Frank Buddrus - Bevor der Wecker läutet

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>>Du bist ein Arschloch. Ich wünschte, Du wärst tot!>Es lohnt nicht, mit Dir darüber zu diskutieren!<<, hatte ihre erschöpfende Antwort gelautet. Hätte sie gewusst, dass er sie ebenso für ein Arschloch hielt, und hätte sie den Mut gehabt, ihn danach zu fragen, er hätte es ihr gesagt. Für ihn war sie selbst dann noch ein Arschloch, als beide nicht viel mehr als die schlechte Erinnerung verband.

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Bevor der Wecker läutet

Bevor der Wecker läutet - 1

Frank M. Buddrus

Für meine beiden Ls

Impressum Texte Copyright by Frank Buddrus Umschlag Copyright by Frank - фото 1

Impressum

Texte: © Copyright by Frank Buddrus

Umschlag:© Copyright by Frank Buddrus

Verlag:Frank Buddrus

Waldsiedlung 33

14959 Trebbin

buddrus@web.de

Druck:epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Vorwort

Zur Ruhe

fürcht‘ ich

führt erst

der Tod mich

Echtes Glück währt viel kürzer als man glaubt und glauben möchte. Eine gewisse Zeit lang wollte auch Sebastian Heidemann nicht daran glauben.

Anbruch

Heidemanns Ex-Frau

>> Du bist ein Arschloch. Ich wünschte, Du wärst tot! << , offenbarte ihm seine Frau und spätere Ex-Frau so regelmäßig wie ein Pfarrer die Frohe Botschaft. Leider verspürte er kein Interesse, ihr in dieser Sache einen Gefallen zu tun. Aus seiner Sicht war sie selbst ein Arschloch. Ein viel größeres. Aber das sagte er ihr nicht. Auch nicht, dass er seinerseits Freude an dem Gedanken gefunden hätte, sie tot zu sehen. Natürlich hatte er sie gefragt, warum sie ihn für ein Arschloch hielt. >> Es lohnt nicht, mit Dir darüber zu diskutieren! << , hatte ihre erschöpfende Antwort gelautet. Hätte sie gewusst, dass er sie ebenso für ein Arschloch hielt, und hätte sie den Mut gehabt, ihn danach zu fragen, er hätte es ihr gesagt. Für ihn war sie selbst dann noch ein Arschloch, als beide nicht viel mehr als die schlechte Erinnerung verband.

Heidemanns Vermieter

>> Ich fordere Sie auf, solcherlei Sachen zu unterlassen, anderenfalls werde ich von meinem Recht Gebrauch machen, den Mietvertrag von meiner Seite aus fristlos zu kündigen. << Mit diesem ungelenken Satz versuchte Kramer ihn davon abzuhalten, den Werbemüll aus dem Briefkasten nicht mehr auf den Stapel Werbezeitungen zu legen, der den Treppenaufsatz verzierte. Kramer war als Heidemanns Vermieter gleichzeitig kritischer wie bösartiger Überwacher. Zur Kündigung kam es selbstverständlich nicht, zu einer Beruhigung der Situation indes auch nicht. Obwohl Heidemann fortan den Werbemüll in die Papiertonne entsorgte und obwohl er die Miete pünktlich und zuverlässig entrichtete. Kramer hatte aus Heidemanns Sicht jedes Recht auf eine vernünftige Auseinandersetzung verwirkt.

Heidemanns Lehrer

>> Du musst verstehen, dass nicht jeder eine Eins bekommen kann. Streng Dich an, dann klappt’s vielleicht mit dem Sommerzeugnis << , sagte Herr Probst ihm kompromisslos, als er seine Unzufriedenheit über die Halbjahresbenotung artikulierte. Probst war seit einem halben Jahr Referendar für Chemie und Mathematik und als solcher für Sebastians Noten in beiden Fächern zuständig. Dem war es reichlich egal, was die anderen bekamen. Er hatte bei allen Lehrern vor und nach Herrn Probst eine Eins in Chemie und eine Eins in Mathematik. Auch die Einsen in den Klausuren und Testaten reichten nicht, als Probst seine mündlichen Noten verkündete und danach erläuterte, welchen Einfluss sie auf die Gesamtnote hatten. Sebastian musste mit den Tränen ringen, als ihm erklärt wurde, dass er im Resultat mit einer Drei zu leben hatte. >> Scheiß-Probst << , dachte Sebastian.

Als sich die Notensituation auch im Sommer nicht änderte, wünschte er seinem Lehrer die Pest an den Hals.

Heidemanns Chef

>> Herr Stukenbrok wird nicht begeistert sein, das zu hören << , sagte Frau Schneider, die Sekretärin des Chefs, als Heidemann auf Wunsch seiner Frau um eine Gehaltserhöhung nachfragen wollte. >> Der letzte, der so etwas versuchte, den hat er gleich einmal zusammengeschrien << , führte sie aus, >> Sie kennen ihn vielleicht. Harald Paulsen. Aus dem Marketing. Zwei Monate lang war er danach krank und dann wurde ihm gekündigt. << Sie überlegte kurz und ergänzte: >> Dabei war er doch so fleißig. Und beliebt. << Sie hielt abermals inne und ließ ihm die Zeit, sie zu verstehen.

