Mein Atem stockte vor Schreck, denn ich erinnerte mich. Ich sah alles nochmal vor meinem geistigen Auge und wusste, es war die Wahrheit, was mir Luno da erzählt hatte. Ich sah nochmal, wie die Tür aufging und der Fremde hereintrat. Er griff nach seinem Glücksbringer und schritt auf mich zu. Plötzlich stürzte etwas Kleines, direkt vor mir, von der Decke, landete auf dem Stuhl, der mir gegenüber stand und verwandele sich in Luno. Er forderte mich heraus - ich nahm an und verlor... weiter wusste ich nicht. Aber das Angebot meinerseits für den Gewinner ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte ihm zwei Nächte volles Programm mit mir versprochen, so selbstsicher war ich mir im Rausch gewesen und so dumm konnte es ausgehen. Für zwei Nächte lang hatte ich mich versklaven lassen...
„Weißt du noch, was ich gewonnen habe?“, fragte er mich.
„Ich habe mich soeben erinnert“, hauchte ich atemlos.
„Dann habe ich also noch eine Nacht mit dir“, stellte er klar.
„Was?! Eine?! “, rutschte es mir einfach so heraus. Dafür hätte ich mich umbringen können! Anscheinend erinnerte er sich nicht mehr so genau an die Abmachung wie ich, obwohl mir das ziemlich rätselhaft vorkam, da ich ja die Benebelte war.
„Ja, noch eine Nacht“, bestätigte er. „Aber wenn du nicht genug von mir bekommen kannst, kannst du ja gerne um noch eine Nacht mit mir spielen, dann werde ich dich nämlich gern gewinnen lassen...“
„Sicherlich nicht!“, stieß ich hervor.
Er hatte glücklicherweise wohl nichts bemerkt. Beinahe hätte ich mir alles verdorben und müsste es doch zwei Nächte lang über mich ergehen lassen... „Oh, du glaubst ich hätte vergessen, dass es zwei Nächte waren“, stellte er nun zu meinem Entsetzen fest. „Dabei ist dir nur noch nicht in den Sinn gekommen, dass du den ersten Teil deiner Abmachung bereits erfüllt haben könntest...“
„Wie bitte?!“, stieß ich entsetzt hervor.
„Naja, nachdem ich dich besiegt hatte, habe ich dich ja, wie gesagt, in mein Haus getragen. Und dort haben wir dann noch einen Großteil der Nacht verbracht... Es war wirklich sehr schön mit dir. Wie schade, dass du dich nicht erinnern kannst. Ich fand es wahnsinnig toll, die ganze Nacht in einem Bett mit dir zu verbringen, während du auf mir lagst, dich in den Armen zu halten, zu berühren, zu streicheln und zu verwöhnen...“, schwärmte er.
„Hör auf! Hör auf! Ich ertrage das nicht! Du lügst doch!“, schrie ich ihn hysterisch an, doch er sprach mit ruhiger Stimme zu mir: „Und ich schwöre dir, Lilly, jedes Wort davon ist wahr. - Du hast es selbst gesehen, als du aufgewacht bist: Wir befanden uns im selben Bett und du lagst zur Hälfte auf mir, während ich dich in den Armen hielt und streichelte. Keine Angst, ich würde es nie wagen, dich unsittlich zu berühren, während du nicht bei vollem Bewusstsein bist, um mich davon abhalten zu können... Nach meinem Sieg bist du nämlich vor Schreck in Ohnmacht gefallen. Darum musste ich dich auch in mein Haus tragen ...“ Sein Grinsen verwandelte sich in ein Lachen. „Oh Lilly, du hättest mal dein Gesicht sehen sollen! Du bist voll drauf reingefallen!“
Ich fand das überhaupt nicht mehr lustig. „Das ist sowas von gemein von dir, mich so zu erschrecken!“, schimpfte ich.
„Ach ja? Wäre es dir etwa lieber gewesen, wenn das, was ich dir gerade eben weiß gemacht hatte, die Wahrheit gewesen wäre? Glaub mir, der andere Hortenser, der dich nicht mehr herausfordern konnte, hätte sich nur so auf dich gestürzt, wenn er dieselbe Gelegenheit wie ich gehabt hätte“, argumentierte er. Er hatte Recht und das wusste ich auch, darum gab ich mich wortlos geschlagen.
„Dann werde ich mich mal auf die Suche nach Astor machen“, wandte ich ein, stand auf, schlüpfte in meine Schuhe, die vor dem Bett abgestellt waren und machte mich schon auf zu gehen, in der Hoffnung, er würde darüber hinweg sehen, dass ich ihm noch etwas schulde, da er mich gestern in Matik besiegt hatte.
