Was sollte ich auch sonst in der Zwischenzeit anstellen. Wenn er mich schon hier einsperrte musste es doch zumindest hier sicher für mich sein.
Also machte ich mich auf die Suche nach Interessanten Gegenständen. Ich schlenderte in eine Ecke auf der seltsame Papierrollen lagen. Ich zog aufs Geratewohl eine heraus, und ging mit ihr zu einem niedrigen Tisch. Ich entrollte das Papier, und stellte fest dass es ein seltsames Rezept für irgendeinen Heiltrank zu sein schien.
Die meisten Wörter konnte ich nur schwer entziffern, einige fehlten sogar gänzlich und waren durch Zeichnungen der entsprechenden Gegenstände ersetze worden.
Dort waren Bilder die ich als Gänseblümchen kannte, was aber auch Kamille sein konnte.
Oder auf einem anderen war das Zeichen für ½ und daneben das Bild eines Froschs oder einer Kröte.
Um ehrlich zu sein, wollte ich gar nicht wissen in welches Rezept ein halber Frosch reingehörte.
Sorgsam rollte ich das Papier wieder zusammen, und legte es beiseite.
Erst jetzt bemerkte ich dass neben mir ein kompliziertes Gerät aus Zeigern und Zahnrädern, und einem Stundenglas lag.
Wie ich erkennen konnte war das Glas gerissen, und feiner, pudriger Sand rieselte langsam heraus.
Ich griff nach dem Sand, und rieb ihn zwischen meinen Fingern hin und her.
Er fühlte sich gut an, fast wie rieselnde Seide. Was war das nur?
Und was war das für eine seltsame Apparatur? überlegte ich.
Plötzlich schreckte ich auf.
Ein Vogel, mit seltsam bläulich schimmerndem Gefieder flog durchs offene Fenster herein, drehte eine Runde über dem kerzenbesetzten Leuchter in der Mitte des Raums, und setzte sich dann seelenruhig auf das Ende des Tischs und pickte ein paar Körner auf die jemand wohl dort vergessen hatte.
“Husch, husch” rief ich, sprang auf, und wollte den Vogel vertreiben. Dabei stieß ich mit dem Bein gegen die Tischkante.
Der Tisch wackelte kaum, aber es reichte aus um das Stundenglas mit dem seltsam pudrigen Sand in Bewegung zu versetzen.
Noch bevor ich genau erkannte was geschah segelte es schon über den Rand des Tischs.
Ich griff danach und bekam die Apparatur mitsamt dem Stundenglas gerade noch zu packen, bevor es auf dem Boden zerschellte.
Eine kleine Sandwolke blieb in der Luft hängen, und bildete einen bläulichen, beinahe undurchsichtigen Vorhang. Wie tausend kleiner Sterne hingen die feinen Sandkörnchen glitzernd und funkelnd in der Luft.
Und was ich dann sah ließ mir meine Kinnlade buchstäblich hinunter sausen.
Die einzelnen Körner, die der kleine bläulich schimmernde Vogel mühsam aufgepickt hatte, flogen nun erneut aus seinem Schnabel, und landeten auf der Tischplatte.
Anschließend erhob sich der Vogel rückwärts in die Lüfte, drehte rückwärts fliegend eine Kurve um den Kerzen Leuchter, und flog, wiederum rückwärts aus dem Fenster.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf diese Szene.
Wie konnte das sein? fragte ich mich. Ein Vogel konnte nicht rückwärts fliegen.
Das war vollkommen unmöglich. Absolut ausgeschlossen .
Sicherlich, es gab Kolibris im brasilianischen Urwald, die konnten auf der Stelle fliegen, aber auch sie konnten nicht derart schnell und präzise rückwärts Fliegen.
Ich blickte hinunter und sah auf meine Uhr. Wieder traute ich meinen Augen nicht.
Die Zeiger auf meiner Armbanduhr liefen rückwärts. Zwar nur die Sekunden Zeiger, aber auch das war eigentlich unmöglich.
Was ging hier vor sich?
Der durch den herabgefallenen Sand entstandene Nebel löste sich allmählich wieder auf, und ich konnte wieder besser sehen.
Es zwitscherte, und der kleine Vogel flog wieder vorwärts durch das offene Fenster herein. Er vollzog abermals eine Runde um den Kronleuchter und landete ebenso elegant wie nur Minuten zuvor auf dem Tisch und begann einzelne Körner aufzupicken.
Jetzt viel mir erst auf, das die Körner auch wieder vollzählig waren.
