Das ging meinem Vater sanft ein wie einem Mastkalb das rohe Ei (und sollte er ja auch wie dieses hingeschlachtet werdenl), und er meinte, so ganz schlecht sei die Stute ja nicht, doch wohl habe er von einem rechtschaffenen Pferde einen anderen Begriff. Der Michel habe recht, sagte der Doppelte Hans eifrig. Er habe auch noch solch Pferd, wie es sich für ihn schicke, aber das zeige er keinem Menschen, denn es sei eigentlich für den Herrn Ritter von Wetterplitz bestimmt, der nur noch an den dreißig Silbertalern, die es bringen müsse, spare. Ei, wie spitzte da mein Vater die Ohren! Dreißig Silbertaler habe er auch, und ohne Sparen, meinte er, und ansehen möchte er sich den Gaul gerne einmal. Jetzt gelüste es ihn erst einmal auf einen Schluck oder zwei, antwortete kaltmütig der Doppelte Hans. Dem Michel möge er freilich kein Getränk anbieten, denn der sei ihm zu schlau und denke wohl gar, er solle trunken gemacht werden.
Damit setzte sich der Doppelte Hans an den Tisch, fing an, fleißig einzuschenken, zu schmatzen und zu schlucken, daß meinem Vater das Wasser im Munde zusammenlief. Der Roßtäuscher aber tat, als merke er nicht dergleichen, trank fleißig weiter und meinte, das Pferd sei ja so gut wie verkauft. So gut wie sei nicht ganz, rief mein Vater immer gieriger, er habe auch gutes Geld, und wer zuerst komme, führe die Braut ins Haus! Und damit stürzte er die dreißig Silbertaler aus dem Hosensack auf den Tisch. Und das war wirklich all sein Hab und Gut, was der Pferdehändler schon zuvor erfahren. Er solle sein Geld wieder einstecken, sagte der Doppelte Hans ungerührt, ansehen koste bei ihm nichts. Wenn es meinem Vater aber wirklich Ernst sei, wolle er den Bereiter nach dem Roß schicken, denn so ein kostbar Pferd habe er nicht in der Stadt zu stehen, sonst liefen ihm die Leute wohl noch die Tür entzwei. Es sei ihm Ernst, versicherte mein Vater. Der Doppelte Hans trank gemächlich noch einen oder zwei, wischte sich das Maul und sagte, so wolle er es denn wagen. Es werde aber seine zwei oder drei Stunden dauern, bis das Roß zur Stelle sei. Meinem Vater machte das nichts aus, und so ging der Doppelte Hans zu seinem Bereiter.
Unterdes war mein Vater allein in der Stube, durch die ein recht angenehmes Rüchlein von Kirschengeist zog. Mein Vater schnüffelte: Nun, es konnte wohl auch Himbeergeist sein. Mein Vater ging an den Tisch und schüttelte die Flasche, sie gluckerte lieblich, aber Himbeer- wie Kirschgeist gluckern auf die gleiche Weise. Mein Vater sah, daß der Doppelte Hans in seinem Glase eine Neige gelassen hatte; er schluckte sie, dann leckte er fein säuberlich nach, aber er wußte immer noch nicht, welches von beiden es war. Nun war die Wißbegierde meines Vaters erst recht rege geworden, er sah ein paar Tröpfchen am Flaschenrande sitzen, und es gelüstete ihn, sie wegzuküssen. So tat er’s, und ein schöner, feurig wärmender Strahl schoß ihm dabei in den Schlund. »Nicht so hastig!« rief mein Vater. »Dabei läßt sich ja nicht schmecken!« Und trank langsamer. »Habe ich doch recht gerochen!« rief er, als die Flasche leer war. »Es ist Kirschengeist!«
»Du verstehst auch alles, Michel!« rief der Doppelte Hans, der unvermerkt eingetreten war. »Und jetzt wollen wir einmal meinen Himbeergeist versuchen.« Damit war mein Vater ganz zufrieden, und so saßen die beiden einträchtig beieinander und tranken, und der Doppelte Hans erzählte, immer meinem Vater fleißig einschenkend, wie er die Leute mit den elendesten Schindmähren anschmiere. Bei seinem Freunde, dem Michel, aber möge er so etwas gar nicht versuchen, der sei ein Roßkenner über alle Roßkenner.
Als sie so nun an die drei Stunden gezecht, gelobhudelt und geprahlt hatten, trat der Bereiter in die Stube und sagte an, das Roß stehe nun unten auf dem Hof. Da hoben die beiden sich auf vom Tisch, aber nur schwer, und stiegen hinunter auf den Hof, doch mußten sie sich aneinander festhalten. Auf dem Hofe aber stand die elendeste Kracke, die je die Sonne beschienen, ein Roß, behaftet mit allen Fehlern, als da sind: gehörnte Hüften, übermäßig langer Hals, Hängebauch, Faßbeine, Nasenfluß, mit Mauke und Spat geplagt, mit Steingallen, Kronentritt, Rattenschweif, Nabelbruch; ein Beißer und Schläger dazu, ein Windschapper und Schwanzfänger.
