Und wenn man es als Frau doch in so einer Beziehung aushält, darf man von Glück reden, wenn man einen abgekriegt hat, der nach dem Akt, von dem Frau ohnedies nichts hat, es sei denn sie denkt währenddessen an eine andere Frau, nicht gleich schläfrig wird und sich in Löffelchen Stellung auf die andere Seite dreht und einem zum krönenden Abschluss in die Ohren schnarcht.
„Ich bin sie durch, die Männer, weißt du!“
Ronda beginnt zu lachen. Ihr Gesicht läuft rot an, während sie versucht ist, den Lachkrampf, der sie soeben einholt, abzustoppen. Doch es gelingt ihr nicht. Also lass ich Ronda lachen und weiß, dass sie ebenso denkt wie ich, aber erst durch mich die Möglichkeit erhält, sich genauer mit dieser vermaledeiten Materie auseinanderzusetzen. Ihr Lachen, das so gar nicht mehr aufhören will, scheint mir immer mehr ein Verlegenheitslachen zu sein. Und das versucht sie vor mir zu verbergen. Ronda denkt gleich und hat von den Männern auch längst die Schnauze voll. Aber das wird sie mir jetzt so wohl nicht verraten.
„Mit den Frauen läuft das irgendwie völlig anders“, erzähl ich weiter. Und Ronda beginnt sich mit fortschreitender Begeisterung auf ihrem bequemen Sessel zu räkeln. Sie räkelt sich immer, wenn es um Frauengeschichten geht, und ich ihr Einblick in intime Details verspreche.
„Ich will‘s mal so sagen, auch die Frauen darf man nicht alle über einen Kamm scheren, aber der prozentuelle Anteil an lesbischen femininen, sanften, aber auch der maskulinen Frauen ist, sagen wir mal, achtzig zu zwanzig. Achtzig für die femininen, sanften, maskulinen Frauen. Zwanzig für die Kampf-Lesben, die, die sich wie Männer gebärden und das Frau sein verachten. Bei den Männern ist das umgekehrt, deshalb findet man auch nur so wenige Frauenversteher, solche die wirklich gut sind. Egal bei was.“
Rondas Ausdruck um die Mundwinkel verändert sich verächtlich und wird zornig, als sie sagt: „Ja, die Männer glauben tatsächlich nur weil sie einen Schwanz haben, wären sie uns überlegen.“ Und ich staune nicht schlecht über diesen Ausbruch. Ich habe Ronda noch nie so reden gehört. So … derb.
Sie muss wohl Beziehungsprobleme haben.
Ronda lächelt mich intensiv und liebevoll an, während es in ihren Augen interessiert aufblitzt. „Und ja“, sagt Ronda jetzt, „wir alle haben diese beiden Seiten in uns, die sinnlich erotischen, lesbischen Anteile. Das ist ganz normal, dass man erotische Gefühle für sein Gegenüber hegt.“
Ich muss kurz und geschockt nachdenken. Aber ich widerspreche nicht, weil ich nervös werde bei dem, was Ronda soeben zu mir gesagt hat. Hat sie mir soeben über die Blume mitgeteilt, dass meine Wahrnehmungen in Bezug auf sie wahr sind? Mein Gott, hatte ich also doch recht. Ronda will sich auf meinen Schoß setzen? Damit muss ich erst mal umgehen lernen, und so wie es aussieht Ronda ebenfalls. Aber ich weiß, Ronda erzählt Bullshit. Ich empfinde nicht für jede Frau erotische Gefühle. Und sie sicher auch nicht. Gott bewahre mich auch davor, ich hätte mein Leben lang keine ruhige Minute mehr.
Ich bin aufgewühlt und erregt von Rondas Worten, und ich sehe schon, wohin mich diese ganze Geschichte nun wieder bringen wird. Und umso nervöser Ronda auf ihrem Stuhl um herrückt, desto eher besteht die Gefahr, dass ich wieder aus meinem Körper schlüpfe.
Und genau so ist es auch. Ich hänge ganz plötzlich wieder in der Luft. Interessiert schlüpfe ich jetzt rein in mich und dann wieder raus um nachzuprüfen, ob noch immer alles in bester Ordnung ist mit mir. Und da ich nichts Gegenteiliges fühlen kann, lasse ich meinen Körper lässig auf der Couch lehnen, während ich von oben herunterblickend, meinen Mundbewegungen folge, die ruhig und gelassen weiter erzählen.
