“Was ist?” fragte Arthur als wir schon den halben Weg von den Stallungen bis zu dem großen Hauptgebäude zurückgelegt hatten.
“Ich weiß gar nicht was du meinst” gab ich ehrlich zurück. Erst jetzt viel mir auf das ich wohl ein breites Grinsen auf dem Gesicht trug.
Einige wenige Männer und Frauen, meist in schmutzigen Gewändern gehüllt, nicht ganz so armselig und schmutzig wie die Gewänder außerhalb der Burg, aber beinahe, sahen uns misstrauisch an.
“Hör auf zu grinsen” zischte mich Arthur an, doch als ich immer noch nicht aufhören konnte riss er abermals an meinem Arm und zog mich in einen kleinen Unterstand zur Seite.
“Hey, was soll das?” fragte ich als er anfing meine Schuhe und meine Hose mit Schmutz zu beschmieren.
Er sah sich kurz um, und zog dann ein langes Lumpen Gewand aus einer übelriechenden Ecke hervor und hielt es mir hin.
“Hier zieh das über” sagte er kurz und sah sich um ob uns andere Leute sahen.
Allerdings waren wir durch einen Wagen, und ein paar Strohballen vor den ohnehin nur wenigen Leuten verdeckt.
“Häh? Was? Nein, das zieh ich nicht an. Und war zum Teufel hast du mit meinen Klamotten gemacht?” fragte ich nun etwas ungehalten. Empört betrachtete ich die Flecken auf meiner Hose und meinen Schuhen.
Ich malte mir bereits aus was meine Mutter zu diesen vollkommen verdreckten Kleidungsstücken sagen würde.
“Wir haben jetzt keine Zeit Tom” sagte er ungehalten. Du fällst durch deine Art sowieso schon genug auf.”
Ich sah ihm verständnislos in die Augen. “Was meinst du mit meiner Art? Was soll denn daran nicht stimmen?”
“Na zum ersten” sagte er und begann aufzuzählen. “Du sprichst mich mit dem Vornamen an. Das tut hier niemand. Schon gar kein kleiner Junge” sagte er und hielt einen Finger in die Höhe.
“Zweitens sehen deine Kleidung und deine Schuhe viel zu Modern und zu gut aus” sagte er und hielt einen weiteren Finger in die Höhe.
“Solange wir hier sind muss ich dich verstecken” sagte er. “Der Drache vorhin war nicht das schlimmste was uns hier droht” sagte er und sah sich abermals nach etwaigen Zuhörern um.
“Wir müssen immer noch auf der Hut sein Also bitte Tom, mach was ich dir sage, und zieh da an” sagte Arthur und hielt mir die Lumpen hin.
Ich roch kurz an dem mit dargebotenen Stück Stoff, es stank fürchterlich, aber ich zwängte mich dann doch hinein.
“Ach so, und Kinder in dieser Zeit Lachen nicht. Und Grinsen tun sie auch nicht” fügte er mit Blick auf mein neuerlich aufflackerndes Lächeln hinzu.
“Versuch dich zusammen zu reißen während ich daran arbeite wie wir schnellstmöglich wieder von hier wegkommen Tom” sagte er und sah auf die Apparatur auf seiner Brust.
Neu eingekleidet setzten wir unseren Weg in Richtung des Hauptgebäudes fort.
Zunächst fiel es mir schwer durch den bestialischen Gestand der jetzt von mir ausging überhaupt etwas zu atmen. Arthur hatte es nicht dabei belassen nur meine Kleidung zu beschmutzen, sondern auch noch meine Wangen und meine Stirn mit Dreck verschönert.
Für einen kurzen Moment hatte ich ernsthaft darüber nachgedacht ob ich wissen wollte woraus dieser Dreck auf dem Boden bestand.
Aber ich entschied mich dagegen. Manchmal musste man einfach nicht alles Wissen.
Zu meinem Glück, wenn man von Glück überhaupt sprechen konnte, ließ der Gestank nach ein paar Minuten etwas nach. Arthur erzählte mir später dass der Geruch keineswegs nachgelassen hatte, und das ich immer noch wie ein verendetes Wiesel riechen würde, aber da ich ohnehin nichts daran ändern konnte, entschied sich der Körper dafür den Gestank zu ignorieren oder auszublenden.
Im Grunde genommen war es mir einerlei.
Wir erreichten das Hauptgebäude und gingen durch einen steinernen Durchgang und passierten eine massive Tür mit dunklen Metallbeschlägen.
