klaus war sich sicher, das Prometheus, mit diesem Auftrag, die wertvollste und teuerste Firma der Welt werden würde. Denn Niemand außer ihm hatte einen Johann Schellberg. Noch während Johann halb tot im Krankenbett lag, hatte Klaus Timmen, ein erstes Treffen organisiert, bei denen ausgelotet werden sollte, was Machbar und Sinnvoll sein würde.
Kaum hatte sich Johann soweit erholt, dass er transportfähig war, gab Klaus grünes Licht für das erste ernsthafte Sondierungsgespräch im Pentagon. Timmen und Schellberg flogen zusammen nach New York. Johann hatte von den Ärzten ein leichtes Beruhigungsmittel bekommen. So schlief er fast die ganze Reise über. Klaus hatte ein vornehmes Hotel in der Nähe des Central Parks gebucht. Seit jenem verhängnisvollen Abend an dem Klaus die letzte Zeugin, von verkleinerten Menschen getötet hatte, umsorgte er Johann weiterhin wie ein kleines Kind.
Um für ein wenig für Ablenkung zu sorgen hatte er Opernkarten besorgt. In der Metropolitan Opera wurde ,Der Barbier von Sevilla‘ gespielt. Ein wenig Abwechslung und Zerstreuung tat ihnen Beiden gut. Der morgige Tag würde hart genug werden. Die Vertreter der Militärs und Sicherheitskräfte mussten von ihnen Beiden gierig gemacht werden. Gierig und hungrig nach neuen biologischen Technologien. Der Opernabend war ein voller Erfolg. Johann war entspannt und ruhig wie schon lange nicht mehr. Er gestand Klaus auf der Heimfahrt, dass er das erste Mal in seinem Leben in einer Opernaufführung gewesen war.
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel fuhren sie mit einer gemieteten Limousine nach Washington. Die Besprechung war für 14 Uhr angesetzt. Genug Zeit also für die Fahrt und ein kleines leichtes Mittagessen. Der Nachmittag würde lange genug werden.
Im Pentagon, dem riesenhaften Gebäude mit zehntausenden von Büros wurden sie freundlich empfangen, mit Ausweisen ausgestattet und von zwei hübschen Damen zu den vorbereiteten Räumen geleitet. Klaus Timmen schob Johann vor sich her. Wer konnte schon von sich behaupten, einmal im Pentagon eingeladen gewesen zu sein. Die nächste Stufe in der Gesellschaft, da war sich Klaus sicher, würde das Weisse Haus sein. Wenn seine Hoffnungen durch Johann erfüllt wurden, war eine Unterredung mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr weit. Das würde einen vorläufigen Höhepunkt in seinem beruflichen und gesellschaftlichen Leben darstellen. Schon bei dem Gedanken daran dem Präsidenten freundschaftlich die Hand schütteln zu können wurde er ganz kribbelig.
Sie kamen zu einer Art Lobby. Die Damen stellten sich links und rechts neben einer breiten glänzenden Edelholztüre und machten eine Geste doch einzutreten.
Klaus beugte sich zu Johann hinunter und flüsterte ihm etwas zu. Dann winkte er eine der Damen zu sich.
„Professor Schellberg wartet einstweilen hier. Leisten sie ihm doch bitte ein wenig Gesellschaft.“
„Sehr gerne Mr. Timmen.“
Klaus Timmen betrat sodann alleine den kleinen Konferenzraum. Er wurde dominiert von einem ovalen Tisch dessen Oberfläche auf Hochglanz poliert war. Er war aus sehr dunklem, fast schwarzen und sehr edlem Holz gefertigt.
Es sassen zwölf Männer an dem Tisch. Nur die beiden Stirnseiten waren noch frei. Jeder der Teilnehmer hatte ein kleines Potpourri an Getränken vor sich stehen.
Klaus kannte sich mit Uniformen nicht aus, aber anhand der vielen Sterne und Abzeichen ging er von hochrangigen Vertretern der US-Army und der Bundespolizei aus. Nur drei der Teilnehmer waren in normale dunkle Anzüge gekleidet.
Klaus stellte seine Aktentasche neben den freien Stuhl an der Stirnseite des Tisches. Die leisen Gespräche verstummten allmählich. Klaus zog es vor, gleich stehen zu bleiben. Es war sein Tag. Er nickte in die Runde und fing an, laut zu sprechen.
„Sehr verehrte Herren, meine Name ist Dr. Klaus Timmen. Ich bin Vorsitzender der Gesellschaft Prometheus. Ich bedanke mich für die Einladung.
Читать дальше