Aus demselben Grund war ich auch gezwungen, die Umschrifttabelle als Grafik einzubinden. Als »richtige« Tabelle wäre es zwar hübscher gewesen, aber noch nicht einmal alle Reader/Programme, die ich selbst für die E-Book-Anzeige verwende, stellen die arabischen Schriftzeichen korrekt dar. Ich hoffe, mit dieser Lösung können Sie alles lesen.
Zusätzlich zur Umschrift sind nur noch vier weitere Besonderheiten bei der Darstellung der Namen zu beachten.
1) Wie der arabische Artikel »al-« funktioniert
Er kommt auch im persischen Sprachraum häufig in Namen vor. Vor bestimmten Buchstaben gleicht sich das l in der Aussprache an diese Buchstaben an. Das geschieht zum Beispiel vor dem t und dem d (al-Dîn spricht man ad-Dîn), vor dem s, dem sch und dem z (al-Zawâhirî spricht man az-Zawâhirî) usw. Im Deutschen schreiben wir das in der wissenschaftlichen Umschrift auch so, im Englischen bleibt das l im Artikel stehen. Ich halte mich hier an die deutsche Methode, denn sie erleichtert die richtige Aussprache.
Wenn ein Vokal direkt vor dem »al-« steht, dann fällt das a weg, und wenn es ein langer Vokal ist, so wird er gekürzt. In der deutschen Umschrift kann man dann einfach nur das »l-« stehenlassen. So ein Beispiel ist der Name Abo l-Fazl. Er ist zusammengesetzt aus »Abû« und »al-Fazl«. Das lange û wird verkürzt zu u und auf persisch o ausgesprochen (s. 2) und der Artikel »al-« wird zu »l-«. Deshalb heißt es zum Beispiel Bo l-Fazl (verkürzt aus Abo l-Fazl), aber Bû Nasr (kein Artikel, also keine Verkürzung des û).
2) Wieso arabische Namen auf persisch anders ausgesprochen werden
Im Persischen werden viele Laute des arabischen Alphabets in der Aussprache vereinfacht oder verändert. Persisch ist eben eine indogermanische und keine semitische Sprache. Das heißt, sie ist mit dem Deutschen verwandt und mit dem Arabischen nicht.
Besonders auffällig ist das, wenn Konsonanten oder Vokale verändert werden. So heißt Abo l-Fazl in arabischer Aussprache Abu l-Fadl. Das kurze arabische u wird im Persischen zu o, das kurze arabische i zu e. Weil die persische Aussprache für uns einfacher ist und ich viele Namen direkt aus dem persischen Geschichtswerk zitiere, um das es hier geht, richte ich mich mit der Umschrift nach der modernen persischen Aussprache, wie sie in Iran verbreitet ist. Wichtige Namen führe ich meistens bei der ersten Nennung im Text zusätzlich in der arabischen Schreibweise an. Abo l-Fazl-e Beyhaqî heißt auf arabisch übrigens Abu l-Fadl al-Baihaqî.
Wer einen Überblick über die Aussprache und Umschrift bestimmter Buchstaben im Arabischen und Persischen bekommen will, kann sich die Tabellen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft dazu anschauen. Man findet sie auf den meisten Webseiten islamwissenschaftlicher Institute. Versuchen Sie etwa diesen Link hier: http://www.ruhr-uni-bochum.de/imperia/md/content/orient/dmg-regeln.pdf. Ich hoffe, er funktioniert noch, wenn Sie ihn aufrufen.
3) Wie arabische Namen funktionieren
Der Buchstabe »b.« mitten in einem Personennamen ist eine Abkürzung für »ibn«. Das bedeutet »Sohn von«. Eine solche Namenskette ist zum Beispiel: 'Alî b. Zeyd im ersten Kapitel. Der Mann heißt also »'Alî, Sohn des Zeyd«.
Namensbestandteile mit »Abû/Abo l-« bedeuten »Vater von«. »Abo l-Fazl« heißt also »Vater von al-Fazl«. Allerdings wartete man im 11. Jahrhundert meistens schon nicht mehr ab, bis ein Mann einen Sohn bekam, um dessen Namen einzusetzen, sondern man gab bereits den Jungen passend erscheinende Namen dieses Typs.
Namensbestandteile, die auf »od-Doule« (»der Dynastie«) oder »ed-Dîn« (»der Religion«) oder ähnlich enden, sind Ehrentitel, die ursprünglich vom Kalifen verliehen wurden.
Am Ende des Namens stehen meist Herkunfts- oder Berufsbezeichnungen wie »der aus Bagdad« (al-Baghdâdî), »der vom Stamm der Kinda« (al-Kindî) oder »der Grammatiker« (an-Nahwî).