„Bei Einbruch der Dunkelheit bist du aber wieder hier“, stellte er klar, worauf ich erschrak.
„Und... was hast du da mit mir vor?“, stotterte ich ängstlich.
„Da wirst du den zweiten Teil deiner Abmachung erfüllen. – Und diesmal werde ich dein volles Programm auch nutzen...“, warnte er mich vor. „Und, ach ja, solltest du glauben, es wäre damit abgetan, dass du einfach nicht erscheinst, werde ich dich mir holen. Glaub mir, ich kann das. Ich habe da einen netten Fluch parat, der dich dazu bringt, all deine Versprechen mir gegenüber auch einzuhalten...“
Ich verließ Lunos Haus und musste mich sehr zusammenreißen, nicht gleich in Tränen auszubrechen, da er mich vielleicht noch beobachtete. Diese Genugtuung wollte ich ihm jetzt nicht auch noch verschaffen. „Lillian!“, rief mit Astor zu, der mich bereits entdeckt hatte und mir mit meinem Sack voller Amulette entgegen kam. „Warst du schon wieder bei diesem verfluchten Mondmann? Ich hatte mir solche Sorgen um dich gemacht, als ich dich heute Morgen nirgends finden konnte. ...Lillian? Geht es dir auch gut?“, erkundigte er sich, als ich keinen Ton von mir gab.
„Könnten wir ins Baumhaus gehen?“, bekam ich endlich heraus.
„Gute Idee“, fand Astor. „Ich muss dir sowieso noch etwas erzählen.“ Er deutete auf den schweren Sack, den er über die Schulter gelegt mit sich rum schleppte. „Wahnsinn! Wie viele Anhänger sind das eigentlich? Naja, egal, wie gesagt war ich vor dem gestrigen Abend schon länger nicht mehr in der Sonne bei Nacht . Ich rauche dort öfters Wasserpfeife, aber das gestern war anders als sonst. Als ich gerade eben in der Sonne bei Nacht wieder zu mir kam, hat man mir erzählt, dass Pai und seine Freunde festgestellt hatten, dass eine Pflanze, welche man bisher für giftig geglaubt hatte, gar nicht tödlich ist und dass man darauf glücklich und entspannt wird. Nur leider wird man dadurch auch ganz benebelt und kann sich am Ende an nichts mehr erinnern. Eine Mischung mit sehr viel Anteil von dieser Pflanze darin, haben wir gestern Abend in der Wasserpfeife geraucht. Wir waren die neue Pflanze einfach noch nicht gewohnt, da man sie etwas anders raucht. Man sollte keine so großen Züge davon nehmen, sonst bekommt man einen Rausch, bei dem man sich später nicht mehr dran erinnern kann, was man gemacht hat. Besonders für dich muss es ungewohnt gewesen sein, da deine jetzige Lunge als Hortenser viel größer ist, als die eines Menschen und du darum viel mehr von dem Zeug eingeatmet hast, als du ahntest. Denn wie gesagt, brauchen Hortenser ja viel mehr Sauerstoff als Menschen. Dafür haben wir nur einen winzigen Magen, damit unsere Lunge auch genügend Platz im Körper hat.“
Astor hatte mich mit seinem Vortrag auf ganz andere Gedanken gebracht. „Aber warum haben wir denn überhaupt einen Magen, wenn wir nichts essen?“, fiel mir auf.
„Damit die Luftröhre nicht verstopft wird, sollten wir versehentlich mal etwas verschlucken“, machte er mir klar. „Ach ja, ich habe übrigens in einem Pflanzenbuch recherchiert: Die Pflanze, die wir da geraucht haben, nennt man in der Menschenwelt Marihuana.“
Auf der Stelle blieb ich stehen. „Marihuana?! Astor, das ist in der Menschenwelt verboten! Es ist gefährlich, weil es Gehirnzellen abtötet und süchtig machen kann! Wir müssen die anderen darüber aufklären!“
„In Ordnung, aber jetzt wo wir schon mal bei meinem Baumhaus angekommen sind, lass mich erst den schweren Sack hier abladen“, bestand er darauf. „Junge, wie oft hast du eigentlich gewonnen?! Ach ja, du wolltest mir doch auch noch etwas erzählen, wenn ich mich nicht irre. Und was hast du eigentlich beim Mondmann gewollt?“ Nun fiel mir wieder ein, was mir gerade eben noch solche Sorgen bereitet hatte und anstelle einer Antwort begann ich nun bitterlich zu weinen. „Lillian, was ist? Habe ich was Falsches gesagt?“, fragte Astor besorgt. „Was ist denn passiert? Nun komm, so schlimm kann es doch wohl nicht sein.“
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