Meine anfangs rein sportlichen Beweggründe waren schnell hinfällig, da ich durch meine Übernachtungen in vielen Klöstern und anderen kirchlichen Refugien doch tiefer von der Christliche Religion berührt wurde, als ich es vermutet hätte.
Ich suchte imposante Gotteshäuser auf, die mir intensive Ruhe und Stille gaben. In ihnen konnte ich die teils hohen heißen Außentemperaturen vergessen und immer wieder in angenehm kühler Atmosphäre meditieren. Eine wahrhafte Quelle der Entspannung und des Kräftetankens.
Am Ende waren es 31 abwechslungsreiche Tage mit vielen Höhen aber auch mit einigen Tiefen. Teilweise verlangte ich mir Leistungen ab, die an meine physischen Grenzen und leider auch darüber hinausgingen. Ich hatte viele grenzwertige Situationen und Herausforderungen, bedingt durch Wettereinflüsse aber leider auch durch menschliches Unvermögen, zu bewältigen.
In dieser Zeit dachte ich, viel mehr als sonst, über meine Gegenwart und Vergangenheit nach. Gerade meine Vergangenheit brachte Erlebnisse von Unterdrückung und Erniedrigung in Erinnerung. Ich hatte auf der Tour den Kopf frei und konnte mir endlich mal die Zeit nehmen, um diese Übergriffe für mich zu bedenken und sie möglicherweise ein Stück „aufzuarbeiten“.
Denn schreckliche Geschehnisse haben in meinem Kopf immer noch einen kleinen Bereich belegt und diese geistige Müll-Ecke will ich für ein letztes Mal sortieren.
Die geraubte Kindheit und vor allem die offene Gewalt meines Erzeugers, der ein kranker, brutaler Psychopath war und mir und meinen vier Brüdern aufs schändliche einbläute, dass wir nichts sind, gehört für mich noch Mal verarbeitet und danach für alle „Ewigkeit“ aus dem Gehirn verbannt.
In meinen Erinnerungen taucht meine Jugend in den Holzbungalows auf, die Kräftigung und Steigerung meines Selbstwertgefühls durch den jahrelangen Kampfsport, aber auch, und dies ist mir besonders wichtig, die tausend schönen Stunden mit vielen Freunden und den mit ihnen durchfeierten Nächten werden sich wiederholt und mit Freude vor meinem inneren Auge auftun.
>>Wichtig ist es mir, dass ich es mit mir aushalte und immer wieder aufstehe, egal, „was war - was ist- und was kommt “. <<
Ich werde bemerken, dass ich mich zurückzunehmen bzw. mich nicht immer so wichtig nehmen muss bzw. brauche. Diese Einsicht half ungemein und das nicht nur in kritischen Situationen.
Alles in allem machte ich eine fast überirdische Erfahrung, die ich jedem empfehlen kann. Wobei weniger die Dauer wichtig war, als mehr das Umsetzten des Vorhabens, seinen Körper noch mal so intensiv zu spüren und sich zu fordern. Den inneren Schweinehund, und das nicht nur für zwei Stunden, „Paroli“ zu bieten war für mich entscheidend.
Mir war es vor allem auch wichtig, nicht alles zu planen und straff durchzuorganisieren, sondern auf gegebene Situationen und Herausforderungen zu reagieren, wenn sie sich stellen.
Nach dem sich das anfängliche Teilnehmerfeld ja auf null reduzierte, wollte ich dann auch unbedingt alleine fahren und das nicht nur wegen meines eigenen Biorhythmus‘.
Soziale Kontakte hatte ich auf meiner gewählten Route ohnehin genug. Unbekannte sprachen mich schon nach kurzer Zeit an und fuhren eine Zeitlang mit mir. Wir tauschten uns aus und brachten uns jeder auf seine Art mit seinen ganz eigenen Erfahrungen ein. Und wenn nötig, ließen die Menschen mich auch schnell wieder in Ruhe.
Schon bald als ich mich in Frankreich und Spanien auf dem Pilgerweg befand, sollte ich einige wenige Radfahrer auch wieder treffen.
Auch die Fußpilger waren sehr interessante Gesprächspartner, denen ich mich nach kurzer Zeit auch nicht mehr entziehen wollte und wie ich empfand, entziehen musste.
