Ronda provoziert mich, genau diese animalischen Anteile in mir hervortreten zu lassen. Was heißt lassen? Sie zieht sie mit dicken Seilen geradezu aus mir heraus. Ich glaube, dass Ronda genau das in mir sehen will. Sicher aus therapeutischem Interesse, aber viel mehr noch, so glaube ich zu fühlen, treibt sie ein persönlich gesteuerter Impuls, ihre eigenen, sich aufdrängenden Anteile zu finden. Direkt durch mich hindurch. Und wenn Therapie bis zu einem gewissen Grad zwischen Klientin und Therapeutin befruchtend sein kann … Oh Mann, wie sich das schon anhört … die Therapeutensprache ist wirklich gewöhnungsbedürftig, so muss ich feststellen, dass ich es gerne sehen würde, wenn Ronda und ich uns gegenseitig befruchten und dadurch gemeinsam runder werden.
In den Sitzungen versuchen wir herauszufinden, woran es bei mir hakt. Mir ist klar, dass ich ein Problem mit Machtmissbrauch habe, und Ronda ist klar, dass ich mit vorgegebenen Grenzen nicht zurecht komme. Aber gemeinsam wissen wir, ich bin ein geschundener Mensch, der sich nicht mehr schinden lassen will. Wir rühren in dem Teig, der uns beiden arg an den Fingern kleben bleibt und finden uns immer wieder in Themen wieder, die mich sofort aus meinem Körper treiben.
Zum Beispiel fällt mir auf, dass sich Rondas Praxisraum ständig verändert und nicht seine Form behält, sobald ich ihn aus allen Winkeln von oben herab begutachte. Und wenn ich mich nach einer Sitzung mit ihr daran erinnern will, wo genau ich und wo sie gesessen hat, wundere ich mich ständig darüber, dass ich an Plätzen sitze, die es in ihrer Praxis gar nicht gibt. Und das ist irgendwie unheimlich. Ich habe begonnen vorab ein Gefühl dafür zu bekommen, welchen Platz Ronda beim nächsten Mal einnehmen würde. Und meistens stimmte meine Eingebung. Ich achte genau darauf, sobald ich die Praxis betrete, an welchem Platz am Sofa ich mich setze, um danach, sollte ich wieder aus meinen Körper fahren, die Orientierung nicht zu verlieren. Ich achte auf Zuverlässigkeit und Genauigkeit in der Übung zwischen dreidimensionalem und fünfdimensionalem Erleben. Raum und Zeit verschwinden in den Momenten, in denen ich meinen Körper verlasse, und ich glaube dass Ronda es gar nicht recht bemerkt, wenn es geschieht. Aber ich bemerke es. Ich gehe nicht dauerhaft zurück in mein Vehikel, sondern orte neue Möglichkeiten des Lernens und versuche, mich nur kurzzeitig in meinem Körper niederzulassen, um zu überprüfen, was ich so von mir gebe, wohin mein Blick sich richtet, während ich spreche und was Ronda derweil so macht.
Ronda fragt mich immer, wie es mir geht mit ihr, und ich kann nichts Negatives darüber berichten. Denn immer wenn ich bei ihr bin, fühle ich mich angekommen. Zu Hause. Aber nur wenige Stunden später erfüllt mich so große Sehnsucht nach ihrer Nähe, so dass es mir immer unmöglicher wird, bei mir und meinen Problemen zu bleiben. Und mir fällt zunehmend auf, dass mich Gedanken an und um Ronda rund um die Uhr einzunehmen beginnen. Es ist, als würde ich Ronda absorbieren, nach und nach, jedes mal ein Stückchen mehr. Und irgendwie habe ich das Gefühl, nur durch Sie zu mir selbst, zu meinem Urgrund zu finden. Ronda ist mein Spiegel. Der Mensch, der mir mit seinem Verhalten zeigt, wo es in mir lang gehen soll, und dabei völlig darauf vergisst, dass es womöglich gar nicht meine Suche ist, die hier angezettelt wird. Ronda verwirrt mich. Und ich verwirre Ronda. Ich sehe es in ihren Gesten und wie sie mich erhebt in meinem Sein. Rondas Blicke ändern sich, werden zunehmend unsicherer und umso verwirrter Ronda wirkt, umso mehr glaube ich, dass ich in Rondas Geschichte hineingeraten bin, die nicht in mein Klärungsgebiet fällt. Nach und nach frage ich mich, ob wir soeben drauf und dran sind, die Seiten zu tauschen. Aber das kann ich nicht mit Sicherheit behaupten. Daher mache ich weiter und gebe mir die Chance zu lernen, was ich nur mit Ronda zu lernen vermag.
Ich erzähle ihr also von meinen Beziehungen, die ich hatte. Und weil es Ronda interessiert, versuche ich auch dem Unterschied zwischen hetero und lesbischer Erotik Platz zu schaffen.
Ich bin zentriert, ganz in meinem Körper und fühle mich offen für dieses Gespräch.
