Exzellente Profilerin.
Leiterin der taktischen Teams.
Zwei Auszeichnungen für besondere Verdienste.
Beispiellose Pflichterfüllung.
Dann kam der plötzliche Einbruch und das Blatt wendete sich.
Insubordination.
Fünf Suspendierungen vom Dienst.
Anhörungen wegen übertriebener Gewaltanwendungen.
Drei Suizidversuche.
Zwei Aufenthalte in einer psychiatrischen Einrichtung.
Wieder und wieder las Singer den letzten psychologischen Bericht der Hunterin .
Suizidgefährdung.
Ausgeprägte psychopathische Tendenzen.
Hohe Gewaltbereitschaft.
Verdacht auf Medikamenten-, und Alkoholmissbrauch.
Verdacht auf schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung.
Dienstunfähig.
Wütend warf er die Dienstakte zurück auf den Schreibtisch. Allein ihr psychologisches Profil sprach schon gegen sie, dennoch ärgerte er sich darüber von der NSA übergangen worden zu sein.
Noch war sie CIA Agentin und es hätte seiner Zuständigkeit unterlegen, sie zu befragen, nicht Quinns.
Seine Hand nahm den Kugelschreiber auf, um die Akte zu vervollständigen, doch gerade als er den Verweis auf die ISU Ermittlung vermerken wollte, zwang ein Impuls seinen Blick kurz auf seine Notizen zum Tathergang, dann stutzte er.
Eintrittswunde leicht rechtslastig.
Flugbahn leicht nach unten abgeschrägt.
Wenn ihn hier nicht alles täuschte, war der Schütze Rechtshänder und höchstens marginal kleiner als McConaghey gewesen.
Cathrynn Rayven war fast dreißig Zentimeter kleiner als der 1,95m große Hüne gewesen und sie war Linkshänderin.
Kapitel 15
„Scheiße, Rayven geht nicht ran!“, ärgerlich knallte Frank den Hörer wieder auf.
Das durfte nicht wahr sein.
Jetzt ging sie noch nicht einmal mehr an ihr Telefon.
„Frank, ich hab Singer auf der anderen Leitung.“
Nathan blickte ihn mit dem Telefonhörer an der Schulter an.
Frank schüttelte mit einem Knurren den Kopf.
„Abwimmeln! Ich habe jetzt keine Zeit!“, befahl er barsch und wählte erneut Cathrynns Nummer.
„Nimm ab, verdammt nochmal!“, murmelte er angespannt.
Seine Fingerknöchel färbten sich weiß unter dem Griff, mit dem er den Telefonhörer umklammerte.
Sein kurzes Telefonat mit Quinn hatte ihn in einen Zustand nahe einem Wutanfall versetzt, als er ihm mit deutlichem Triumph in der Stimme mitgeteilt hatte, dass er einen Haftbefehl gegen Cathrynn vorliegen hatte.
„Singer sagt, dass es dringend sei. Was soll ich machen?“
Ärgerlich blickte er Nathan an.
„Spreche ich gerade irgendeine Sprache, die du nicht verstehst?“, blaffte Frank.
Nathan sparte sich eine Erwiderung.
„Herrgott noch mal! Bin ich hier nur von Idioten umgeben?“, brüllte er los.
„Scheiße, verdammte Scheiße noch eins!“
Er knallte den Hörer auf die Gabel zurück, bevor er sich mit einem wütenden Schnauben in seinen Schreibtischstuhl fallen ließ.
Seufzend fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht.
„Dieses verblödete Miststück bringt mich noch ins Grab!“, knurrte er bitter. Noch immer hatte er Mühe sich zu fassen.
Aber wie sollte er sich auch beruhigen, wenn er wusste, dass Quinn Cathrynn in wenigen Stunden in den Fingern hätte, um, Gott alleine mochte wissen was, mit ihr anzustellen.
„Erklärst du mir, was mit dir los ist?“, fragte Nathan ruhig.
Franks harsche Antwort blieb unausgesprochen, als er das Mitgefühl in Nathans Blick sah.
„Rayven geht nicht ans Telefon“, gestand er seufzend.
„Würde ich auch nicht. Sie weiß ganz genau, was ihr blüht.“
Nathan begann trocken zu lachen.
„Du hast Recht!“
Eilig sprang Frank wieder auf die Beine.
Natürlich würde Cathrynn erwarten, dass er sie zusammenbrüllen würde, weil sie seinen Rückzugsbefehl ignoriert hatte.