Die Szene ähnelte der vorherigen derart stark das ich nicht an einen Zufall glauben konnte.
Aber hatte dies mit diesem seltsamen Pulver zu tun der auf dem Boden verstreut lag?
Ich beschloss das Ganze auf die Probe zu stellen.
Langsam, beinahe wie in Zeitlupe bückte ich mich zu dem zerbrochenen Stundenglas hinab. Oder zu dem was davon noch übrig war.
Die Apparatur an der das Glas befestigt war, schien für mich noch intakt zu sein, aber das Glas war an der unteren Seite gebrochen, und der feine Sand hatte sich über den Boden verteilt.
Mit beinahe tauben Fingern berührte ich das Glas und dann die fein puderigen Überreste darin. Noch immer hatte ich das Gefühl eher ein Stück Seide zu berühren als körnigen Sand.
“Au” sagte ich plötzlich und zog meine Hand ruckartig zurück.
Ich betrachtete den Finger aus der Nähe und sah eine leicht gezackte kleine Wunde auf der Spitze meines Zeigefingers.
Dunkel rotes Blut heraus quoll wie rote Erdbeergelee langsam daraus hervor.
Fasziniert betrachtete ich meinen Finger und den roten Lebenssaft, der nun meinen Finger hinab rann, als mir plötzlich eine Idee kam.
Ich bückte mich, und nahm ein wenig von dem weichen Sand zwischen Daumen und Zeigefinger meiner gesunden Hand.
Nachdenklich hielt ich den Sand dicht vor meine Augen und betrachtete ihn. Es waren nicht mehr als ein paar Körner, vielleicht zehn Gramm, vielleicht auch nur fünf.
“Ich muss verrückt sein” murmelte ich, dann lies ich vorsichtig den Sand auf die verletzt Fingerkuppe rieseln.
Wie schon zuvor bei dem kleinen rückwärts fliegenden Vogel, begann das Blut nun auch wieder meinen Finger wieder hinauf zu fließen.
Ein einzelner Tropfen der zu Boden gefallen war, flog nun auch beinahe wie von Zauberhand hinauf, und in die Wunde zurück.
Die Wunde verschloss sich wieder, und kein Blut war mehr zu sehen.
“Wow” war alles was mir dazu einfiel.
Plötzlich stellte ich fest dass ich Hunger hatte. Mir knurrte regelrecht der Magen.
Kein Wunder, dachte ich. Wie lange war es her dass ich das Haus verlassen hatte?
Ich konnte mich nicht erinnern. Neugierig betrachtete ich die wenigen Krümel die der Vogel übrig gelassen hatte.
Ich bückte mich erneut nach dem Zaubersand, diesmal darauf bedacht mich nicht noch einmal zu verletzen, und hob eine weiter kleine Menge auf.
“Was du wohl mal gewesen warst” fragte ich die Überreste der Krümel. Sie gaben mir natürlich keine Antwort, aber ich war sicher dass ich das in Kürze herausfinden würde.
Ich rieselte einige wenige Körner auf die Krümel, und versuchte dabei so viele wie möglich zu treffen. Dabei starrte ich in neugieriger Erwartung mit weit aufgerissenen Augen auf die Holzplatte.
Und tatsächlich die Krümel rotteten sich zusammen einige andere Schienen sich aus dem Nichts zu materialisieren. Ich kam mir vor wie die Brüder in dem alten Märchen mit dem Zaubertisch auf dem wie aus dem Nichts Speisen jeglicher Art entstehen konnten.
Ganz so einfach war es bei mir zwar nicht, aber immerhin.
Wenige Augenblicke später lag ein dampfender Leib frisch gebackenen Brots vor mir.
Auf der Oberfläche war noch eine Mehl decke zu sehen, die der Bäcker wohl beim Backen darauf gestreut hatte.
Es sah sehr lecker aus, und duftete noch besser. Gierig nahm ich es in die Hand, und riss ein Stück davon ab.
Genau wie ich erwartet hatte, war es knusprig von außen, und weich von innen.
Ich verschlang ein großes Stück und wollte mir gerade ein weiteres Genehmigen, als mir auffiel das ich großen Durst hatte.
Hm… überlegte ich. Woher sollte ich nun etwas zu trinken bekommen.
Zu Hause wäre ich einfach an den Kühlschrank gegangen, aber hier gab es weit und breit keinen Kühlschrank. Und auch keinen Wasserhahn. Ich war zu Hause auch nicht immer wählerisch.
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