Er erreichte die Seitengasse, in die sie eingebogen war und rannte weiter die kleine Gasse hoch, bis er aus der Weite ihre brünetten, lange Haare sehen konnte und ihr hinterherrief, dass sie stehenbleiben soll. Sie blickte sich um, hielt für einen Moment inne und beinahe sah es so aus, als wollte sie warten. Als ob irgendetwas sie daran hinderte, einfach fortzulaufen. Doch als Finn bedrohlich näher kam, ergriff sie die Flucht. Dabei warf sie sein Portemonnaie auf den Boden, um ihn aufzuhalten. Das klappte. Finn, der schon außer Atem war, stoppte, hob seine Geldbörse auf und bemerkte, dass zwar seine Ausweispapiere noch alle vorhanden waren, nicht aber das Geld, das er zuvor abgehoben hatte. Immerhin gut und gerne um die 1.500 Schweizer Franken, die nun einfach den Besitzer gewechselt hatten. Er blickte sich um, doch die junge Frau war bereits nicht mehr zu sehen. Schnellen Fußes rannte er noch ein wenig weiter die Straße rauf, jedoch ohne Erfolg. Er war außer Atem, sein Herz raste. Wobei ihm nicht bekannt war, was ihm mehr Sorgen bereitete. Der Abhandenkommen von 1.500 Franken, dessen Verlust er ohne weiteres verkraften konnte, oder das sich die junge bezaubernde Schönheit am Ende nur als einfache Taschendiebin erwies. Letzteres würde genau dem Typ Frau bedeuten, dem Finn immer wieder begegnet. Es sind immer die falschen Frauen.
Als er wieder in seinem Hotelzimmer angelangt war, eine Dusche genommen hatte und nun wieder einigermaßen gefasst auf dem Hotelbett saß, erinnerte er sich an Gosia. Vor etwa einem Jahr hatte er sie in London kennengelernt. Eine junge, dunkelhaarige Frau aus Polen, die ihm den Kopf verdreht hatte. Beinahe hätte er sich mit ihr eine Zukunft vorstellen können. Alles war scheinbar perfekt, als sie ihm verriet, dass sie schwanger wurde. Doch dann kam es zu Komplikationen. Sie verlor das Baby. Finn gab ihr viel Geld für die Behandlungen und Untersuchungen. Er war damals in Trauer, immerhin hatte er sein Baby verloren. Doch nur kurze Zeit später stellte sich heraus, das Gosia gelogen hatte, gar nicht schwanger und nur darauf bedacht war, an sein Geld zu bekommen. Als er zwei Wochen später von der Arbeit heimkam, Gosia wohnte bereits bei ihm, durchfuhr ihn ein komisches Gefühl. Er öffnete die Tür und alles erschien so steril. Alle Bilder von ihr, ihre persönlichen Sachen waren verschwunden. Nicht nur die Sachen. Sondern auch Gosia. Mit ihr auch ein größerer Barbetrag, den er immer als Notreserve in seiner Wohnung aufbewahrte. Diese ganze Geschichte kam ihm nach dem heutigen Erlebnis wieder hervor und ein Zaudern durchlief seinen Körper. Er haderte noch auf dem Weg zum Hotel, ob er sie anzeigen sollte. Er nahm dann aber doch Abstand, schließlich waren seine Papiere alle wieder da und wegen 1.500 Franken lohnte sich der unnötige Aufwand nicht. Er musste sich eingestehen, dass er zum Zweiten Mal auf eine Frau reingefallen war und wollte das Thema damit für sich abschließen.
2 Stunden blieben ihm noch, bevor sein Geschäftstermin anstand. Ideal, um sich von den Geschehnissen des Tages abzulenken. Er wählte für das Meeting, das nur etwa 15 Minuten entfernt vom Stadtzentrum in einem Gewerbegebiet stattfinden sollte, einen feinen Zwirn und eine dunkle Krawatte aus. Pünktlich gelangte er zu dem Bürogebäude. Vor dem Bellevue wartete bereits ein netter Taxifahrer auf ihn. Ein Italiener im gesetzten Alter, der Finn mit tollen Anekdoten während der Fahrt unterhalten konnte und ihn so von den vorherigen Erlebnissen ablenkte. Beide lachten und amüsierten sich. Vor dem Bürogebäude wurde er zugleich von 2 Personen empfangen. Der Chef Egger und ein Manager, beide sprachen mit Berner Dialekt und stellten sich freundlich vor. Die Sonne zeigte sich bei diesem ersten Treffen von seiner besten Seite. In den Büroräumlichkeiten erstrahlte alles in trister Eintönigkeit. Alles war auf den Zweck hin eingerichtet, ohne eine persönliche Note und jeder Raum in dem 4 stöckigen Gebäude praktisch fast identisch ausgestattet. Mit dem Unterschied zum Konferenzraum, den alle nun betraten. Hier standen ein paar Pflanzen, wenn auch nur künstliche und an den Wänden fanden sich einige lüsterne Gemälde und sogar farbliche Höhepunkte, die in dem langen Raum interessante Akzente setzten, aber nicht zu verbergen mochten, dass sich in einer Ecke bereits ein fahrbarer Handwagen mit unzähligen Akten befand. Dokumente, die Finn bereits vor Abreise für seinen ersten Termin erbeten hatte. Doch an diesem Tag sollte es noch ruhig bleiben. Er wollte sich zunächst einen Eindruck von der Firma, den Managern und insgesamt den Geschäftsabläufen machen, bevor er in den nächsten Tagen und Wochen in die Materie eintauchen würde. So spannend die Beratung von Unternehmen für ihn auch immer war, bevor es dazu kam, mussten zunächst Tage-, Wochen- und manchmal Monatelang Akten durchgesehen, Bilanzen analysiert werden. Erst danach war überhaupt an eine Beratung zu denken. So würde es vermutlich auch in diesem Fall ablaufen.
Sein Aufenthalt im Hotel sollte nur für 2 oder 3 Tage andauern. Sein Londoner Unternehmen hatte bereits nahe dem Kunstmuseum in Bern eine geschmackvolle 2 Zimmer Wohnung in einer Jugendstil-Villa gefunden, von dem Finn einen traumhaften Blick auf die Aare genießen konnte. Genau richtig, um von dem stressigen Aktenstudium zu entspannen. Doch an diesem Abend und den nächsten beiden würde er zunächst im Hotel weiterhin nächtigen.
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