Immerhin haben wir heute eindeutig mehr Sensibilität für unbewusste und unsichtbare Strömungen als früher und damit wächst auch die Chance auf erfüllte Beziehungen. Viele sind mehr oder weniger unbewusst der Ansicht, in einer Partnerschaft gehe es darum, wer schafft wen zuerst, wie mein Lebensberaterlehrer Georg F. Bourek zu sagen pflegte. Also um Macht, wer oben und wer unten ist, und zwar nicht nur beim Sex.
Der andere wird zum Feind, den man bekämpfen und gegen den man sich behaupten muss, um nicht unterzugehen. Dass sich das Gegenüber als Mogelpackung entpuppt, wird dabei regelrecht erwartet. Stellen wir es umgekehrt auf ein Podest, was am Anfang einer neuen Beziehung häufig praktiziert wird, dann ist ebenfalls keine gleichwertige Beziehung möglich.
Es gibt ebenso Leute, die mehr oder weniger absichtlich Partner und Partnerinnen wählen, die kleiner, im Sinne von geringer, sind als sie selbst, weil sie sich dann aufgewertet fühlen. Dass so keine Nähe entstehen kann, ist logisch, wenn man sich den Größenunterschied bildhaft vorstellt. Solche und ähnliche fixen Vorstellungen zerstören mehr Beziehungen als alles andere, weil wir uns entsprechend verhalten, worauf andere Ergebnisse kaum kaum möglich sind. Wir erzwingen damit eine bestimmte Reaktion, eine, die vertraut ist. Alles andere existiert für uns nicht.
Verzicht auf Beziehungen und Bindungen ist keine Lösung. Das hätte katastrophale Auswirkungen auf uns, unsere Entwicklung, auf unser Leben. Wir könnten uns nicht spüren, könnten nicht wahrnehmen, wie unser Denken funktioniert, bewusst machen, welche Gefühle und Ansichten wir haben. Kurz gesagt, wir wüssten nicht, wer wir sind, ohne Nähe zu anderen Menschen.
Die wahre Lösung unserer Beziehungsprobleme liegt darin, diesem Unsichtbaren und Unbewussten von uns selbst auf den Grund zu gehen. Dazu brauchen wir einerseits die Reaktionen von anderen auf unsere unbewussten Verhaltensweisen. Außerdem ist ein Gegenüber nötig, damit Gefühle fließen, können, weil wir sie nur wahrnehmen können, wenn sie sich bewegen.Wir merken sonst nicht, was uns im Inneren unbewusst bewegt und beeinflusst. Je näher uns nun jemand kommt, umso tiefere emotionale Schichten berührt er. Wer also glaubt, allein glücklicher oder zumindest zufriedener zu sein, stelle sich doch einmal vor, auf einer einsamen Insel zu leben, ohne Mitmenschen und Tiere, ohne Handy, ohne irgendeine Möglichkeit des Austauschs.
Was zunächst wie der ersehnte Friede aussieht, entpuppt sich sehr bald als tödliche Isolation und Einsamkeit. Man wird schrullig und wirr im Kopf, entwickelt eigenartige Verhaltensweisen. Es geht nicht ohne Austausch, man kann auf Dauer nicht nur mit sich selber reden, ohne Schaden zu nehmen. Robinson Crusoe erging es so, Tom Hanks im Film „Cast away“ ebenfalls. Ebenso wenig genügen oberflächliche Kontakte. Es liegt keine Befriedigung darin, übers Wetter, Essen, über Hobbys zu reden, außer man ist von Beruf Wetterfrosch oder Koch. Doch, immer noch besser solche Beziehungen als gar keine.
Unser Liebesglück liegt viel mehr in unseren Händen als uns bewusst ist, obwohl die meisten von uns nach dem Motto leben: „… denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Einen Vorstoß in diese Richtung hin zu mehr Bewusstsein will ich mit diesem Buch erreichen. Es geht darin nicht um wissenschaftliche oder psychologische Abhandlungen, vielmehr um Schwingung, um Hintergründe und Zusammenhänge, darum, hinter den Schein zu blicken, falsche Vorstellungen aufzudecken. Und vor allem darum, zu inspirieren. Neue Bilder lösen die alten fixen Vorstellungen auf und sorgen für eine andere, liebenswertere Realität, nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich.
Außerdem hat dieses Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, das Thema ist so komplex, es lässt sich endlos weiterspinnen.