Ronda zieht die Jalousien etwas zu, weil uns die Sonne zu arg blendet, und setzt sich wieder gekonnt professionell auf ihren großen, bequem anmutenden Stuhl.
„Nun, Beziehungen sind nicht gleich Beziehungen“, sag ich. „Irgendwann schläft jede Beziehung, vor allem die Erotik, ein. Der Unterschied zwischen einer hetero und lesbischen Beziehung besteht bloß darin, und dieses bloß ist meiner Meinung nach der Punkt, weshalb die Frauen auf Frauen umsatteln, dass sich die Männer anfänglich immer so große Mühe geben mit den Frauen. Es ist, als würden sie einen Schalter umlegen, klack und schon sind sie die geborenen Eroberer, witzig, romantisch, aber vor allem zärtlich. Sie lassen sich Zeit im Bett, es sei denn, es ist ein One Night Stand, den sie sich einverleiben wollen. Aber grundsätzlich haben sie geschnallt, dass sie sich Zeit lassen müssen, weil wir Frauen anders ticken und Zeit brauchen. Ich will den Männern ja nicht absprechen, dass sie tatsächlich romantisch sind und auf die Sehnsüchte und Wünsche der Angebeteten eingehen möchten. Sie versuchen es ernsthaft. Aber genau hier, beim Versuch, stockt es bereits. Der Versuch auf einen Menschen einzugehen, ist und bleibt ein Versuch und der Stock-im-Arsch regt sich wieder. Sie versuchen alles. Sie versuchen gut zu küssen, weich, zärtlich und ausdauernd. Doch bald schon bemerkt man als Frau, dass es nur zu ihrer Strategie gehört, schneller und effektiver zum wahren Kern ihrer Begierde vorzudringen. Geküsst und gestreichelt wird nur solange, bis endlich der Akt, auf den ja alles abzielt, vollzogen werden kann.“
Natürlich gibt es auch in der Männerwelt Ausnahmen, ich will ja nicht alle über einen Kamm scheren.
Und wenn sie die Frau endlich dort haben, wo sie sie den ganzen Abend schon haben wollten, in ihrem Schoß vergraben, wohlgemerkt in ihrem eigenen, wird einem als Frau spätestens in dem Moment klar, wie lange und ausdauernd wir uns um den Schoß der Männer kümmern, während der unsere verkümmert.“
Männer können einfach nicht lecken. Das ist eine Tatsache. Ich weiß nicht weshalb sie es nicht zustande bringen, weich, ausdauernd und mit ganzer Zunge unser bestes Stück zu verwöhnen. Aber womöglich liegt es ja daran, dass sie vergessen, dass wir auch ein bestes Stück haben, das allerdings eine liebevollere und weichere Behandlung braucht, als reine Penetration, weil wir zwei Seiten haben, eine innere und eine äußere, die uns gute Gefühle bescheren können.
Ein Eis leckt man ja auch genüsslich und spießt es nicht mit der Zungenspitze auf. Zungen können Gefühle vermitteln. Ja tatsächlich. Man braucht sie vor allem beim Küssen, will man den Körper der Frau in Wallung bringen. Bis heute bin ich noch nicht so recht schlau daraus geworden, weshalb die Lippen der Männer selbst beim Küssen so hart bleiben. Ich weiß nur, dass sich das auf die Dauer für Hetero-Frauen negativ auswirkt. Denn eine schlecht geküsste und damit meine ich auch eine hart geküsste Hete kann man gleich an ihrer verhärmten, extrem schmalen Lippenform erkennen.
Ich weiß das, denn ich hatte nach einer fünfjährigen Beziehung zu einem Mann so gut wie keine Lippen mehr. Weder oben noch unten. Die Männer der Masse wollen es hart, was sollten sie auch schon mit ganz weichen, sanften Lippen anzufangen wissen, Lippen müssen hart sein beim Blasen damit man ordentlich Druck ausüben kann, wenn sich am Gemächt was rühren will. Und zu allerletzt versuchen sie zärtlich und rund zu vögeln. Doch erkennt man als zentrierte Frau, die den eigenen Körper gut kennt, dass es ein Versuch ist und man lässt sich herab und versucht zu helfen, wo man nur kann. Es bleibt also immerzu bei Versuchen, die irgendwann natürlich zum Scheitern verurteilt sind. Später, wenn man die anfängliche Verliebtheit mit Versuchen aufgefüllt hat, versucht Mann es gar nicht mehr, sondern holt seinen alt bekannten Stock und schiebt ihn sich den in den Arsch. Und genauso fühlt es sich dann auch an, der Stock-im-Arsch-Akt, der nach zwei Minuten vorüber ist. Und wenn man Glück hat, verabschieden sich solche Männer, so wie sich mein Freund damals von mir verabschiedet hat, nicht mit einer riesen großen Schweinerei, in dem sie sich den Schädel wegpusten.
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