Mir begegnete immer mal einiges an interessanter Historie. So tauche ich z.B. ein wenig ein in die Geschichte der Reconquista und die Vertreibung der Mauren. Dies hätte ich gerne auch intensiver gemacht, aber ich hatte ja ein Ziel vor Augen und nicht unbegrenzt Zeit.
Alles das hat Suchtpotenzial. Und nicht nur jeder Adrenalin Junkie kommt voll auf seine Kosten. Auch für Breitensportler, die schon immer den Kick gesucht haben, bleibt nach einer Tagesetappe kein Wunsch nach „ja-da-geht-doch-noch-was“ offen.
Aber eines kann nicht verschwiegen werden, denn manchmal hing ich wirklich knietief im emotionalen „Analkuchen“ und das ein oder andere Mal drohte die geistige Umnachtung. Dann schimpfte ich viel und fragte mich: >> Eigentlich bist du dumm wie ein Stück Toast. Nein schlimmer noch, das Teil kann schimmeln und was kannst du ? <<
Schlussendlich bleibt die Einschätzung, dass ich diese Tour nie missen möchte!
Für meine Tour habe ich mir folgendes Motto ausgedacht.
„ LIEBER ARM DRAN ALS RAD AB“
Kapitel 1
Der Weg zum Radfahren als sportliche Betätigung und Vorbereitung
Zu Beginn meiner „Radfahrkarriere“ habe ich mich im nahen Umfeld von Hilden- Langenfeld – Richrath mit einem gebrauchten Fahrrad bewegt und spürte nach 30 km mein Sitzfleisch ungemein, die Knie zwickten und mit der Kondition war es schon so eine Sache. Nach einem halben Jahr waren mir die Strecken sehr vertraut und ich war wirklich sichtlich angetan von unserem schönen grünen Umfeld, welches mir als Autofahrer weitestgehend verborgen blieb. Binnen kürzester Zeit wagte ich mich auch ins angrenzende Bergische Land und mit viel Kampfeswillen wurde ich immer besser. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass immer, wenn ich Zigarettenhunger bekam, ich mich auf das Rad setzte und das Verlangen war wie weggeflogen. Eigentlich eine coole Erfahrung! Ich habe mal gelesen, dass dies mit Ersatzbotenstoffe und Glückshormonen, die beim Sport freigesetzt werden, zusammenhängt.
Die Strecken wurden immer länger und müheloser und nach 2 Jahren konnte ich die 50 – 60 km ohne große Anstrengung fahren. Eigentlich ein Witz, wird jedem gut trainierten Radler dazu einfallen, aber ich war stolz darauf vom Sofapotato zum Freizeitradler avanciert zu haben.

Eines Tages überzeugte ich meine Kinder, dass wir zusammen entschleunigt nach Koblenz radeln und so sind wir dann für die knapp 160 km vier Tage unterwegs gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war der jüngste Teilnehmer, mein Sohn Vincent, 5 Jahre alt und dementsprechend wurden die Tagesstrecken auch ausgelegt. Ich hatte mir einen Fahrradanhänger zugelegt, damit die Kids fast ohne Gepäck fahren konnten. Das hat mir und leider nur mir so gut gefallen, dass ich in Koblenz wusste, das ist ausbaufähig.
Die Tagesstrecken wurden immer länger und mit dem etwas älteren Gefährt war ich irgendwann nicht mehr zufrieden.
Gute Gerätschaft war mir schon immer wichtig, um einträgliche Arbeit abzuliefern. Da ich mich entschieden hatte, dass das Radfahren mich in Zukunft fit halten soll, wurde ein gutes Markenfahrrad angeschafft. Leider hielt die Freude nur sehr kurz an, weil mir das Rad schon nach vier Monaten gestohlen wurde. Dem neuen Besitzer wünsche ich an dieser Stelle weniger Hals aber mindestens einen Beinbruch mit seiner, also meiner, neuen Errungenschaft. Diese hatte mich viel Geld gekostet. Zur Freude des Zweiradhandels wurde innerhalb kürzester Zeit ein zweites Rad erworben, welches dann im 750,-€ Preissegment lag. Da mir die Straßen mit dem ganzen Autoverkehr nicht so liegen, wählte ich ein geländetaugliches Trecking Model.
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