1. Jeder braucht Gesellschaft
2. Was heißt denn da eigentlich „Beziehung“?
Jeder braucht Gesellschaft
Menschen, die sich isolieren, verlieren also nicht nur den Bezug zur Außenwelt, sondern auch zur Realität und zu sich selbst. Sie können ihr Verhalten weder erkennen noch korrigieren, weil es am Feedback fehlt.
Wir funktionieren füreinander wie ein Spiegel, der uns aber nicht, oder nicht nur, Auskunft gibt, ob die Frisur sitzt, ob uns die Kleider stehen. Das wüssten wir ohne den Spiegel an der Wand auch nicht. Dieser „Spiegel“ zeigt, wie wir uns im Leben verhalten, den Umgang mit anderen und mit uns selbst, Talente und Fähigkeiten. Er zeigt, was wir von uns nicht oder noch nicht sehen können oder wollen.
Was sich im Inneren bewegt, was wir denken und fühlen, ist für uns wie gesagt unfassbar und unbewusst ohne die Reaktionen anderer. Durch den Kontakt mit anderen können nicht nur sie hören, was wir denken und fühlen, wir können es auch. Sie lösen uns Gefühle aus, die wir dadurch überhaupt erst spüren können. Wir wüssten sonst nicht, dass sie da sind. An der Art unseres Umfelds widerspiegelt sich, wie wir denken, unsere Mentalität. Verändert sich letzteres, ändert analog dazu das Umfeld, oder wir nehmen es zumindest anders wahr.
Wir entdecken plötzlich Leute, die für uns bisher unsichtbar waren, oder altbekannte Gesichter zeigen neue Züge. Hier liegt der Schlüssel zur Veränderung und Verbesserung von Lebensumständen. Andere Menschen inspirieren uns, ihr Wissen vermehrt unser Wissen und umgekehrt. In der Gesellschaft von Leuten, die wir mögen, fühlen wir uns verstanden, geborgen, zugehörig. Und das ist noch lange nicht alles. Es gibt zahllose Gründe, die dafür sprechen, sich einzulassen, wenn auch nicht auf alles und jeden.
Nicht die Menge an Beziehungen ist dabei maßgebend, sondern Qualität, Intensität und Tiefe. Einzelnen sollten wir nahe kommen, weil ohne Nähe keine Liebe entsteht, und ohne Liebe ist das Leben weder lebens- noch liebenswert.
Wir können übrigens jederzeit in jedem Alter und unter allen Umständen neue Kontakte knüpfen und Beziehungen, auch Liebesbeziehungen, eingehen. Nur wollen wir das oft nicht. Wir halten andere lieber auf Distanz, weil wir verletzt worden sind, oder weil wir uns in irgendeiner Weise als unattraktiv oder nicht liebenswert empfinden. Außerdem verlangt das Knüpfen von Kontakten, dass wir aktiv werden und die Initiative ergreifen. Wir müssen aus dem Haus gehen, uns unter die Leute mischen und jemanden ansprechen oder wenigstens die Bereitschaft zeigen, uns ansprechen zu lassen.
Was, wenn wir abgewiesen werden? Dann machen wir uns lächerlich. Lieber wäre es uns, wenn uns der Briefträger jemand nach Hause brächte. Zur Not tut es auch der Briefträger selbst. Für ältere Leute ist der Briefträger oft die letzte Beziehung zur Außenwelt. Sie haben nicht mehr die Kraft und den Mut, neue Kontakte zu knüpfen, während die alten Beziehungen und Bindungen langsam von der Bildfläche verschwinden.
Da andere ein Spiegel für unser unbewusstes Verhalten sind, muss der Spiegel genau das tun, was wir tun und unterlassen, was wir nicht tun. Das heißt, gehen wir auf andere zu, kommen sie uns entgegen. Gehen wir auf Distanz, kommt niemand. Der Spiegel zeigt unbestechlich die Wahrheit, er kann nicht lügen. Woran das Knüpfen von Kontakten, das Finden von neuen Partnern oder Partnerinnen oft scheitert, ist weder ein Mangel an Subjekten (bei so vielen Milliarden von Menschen auf der Welt?), noch mangelndes Interesse anderer an uns. Es scheitert an unseren fixen Vorstellungen, in Bezug auf uns und andere, an unbewussten Ängsten und Zweifeln. All das steht zwischen uns und anderen.
Und sehr oft liegt es an mangelnder Übung. Je länger wir keine Kontakte geknüpft haben, umso schwerer tun wir uns damit, auf andere zuzugehen. Das Thema wird immer fremder, die Angst vor den anderen analog dazu größer.
Doch:
Was heißt denn da eigentlich „Beziehung“?
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