Wie hätte sie auch wissen können, dass ihre Befehlsverweigerung gerade ihr kleinstes Problem war.
„Ich fahre zu ihr!“
Er musste so schnell wie möglich mit ihr sprechen.
Cathrynn musste wissen, was ihr bevorstand, er konnte sie nicht blind ins Messer laufen lassen.
Er musste sie warnen, damit sie sich vielleicht noch rechtzeitig absetzen konnte, bevor Quinn sie in Gewahrsam nahm.
Er würde nicht zulassen, dass sie diesem Bastard in die Finger fiel, damit der seinen jahrzehntealten Frust an ihr abreagieren konnte.
„Frank, was ist los?“, beharrte Nathan. Seine Stimme war deutlich von beginnendem Ärger gefärbt.
„Versuch sie weiter zu erreichen. Ich melde mich, wenn ich bei ihr bin“, befahl Frank anstelle einer Antwort.
Nathan schüttelte den Kopf.
„Ich tue gar nichts, bevor du mir nicht gesagt hast, was hier gespielt wird!“, beschied er Frank kompromisslos.
„Die ISU will Rayven als potenzielle feindliche Kombattantin einkassieren! Das ist los!“, schnappte Frank, noch immer war er fassungslos, über die Anschuldigungen, die er aus Quinns Mund gehört hatte.
Er hörte Nathan nach Luft schnappen, als er zu seiner Jacke griff.
„Das ist ein Witz, oder?“, stammelte Nathan fassungslos.
Frank lachte bitter auf.
„Hörst du mich lachen?“, fragte er ärgerlich.
Die Anschuldigung war sicherlich ein Witz, dennoch hätte er zu gerne gewusst, was Quinn sich dieses Mal ausgedacht hatte.
„Ich muss sie warnen, damit sie schnell untertaucht.“
Für einen Moment fragte er sich wütend, wie Bill Singer das hatte erlauben können, immerhin wusste er sehr genau um die Differenzen zwischen Quinn und ihm.
„Hältst du das für eine gute Idee?“, presste der dunkelhaarige Mann leise hervor.
Er warf dem noch immer schockierten Nathan einen prüfenden Blick zu.
„Hältst du Cathrynn für eine Terroristin?“, konterte er schlicht, während er die Tür öffnete.
*
Zynisch grinsend ließ Cathrynn es zu, dass man sie mit Handschellen an den im Boden verschraubten Stuhl fesselte.
Ihr Blick glitt kurz desinteressiert durch den kleinen fensterlosen Raum.
Sie betrachtete einen Augenblick die schmutzigen grauen Wände, bevor ihre Augen sich auf den großen venezianischen Spiegel, der die gesamte ihrem Stuhl gegenüberliegende Wand einnahm, richteten.
Soweit es ihre Handschellen zuließen, lehnte sie sich zurück, während sie herausfordernd weiter den Spiegel fixierte, der nur auf ihrer Seite ein Spiegel war.
Von der anderen Seite war er ein Fenster und sie hätte einiges darauf gewettet, dass Quinn sie bereits von draußen beobachtete.
Langeweile heuchelnd, begann sie mit ihrem Zungenpiercing zu spielen und harrte der Dinge, die sicherlich bald kommen würden.
Seit sie auf dem dreckigen Boden eines Transporters aus ihrer Ohnmacht erwacht war, hatte sie realisiert, dass die Inhaftierung kein blöder Witz ihrer Kollegen gewesen war.
Ein Teil von ihr war aufrichtig froh darüber.
So musste sie sich nicht damit auseinandersetzen, dass sie grundlos drei Männer getötet hatte.
Es erfüllte sie mit deutlicher Erleichterung, dass sie nicht, wie angenommen, unschuldige Männer, sondern nur drei ISU Agenten erschossen hatte.
Das würde ihr mit Sicherheit keine schlaflosen Nächte bereiten.
Dennoch hatte sie keinen Schimmer, was man ihr im Einzelnen vorwarf.
Desmond, der blonde Agent, hatte sie als feindliche Kombattantin bezeichnet und das Wort Landesverrat hallte noch immer laut in ihren Ohren wider.
Ärgerlich schüttelte Cathrynn den Kopf.
Mit Sicherheit war sie vieles, allem voran eine Psychopathin und ein gefühlloses Miststück, aber weder war sie eine Terroristin, noch eine Verräterin.
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