Der Naturwissenschaft.
Es hatte mittlerweile zu regnen angefangen, und ich versuchte die Regentropfen an den Fenstern auf meinem Block zu skizzieren und den wahrscheinlichsten Lauf der Rinnsale vorher zu sagen beziehungsweise zu berechnen.
Alles eine Frage der Wahrscheinlichkeit, pflegte ich immer zu sagen wenn ich Artur oder Chiara davon erzählte und sie nur unverständlich den Kopf schütteln.
Für mich war es schön zu sehen wie sich manche Annahmen bewahrheiteten, und andere nicht. Das ließ mir den unerschütterlichen Glauben an das Zufällige im Universum bewahren.
Ich beobachtete also wie die Regentropfen auf die Scheibe trafen, und wie sie langsam an ihr hinab glitten.
Manche schlossen sich zusammen und bildeten dann einen breiteren Strom, andere versuchten es eine Zeit lang alleine.
Jemand rief meinen Namen und riss mich dadurch aus meine Gedanken.
“Tom” rief diese Stimme. Die Stimme war mir unbekannt, und doch faszinierte mich ihr lieblicher Gesang mit dem sie meinen Namen aussprach.
“Thomas. Komm zu mir” flötete die Stimmer erneut, und diesmal hatte ich keine andere Wahl als ihr zu folgen.
Ich schloss meinen Block und verstaute ihn in meinem Rucksack.
“Tom. Komm zu mir” hörte ich wieder diese wunderschöne Stimme. Ich sah mich kurz nach ihrem Ursprung um, konnte ihn aber nicht entdecken.
Lediglich die Richtung aus der die Stimme kam konnte ich grob einschätzen.
Sie kam von unten. Aus dem Keller. Er überlegte kurz, aber dort unten befanden sich eigentlich nur die Heizungsräume und einige Abstellflächen für ausgediente Möbel.
Ich hatte Artur einmal hierher gefolgt als dieser etwas aus seinem “Lager” genommen hatte.
Normalerweise verirrten sich keine Schüler hierher.
“Och Tom, komm doch zu mir” sagte diese Stimme Glockenhelle Stimme erneut, und diesmal klang sie reizvoller als zuvor.
Die Stimme war eindeutig das eine junge Mädchen, und irgendetwas an ihr beruhigte ihn aus eine nie dagewesene Art und Weise.
Heute denke ich, es war ihr melodischer Klang. Fast wie bei einem Liebeslied, das mich so anzog.
“Komm doch zu mir Tom” flirtete die Stimme erneut, und diesmal konnte ich nicht anders.
Wie hypnotisierte folgte ich ihre Aufforderung und ging in den Keller hinab.
Hier unten war es sehr dunkel, und ich brauchte einen Moment um mich zu orientieren.
Der Keller war zwar für die Schüler nicht verboten, allerdings verirrten sich nur wenige hier herunter, schließlich gab es hier unten nichts zu entdecken außer Spinnweben und alten Möbeln. Doch an diesem Tag war es irgendwie anders.
Die Treppe endete an einem kurzen Flur von dem ein Gang nach rechts und zwei Türen nach links ab gingen.
Hinter der einen verbarg sich die Werkstatt des Hausmeisters, Arthurs Werkstatt, hinter der anderen lag die Heizung, das zeigten die schwarzen Lettern auf der Stahltür an.
Aus Arturs Werkstatt konnte ich laute Geräusche hören. Er war sicherlich wieder irgendetwas am Reparieren. Ich hörte lautes Zischen, und dann Hammerschläge immer unterbrochen von lauter Radiomusik.
Für einen Moment kämpfte ich mit dem Gedanken an seine Tür zu klopfen, und ihn nach der lieblichen Stimme zu fragen.
Vielleicht hatte er das Mädchen gesehen das hier runter gelaufen war.
Es musste doch sicherlich hier vorbeigekommen sein, doch als ihre liebliche Stimmer erneut erklang war der Gedanke wie weggeblasen.
“Na komm schon Tom. Worauf wartest du denn?”
Plötzlich drängte sich ein anderer Gedanke an die Oberfläche.
Niemand außer mir sollte diese Stimme hören. Niemand außer mir sollte dieses Mädchen finden.
Wie mir später bewusst war empfand ich in diesem Moment Neid.
Niemand außer mir… dachte ich.
“Tom. So komm doch zu mir” ertönte die Stimme erneut, und ich setzte mich sofort in Bewegung.
Ich machte mir keinerlei Gedanken mehr. Alles was ich wollte war den Ursprung der Stimme zu finden.