»Was für ein edeles Roß!« rief der Doppelte Hans bewundernd aus. »Das stünde einem König und Kaiser an!« Meinem Vater gefiel es in seiner Trunkenheit auch recht gut, doch wollte er noch an den Zähnen das Alter ablesen. Da fuhr die Mähre, die bis dahin recht trübsinnig mit gesenktem Kopf dagestanden, mit geblecktem Gebiß giftig auf meinen Vater los, kniff ihn derbe in den Arm und versetzte ihm dann einen solchen Schlag mit den Hufen, daß er zehn Ellen weit flog und jämmerlich ächzend im Sande liegenblieb. »Nein, mein Doppelter Hans!« rief er da kläglich. »Das ist kein Pferd für einen Fuhrmann, es würde mir ja die Gabel am Wagen zerbrechen.« Da fuhr der Doppelte Hans mit verstelltem Zorn auf seinen Bereiter los, er habe ja das falsche Pferd gebracht, und so etwas gäbe es nicht, seinen Freund, den Michel, zu betrügen. Sofort schaffe er das rechte Pferd her, sonst sei er Bereiter beim Doppelten Hansen gewesen! So ließ sich mein Vater um und dumm reden, bis er wieder Arm in Arm mit dem Roßtäuscher in dessen Stube wankte, wo sie von neuem mit Trinken anhuben.
Über eine Weile, da merkte mein Vater, daß der Doppelte Hans auf der Diele saß. »Ich glaube, Hans, du sitzest auf der Diele«, sprach er da. »Das macht, weil du einen Rausch hast, Michel«, antwortete der Doppelte Hans. »Ich habe keinen Rausch, Hans«, widersprach mein Vater, »aber du bist pudeldicke.«
»Nein, du hast deine Ladung«, sprach der andere.
»Und du kannst nicht mehr über deinen Bart spucken.«
»Ich will’s versuchen«, sprach der Doppelte Hans. »Aber siehst du keine Schleifkannen am Himmel, Michel?«
»O weh!« schrie mein Vater. »Ich seh keinen Himmel, ich bin geliefert.«
»Das macht«, besänftigte ihn der Doppelte Hans, »weil du auf der Diele sitzest. Stündest du nur auf, Michel, du sähest den Himmel von der Nähe.«
»Ich will nicht aufstehen«, sprach mein Vater. »Ich bin sternblinddick.«
Indem tat sich die Türe auf, und der Bereiter trat wiederum ein. Er verzog keine Miene, als er die beiden da auf dem Boden sitzen sah, jeder eine Flasche wie ein Kindlein im Arme wiegend, sondern meldete nur ernsthaft, das rechte Roß stehe nun unten. »Also stehen wir auf, lieber Michel«, sprach der Doppelte Hans und versuchte es. »Ich will nicht aufstehen!« schrie mein Vater. »Mag er das Pferd hierher auf die Stube bringen.«
»Das mag angehen«, sprach der Doppelte Hans, der auch in der schwersten Trunkenheit seinen Witz nicht verlor, und flüsterte mit dem Bereiter.
Nach einer Weile hörten sie es auf der Treppe klappern und rappeln, als tanze dort der Teufel mit seinen Bockshufen. »Da kommt dein Roß, lieber Michel«, lallte der Doppelte Hans, »mach immer dein Geld schon lose!« Indem schrie es auf der Treppe: Iah! »Schrie da nicht ein Esel?« fragte mein Vater. »Was du auch hörst!« sagte der andere. »Dein Rößlein rief Ja, weil es sich freut, zu dir zu kommen.« Das schien meinem Vater recht verständig, und er war dem Roß schon wohlgesonnen, als es klappernd und schlagend die Stube betrat.
»Ist es nicht ein Prachttier?!« rief der Roßtäuscher. »Wohl, wohl«, sagte mein Vater, der vergebens versuchte, sich am Schwanze hochzuziehen. »Aber ist es nicht ein wenig klein, lieber Hans?«
»Klein?« schrie der Doppelte Hans. »Klein?!!! Was du nicht siehst! Es ist das größte Tier, das je in meiner Stube stand !«
»Welche Farbe hat es wohl, lieber Hans?« fragte mein Vater vorsichtig, denn er war blau. »Farbe?« fragte der Doppelte Hans. »Warte, Michel, wir wollen es uns genau durch die Flasche besehen.« Das taten sie, und dazu schrie der Esel wiederum: Iah! »Er will auch was abhaben, Michel«, sagte der Doppelte Hans. »Das ist ein tüchtiges Roß!« lobte mein Vater. »Ich will ihm gleich einen aus der Buddel geben.«
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