Ein traditioneller arabischer Name - und solche Namen waren auch im persischen Sprachraum üblich - bestand daher aus folgenden Teilen:
(Ehrentitel) + »Vater des X« + Eigenname + »Sohn des Y« (evtl. weitergeführt mit »des Sohnes von Z, des Sohnes von...«) + Herkunfts-/Stammes-/Berufsbezeichnung mit der Endung -î
Beispiel: Zahîr ed-Dîn (Ehrentitel) Abo l- Hasan (Vater al-Hasans) 'Alî (Eigenname) b. Zeyd (Sohn des Zeyd)-e Beyhaqî/al-Beyhaqî (Herkunftsbezeichnung)
4) Die persische ezâfe-Verbindung
Das ist ein angehängtes »-e« oder »-ye« wie oben in Zeyd-e Beyhaqî. In arabischen Namen kann es das »ibn« und den arabischen Artikel »al-« ersetzen. Deshalb heißt Abo l-Fazl al-Beyhaqî in persischer Lesart Abo l-Fazl-e Beyhaqî. Das »ibn« läßt man aber oft (abgekürzt als »b.«) stehen, weil das klarer ist. Das persische angehängte »-e« oder »-ye« kann nämlich auch ein Attribut an ein Substantiv anhängen oder eine Genitivverbindung herstellen. Das kann zu Verwirrung führen.
Die meisten Islamwissenschaftler benutzen diese persische Besonderheit gar nicht, wenn sie Namen umschreiben. Stattdessen verwenden sie das arabische »ibn« und den Artikel »al-«. Das kann der größeren Klarheit dienen oder daran liegen, daß die am Arabischen orientierten Islamwissenschaftler das Einfügen der ezâfe nie als Standard eingeführt haben.
Weshalb Kleinasien zur Türkei werden konnte und was das besondere an Abo l-Fazl-e Beyhaqîs außergewöhnlichem Geschichtswerk ist
Den wenigsten Menschen ist bewußt, daß im Jahr 1040 im Nordosten des damaligen Iran eine Schlacht ausgetragen wurde, deren Ausgang die politische und kulturelle Landkarte langfristig verändert hat. Weil der Seldschuke Toghril mit seinen nomadischen Turkmenen diese Schlacht gegen die Truppen Mas'ûds aus der persianisierten turkstämmigen Dynastie der Ghaznaviden gewonnen hat, stand ihm der Weg weiter nach Westen offen. So kamen die Türken schließlich in die Türkei. Oder vielmehr: So wurden die Weichen dafür gestellt, daß aus Kleinasien die Türkei werden konnte. Ohne diese im vollen Wortsinne bahnbrechende Schlacht nahe bei dem Ort Dandânqân könnte unsere Welt also heute anders aussehen.
Natürlich ist ein solches Gedankenspiel für Historiker problematisch. Die Frage: »Was wäre gewesen, wenn…?« läßt sich wissenschaftlich nicht beantworten. Dazu müßte es nämlich möglich sein, die Antwort zu überprüfen. Doch wer kann schon wissen, was gewesen wäre, wenn…? Jedes Ereignis beruht auf so vielen unterschiedlichen großen und kleinen Voraussetzungen und Geschehnissen, daß man sie nie alle überblicken kann. Also kann man auch nicht wissen, was passiert wäre, wenn eines dieser Elemente weggefallen und durch ein anderes ersetzt worden wäre. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die man durchspielen müßte.
Man kann also darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn… Aber man kann nicht überprüfen, ob eine mögliche Antwort richtig oder falsch ist. Andererseits wimmelt die Geschichtsschreibung von Schlachten, Ereignissen und Situationen, die als Wendepunkte oder als Gründe für neue Entwicklungen gelten. Und wenn ein bestimmtes Ereignis tiefgreifende Folgen gehabt und wichtige Veränderungen in Gang gebracht haben soll, dann heißt das im Umkehrschluß, daß die Geschichte ohne dieses Ereignis anders verlaufen wäre. Sobald man also Einschätzungen vornimmt, setzt man immer eine Überlegung zu der Frage »Was wäre gewesen, wenn…?« voraus. Genau so eine Einschätzung habe auch ich vorgenommen, als ich zu Beginn dieser Einleitung geschrieben habe, der Ausgang der Schlacht von Dandânqân im Jahr 1040 habe die politische und kulturelle Landkarte verändert. So gesehen, ist es nicht abwegig, daß sich manche Historiker auch mit der Frage »Was wäre gewesen, wenn…?« beschäftigen. Man nennt das »kontrafaktische« oder »virtuelle« Geschichte.
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