Im Jahr 2019 hätte solch eine Tür sicherlich in ein Museum gehört dachte ich, und musste direkt darauf ein Grinsen unterdrücken.
Wenn man genau bedachte, überlegte ich gehörte hier alles in ein Museum. Wenn man es noch genauer nehmen wollte auch Arthur und ich. Zumindest in der jetzigen Aufmachung.
Wir betraten einen großen Eingangsbereich von dem verschiedene Treppen nach oben und hinab weiter führten.
Zu meiner Rechten sah ich einen großen Saal der Menschen leer zu sein schien.
Auf der anderen Seite war ein Raum hinter einer ebenso massiven Tür verborgen.
“Wow” sagte ich ehrfürchtig und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Die Fenster über uns, und an den Seiten des großen Saals rechts von uns warfen buntes Licht durch die vielen Buntglasfenster hinein, und durchfluteten den Raum mit diesem Zauber.
“Kannst du wohl sagen” murmelte Arthur stolz. Tom sah zu ihm auf, und erkannte dass er ein breites Grinsen zur Schau trug.
Dann, mit einer weit ausladenden Geste sagte er: “Willkommen in meinem Zuhause. Meinem richtigen Zuhause.”
“Hört, hört, euer Zuhause verehrter Gemahl?”
Eine weibliche Stimme drang von den vor uns liegenden Treppenstufen herab.
Instinktiv wandte ich meinen Blick in diese Richtung. Dort, knappe fünf Meter von uns entfernt stand eine wunderschöne Frau in gold-gelben Gewand und schaute zu uns hinunter.
Aber in ihrem Blick lag etwas Geheimnisvolles.
War sie amüsiert? überlegte ich, fand aber direkt dass es das nicht ganz traf.
Wenn man es von ihrem Standpunkt betrachtete konnte man das vielleicht sogar verstehen.
Ein ältere Mann, in einem Bettlaken gehüllt, und ich in diesem Kartoffelsack. Wir mussten beide stinken, und erbärmlich aussehen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl das es ihr darum nicht ging.
Langsam kam die Frau die Treppenstufen hinab. Ihr langes, kastanienbraunes Haar hatte sie zu einem langen Zopf geflochten, der ihr locker über die Schulter hing.
“Guinevere” sagte Arthur fast tonlos und starrte sie an.
Ich sah ihren misstrauischen Blick und gab ihm einen kurzen Rempler der mir fast mehr weh tat als ihm. Woraus bestand der Kerl? Eisen?
Dennoch schien der Rempler den gewünschten Effekt zu haben. Artur wandte sich kurz mir zu und dann wieder der schönen Frau.
“Guinevere, eure atemberaubende Schönheit hat mit mir gerade genau jenes gemacht.
Es hat mir den Atem und auch die Stimme verschlagen.
Ihr verzeiht einem alten Mann doch?” sagte er und trat einige Schritte auf sie zu. Sie reichte ihm ihre Hand, und er küsste sie sanft.
Sie schien ihm verziehen zu haben.
“Ich denke das hier ist mehr mein Heim, als das eure” sagte sie, “so selten wie ihr hier erscheint”
Artur machte eine entschuldigende Geste in der er den Kopf leicht schräg stellte und sie anlächelte.
“Und wer ist dieser Stallbursche den ihr mir hier hereingebracht habt liebster Gemahl?”
Sie wies mit einem angeekelten Finger in meine Richtung, und wieder brauchte Artur etwas bis er verstand was sie sagte.
Es war beinahe so als ob er wirklich von ihr so fasziniert und abgelenkt war dass er ihr nicht zuhörte.
“Ach so” sagte er schließlich als er ihrem Finger folgte und mich sah.
“Ähm…”sagte er nachdenklich. Dieser kühne Junge hat mir geholfen gegen den Drachen zu bestehen.
Bei der Erwähnung des Wortes Drachen blickte sie beinahe erschrocken rein.
“Ich habe ihn mit hinauf genommen um ihm zur Belohnung an meiner Tafel speisen zu lassen”
Sie zog wieder verächtlich eine Augenbraue hoch, und Artur versuchte sie schnell wieder zu beruhigen.
“Er ist nur ein armer Bauer, und morgen ist er wieder weg. Ich wollte ihm vor dem Mahl noch Merlin vorstellen”
Merlin? überlegte ich. Den Namen hatte ich einmal gehört, aber wo?
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