Mit hastigen Schritten folgte ich dem kleinen Flur.
Hier wurde das Licht deutlich schlechter.
Die vielen Neonlampen die im Laufe der Jahre fast überall Einzug gehalten hatten, waren noch nicht bis in die Tiefen des Gemäuers vorgedrungen.
Mehrere einfache Glühlampen erhellten die Gänge, und warfen lange Schatten.
Ich war nun schon mehrere Meter gegangen ohne auch nur ein weiteres Wort von der mysteriösen Stimme zu hören. Langsam begann ich zu glauben alles das ich mir alles nur eingebildet hatte, und wollte gerade kehrt machen als die Stimme wieder meinen Namen rief.
Diesmal nur sehr viel näher.
“Komm schon Tom. Du bist fast da” sagte die Stimme und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer.
Also hatte ich sie mir doch nicht nur eingebildet , dachte ich befriedigt.
Ich folgte ihr noch um eine letzte Kurve dann sah ich den Ursprung der Stimme. Ich sah Sie.
Ein junges Mädchen, etwas in meinem Alter saß ganz am Ende eines schmalen Gangs auf einem kleinen Stapel Kartons.
Rückblickend fragte ich mich schon was das Mädchen in diesem Teil der Schule zu suchen hatte, oder warum ich sie nicht schon einmal in der Schule gesehen hatte, aber in diesem Moment spielten diese Gedanken keinerlei Rolle.
Sie war Jung, blond, und mit unglaublich langen Beinen die in engen Röhrenjeans steckten.
Sie hatte die Beine leicht schräg abgeknickt was sie fast wie ein perfektes Paar erscheinen ließ.
Das junge Mädchen lächelte mich an, während ich langsam näher zu ihr trat. Sie hatte tolle Zähne. So strahlend weiß. Beinahe etwas unwirklich. Für einen Moment erinnerte sie mich an die Models aus den Zahnpasta Werbungen, aber dieser Gedanke war schnell verschwunden.
“Da bist du ja endlich” sagte sie und streckte eine Hand nach mir aus.
“Na komm schon. Komm zu mir” flirtete sie, erneut mit diesem Zahnpasta Lächeln.
Mein Hals war wie ausgetrocknet. Selbst wenn ich etwas sagen gewollt hätte, wäre sicherlich nicht viel mehr als ein heiseres Krächzen heraus gekommen.
“Komm zu mir” sagte sie erneut und wedelte mit den schlanken Fingern ihrer linken Hand in meine Richtung. Ich streckte ebenfalls meine Finger nach ihr aus. Mein Herz schlug schneller, und aus meine Drüsen sprühten die Hormone nur so heraus.
Ich merkte wie sich etwas in meiner Hose regte, und erörterte augenblicklich.
Was soll ich sagen, ich begehrte sie.
Egal was sie von mir verlangte, ich würde es tun.
Dann fiel mein Blick auf etwas leicht oberhalb ihres rechten Ohres. Ich sah hin, und entdeckte eine Person am Ende des Gangs. Die Person trug eine dunkle Kapuze die den oberen Teil ihres Gesichts verdeckte. Nur ihre zu einem breiten Grinsen gebleckten Zähne waren sichtbar.
Wer war das? dachte ich verwirrt, und blieb stehen.
Misstrauisch starrte ich auf die Person und merkte nicht wie das Mädchen mit dem unbeschreiblichen Lächeln ihre Finger immer weiter nach mir ausstreckte.
“Komm zu mir Tom. Vergiss ihn. Hier zähle nur ich” sagte das blonde Mädchen und etwas tief in mir drin wollte dass sie Recht hatte.
Ich wollte das blonde Mädchen mit dem Zahnpasta Lächeln. Den anderen Kerl hatte ich schon wieder vergessen.
Ich streckte also die Finger nach ihr aus, und gerade als unsere Fingerspitzen nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, spürte ich einen harten Griff an meiner Jacke und wurde fast augenblicklich schnell nach hinten gezogen.
Verdutzt und auch ein wenig enttäuscht taumelte ich rückwärts ohne recht zu verstehen wie dies möglich war.
Ich bekam gerade noch mit wie ein scharfes Messer durch die Luft zischte und mich nur um Millimeter verfehlte.
Das Messer befand sich in der freien Hand des blonden Mädchens
Voll Entsetzen starrte ich auf die Klinge. Ich hatte sie die ganze Zeit nicht bemerkt. Und noch etwas anderes hatte ich nicht bemerkt.
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