>> Ich habe noch nie eine Gehaltserhöhung bekommen. Obwohl ich schon über zehn Jahre hier arbeite << , erklärte Heidemann und bekräftigte seinen Terminwunsch mit Stukenbrok. Er bekam ihn – und wurde dort selbstverständlich zusammengeschrien. Er meldete sich nicht krank. In den Nachrichten hörte er über den Fall eines Amerikaners, der in seiner Firma Amok gelaufen war. Heidemann freundete sich mit der Vorstellung an, es ihm gleichzutun.

Heidemann

Sebastian Heidemann war achtunddreißig Jahre alt und von Beruf Betriebswirt. Rein äußerlich unterschied er sich nicht sonderlich von anderen Betriebswirten gleichen Alters. Zumindest nicht von denen, die es vorzogen, sich keine Wampe zuzulegen. Heidemann war schlank, was keiner sportlichen Betätigung zuzuschreiben war, sondern lediglich der Tatsache, dass er wenig aß. Seine Haut war fahl, wofür man wohl auch seine Ernährungsgewohnheiten und den allgemeinem Bewegungsmangel verantwortlich machen konnte. Seine schütteren dunkelblonden Haare waren in Gesellschaft erster grauer Mitbewohner und hatten die Besiedlungsversuche an Schläfen und Hinterkopf bereits eingestellt.

Anders als viele andere Betriebswirte gleichen Alters hatte er keine steile Karriere hingelegt. Sein Ehrgeiz, wenn man bei ihm davon sprechen konnte, ließ Reichtum, Ruhm, Anerkennung und Macht relativ unbeachtet und konzentrierte sich vornehmlich auf zwei Ziele. Auf seine Liebe zu Zahlen und darauf, seine Ruhe zu haben. Der Liebe zu Zahlen hatte er es überhaupt zu verdanken, eine Anstellung und ein geregeltes Einkommen zu haben. So sehr ihm die Arbeit bei seinem zweiten Ziel, dem Streben nach Ruhe, auch im Wege stand, so sehr war sie auch einziger Garant dafür, nicht vollends zu scheitern.

Obschon der Begriff Scheitern nicht zu Heidemanns Vokabular gehörte und er es auch wunderbar verstand, ihn aus seiner Gedankenwelt herauszuhalten, drängte sich für Heidemanns Außenwelt ein deutlicher Zusammenhang auf. Das mochte auch daran liegen, dass der Beobachtete im Umgang mit gesellschaftlichen Zwängen und Formen wenig pedantisch war. Dies fing bei seiner leidlich gepflegten Kleidung an, schlug einen Bogen über die Vernachlässigung gängiger Lebensmeilensteine und endete bei seiner Unlust, sich der tratschenden Menge unterzumischen, um nicht im Abseits zu stehen.

Dämmerung

Heidemann wacht auf

Ein einzelner Sonnenstrahl fand seinen Weg durch die dreckige Fensterscheibe und hob Heidemann sanft aus dem Schlaf. Genau sieben Minuten bevor sein Wecker läutete.

Das war äußerst ungewöhnlich. Heidemann gehörte zu den Eulen. Der verschlafene Kampf gegen das, was den Morgen ausmachte, stand fest in seinem Programm. Wie ein startender Jumbojet dröhnte der Wecker gewöhnlich in seinen Ohren. Zum Aufstehen bedurfte es mehr Überwindung als zur Steuererklärung. Sein eigener Anblick im Spiegel erschreckte ihn mehr als der seines Chefs, wenn dieser ihn beim Faulenzen erwischte. Der morgendliche Kaffee verbrühte regelmäßig seine Zunge und schmeckte zudem wie fauliges Tümpelwasser. Jeden Morgen stellte Heidemann fest, dass er vergessen hatte, ein Hemd zu bügeln. Einmal die Woche stellte er fest, dass er vergessen hatte, eine Hose zu bügeln. Und alle vier Wochen stellte er fest, dass er vergessen hatte, Hosen und Hemden zu waschen. Und wenn es regnete, vergaß er den Schirm. Wenn er den Schirm vergessen hatte, ging er zurück ins Haus und holte ihn. Dann verpasste er den Bus. Wenn er den Bus verpasste, kam er zu spät zur Arbeit. Und wenn er zu spät zur Arbeit kam, erwischte ihn sein Chef. Sein Chef mochte ihn nicht. Und Heidemann mochte seinen Chef nicht. Das lag nicht daran, dass dieser ihn, wenn er ihn beim Zuspätkommen oder Faulenzen erwischte, lautstark und unfreundlich zur Rede stellte. Daran lag es nicht, weil Heidemann Verständnis dafür hatte, angeschrien zu werden, wenn er zu spät kam oder faulenzte. Es lag vor allem daran, dass sein Chef attraktiver, jünger und noch dazu dümmer war als er. So fehlte Heidemann ein Grund, ihn zu respektieren.

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