Ronda bemerkt scheinbar nicht, dass ich schon wieder davongeflogen bin, und lauscht wissbegierig, ihre Blicke sehnsüchtig in die Ferne gleitend, meinen Worten. Ich frage mich aber dennoch, ob denn nicht auch Ronda soeben aus ihrem eigenen Körper herausgeschlüpft ist. So weggetreten wie sie mir vorkommt, könnte das gut sein.
„Frauen begegnen sich anders. Sie nehmen sich Zeit. Haben keinen Stress dabei, sich kennen zu lernen. Bei uns Frauen dreht sich ganz viel ums miteinander Reden, der anderen zuhören. Für uns Frauen ist das bereits ein Vorspiel. Und umso intensiver wir reden, desto prickelnder wird es. Wir Frauen zielen nicht auf den primären Akt ab, auf den sich die Männer spezialisiert haben. Der primäre Akt-Gedanke stört nur die Intimität, in die wir geraten, sobald wir uns aufeinander in offenen Gesprächen einlassen. Deshalb haben wir oft das Gefühl, zwischen Frauen geht es oft sehr subtil ab. Irgendwann kommen sich die Körper näher, berühren sich, umarmen sich. Aber meistens, und bei mir war das immer schon so, ist man geistig, seelisch, aber auch körperlich bereits so erregt, dass man es kaum noch aushalten kann, die andere nicht zu küssen. Und Frauen küssen anders. Ihre Lippen sind warm und weich, wollen alles erforschen. Wenn sich Frauen küssen, küssen sie sich lange und ausgiebig, und der Sex kommt dann ganz von allein. Da gibt es keinen Schusszwang, keine Eile. Eine Frau weiß einfach was einer Frau gefällt, sie muss nichts erst versuchen, denn wenn sie sich einlässt mit Haut und Haaren, ist sie schon bei dir, noch bevor du sie berührt hast.
Aber natürlich gibt es auch die anderen, die Kampf-Lesben, und so eine kann dir natürlich ebenso begegnen. Sie kann dir so wie mir in einer abgeschmackten Form einer sich in Funktion befindenden und machtausübenden Polizistin begegnen, die sich ihre Polizistinnen-Marke samt Image und harter Kanone im Halfter, als imaginäre Schwanzverlängerung an den Unterleib geschnallt hat.
Wegen so einer derben, hartherzigen, machtbesessenen, frauenverachtenden Irren, sitze ich ja auch hier bei dir, Ronda! Wie man also sieht, gibt es auch bei den Frauen solche, um die einen keiner beneidet.“
Ich beobachte Ronda und ich beobachte mich. Ronda hat sich ausgeklinkt, ist irgendwie in eine eigene Welt abgetaucht, die von meinen Worten genährt wird. Und ich bemerke wie ich soeben zurück in meinen Körper schlüpfe, dass Ronda und ich aus dem Schlamassel, in den wir uns hineinreden, nicht mehr so leicht herauskommen werden, es sei denn, Ronda hat sich bald wieder im Griff.
Ich schwöre, ich wollte Ronda jetzt nicht bekehren, denn sie lebt ja als Hetero-Frau in einer Beziehung, die wie ich glaube nicht mehr so recht passt. Aber alles kann man richten. Auch Rondas Lippen könnte man wieder in Form küssen, aber dazu müsste man sich sehr viel Zeit für sie nehmen. Ja, was eine Frau alles so sieht. Und Rondas Lippen hat schon lange kein Mann mehr richtig gesehen und Ronda weiß das auch. Ich nehme an, dass Rondas Ausbruch vorhin ihrem Freund galt und dass sie mir damit bloß bestätigte, was ich ihr erzählte. Wir waren uns also wieder einmal einig, Ronda und ich.
Ich bin kein Männerhasser, wie könnte ich mit drei Söhnen? Aber ich erziehe sie nicht, sofern das überhaupt geht, nicht erziehen. Ich lebe ihnen einfach gesunden, modernen, emanzipierten Feminismus vor und zeige ihnen, wie wichtig es ist authentisch zu leben. Was für uns Frauen in einer männlich dominierten, einseitigen Welt nicht ganz so einfach ist. Das macht meine Söhne allesamt zu Frauen-, aber vor allem Menschenverstehern. Und meine Jungs, das weiß ich mit Sicherheit, werden wenn sie mal groß sind, bestimmt zu den Ausnahmemännern gehören, nach denen sich die Heten, sofern es dann noch welche gibt, alle zehn Finger ablecken. Womit ich schon wieder beim Lecken wäre, aber darauf möchte ich jetzt nicht mehr näher eingehen. Ich denke eben, dass letztendlich alles im Leben zum Weiblichen zurückkehren will, und sicher nicht zuletzt deswegen, weil alles aus dem Weiblichen heraus erst entsprungen ist.
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