Franz L. Huber - Urlaub oder Leben

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"Mein Heilpraktiker entlässt mich nach der Untersuchung mit einem Rezept und den aufmunternden Worten: 'In zwei Wochen ist alles vorbei!'
Erst, als ich seine Praxis schon nicht mehr im Rückspiegel sehe, frage ich mich, wie er das wohl gemeint hat."
Hypochonder Jan wird in den Familienurlaub gezwungen! Nicht dass er Urlaub bräuchte. Im Gegenteil. Er fühlt sich eigentlich pudelwohl in seinen vier Wänden – da kann immerhin nicht viel passieren.
Doch den leuchtenden Augen seiner Kinder kann er nicht widerstehen und er gibt nach.
Am Tag der Abreise stiehlt sich Jan trotzdem noch mal heimlich zum Arzt. Aber die erhoffte Ausrede um daheim bleiben zu können, bleibt ihm verwehrt – denn der kann beim besten Willen nichts finden.
Also fahren bald drei Vergnügte und ein Verzagter im voll bepackten Auto gen Süden. Bereits vor dem Brenner taucht zu Jans Beruhigung dann das erste Symptom auf – der Blinddarm kneift. Von wegen eingebildeter Kranker! Er sieht sich schon in einer italienischen Landambulanz liegen und die Ärzte sorgenvoll die Köpfe schütteln. Doch diesmal will er nicht zurück nach Hause flüchten. Kann er auch gar nicht: Die Entschiedenheit auf den Gesichtern seiner Familie lässt diesen Gedanken nicht zu. Also durch.
Kein schlechter Entschluss. Wer trifft im Urlaub schon auf eine echte Meerjungfrau? Und so freundet sich Jan ganz behutsam mit dem Gedanken an: Urlaub ist ja gar nicht so tödlich!
Wenn da nur diese Brustschmerzen nicht wären …

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Urlaub oder Leben

Franz L. Huber

www.urlaub-oder-leben.de

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: (c) 2011 Franz L. Huber

ISBN 978-3-8442-0308-0

Herstellung E-Book: LVD GmbH, Berlin

www.epub-eBooks.de

Franz L. Huber

Urlaub oder Leben!

Roman

Rollentausch

Manche Menschen sagen, ich sähe aus wie Bruce Willis. Ich finde, da haben sie absolut Recht. Natürlich leiste ich dem auch gerne Vorschub und laufe schon mal ‘nen halben Tag lang mit geschürzten Lippen und schmalen Augen rum. Leider lässt sich ein Charakter nicht ebenso leicht schürzen, irgendwann kommen sie dir auf die Spur und du bist entlarvt. In meinem Fall war das meine Frau, Tina.

Bis zu dem Tag, an dem sie den Verdacht äußerte, meine, in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu wichtigen Ereignissen auftretenden Infekte, seien keineswegs zufälliger Natur, war das Leben so erträglich für mich, so warm und heimelig. Doch Tina glaubte, ein gewisses Schema ausgemacht zu haben. Zunächst war sie noch durchaus sanftmütig und sogar besorgt darüber, dass ich ausgerechnet immer dann malad war, wenn ich mit meiner Band ein Konzert geben sollte. Ich fand das ganz und gar nicht besorgniserregend: Für mich war immer ganz klar, dass ich gerade deshalb erkrankte, weil das Konzert zuvor so anstrengend gewesen war. So lebten wir einige Jahre glücklich und zufrieden, jeder mit seiner eigenen Interpretation der Wahrheit. Bei Tina festigte sich ihre Sichtweise mit der Zeit zur betonharten Betriebsanleitung für den Umgang mit sensiblen Künstlerseelen. Meine eigene Auffassung ging natürlich in eine ganz andere Richtung; schließlich konnte mein heroisches Selbstbild keine hypochondrischen Risse vertragen. Ich ignorierte also das Offensichtliche. Doch Bruce begann zu bröckeln.

Tina ließ mich gewähren, es tat ihr ja nicht weh, und ich konnte weiterhin in dem Glauben leben, ich sei ein cooler Musiker, ein echt lässiger Typ, ein Kerl, den nichts so schnell aus der Bahn wirft. Da konnte ich dann auch ganz leicht die Borretsch-Blüten tolerieren, die plötzlich in meinem Essen auftauchten; ihnen wird ja eine gewisse positive Wirkung auf eingebildete Kranke nachgesagt. Heute weiß ich, dass dies der Beginn eines umfassenden und prägenden Umkrempelungsprozesses war, an dessen Ende ich nicht nur ein geständiger Hypochonder, sondern auch noch ein gestandener Hausmann sein würde. Keine Backstage-Feten mehr, null Glamour.

Als selbst meine Schwiegermutter begann, mir quasi im Vorbeigehen besagte Blüten in den Salat zu schmeißen, wurde mir klar: für mich hatte eine neue Zeitrechnung begonnen! Einerseits empfand ich es direkt als befreiend, die ohnehin sehr großen Rockerstiefel auszuziehen. Andererseits lebt es sich auch ganz gut im Verborgenen, wenn man nicht ständig mit der Frage konfrontiert werden will, was man denn nun im Leben darzustellen gedenkt. Noch war ich aber nicht so weit, spießige Pantoffeln zu tragen, mochten sie auch noch so gut passen. Ich musste mich während der Transformation also mit einer Zwischengröße begnügen. Tina tolerierte mein Künstlergehabe großzügig, wohl wissend, dass ich ihrem Netz nicht mehr würde entrinnen können. So begann für mich die, zugegeben recht bequeme, Phase der Verpuppung, in deren mehrjährigem Verlauf die Maschen durch glückliche und weniger glückliche Fügungen sukzessive enger gezogen wurden. Die weniger glückliche war, dass die vielversprechende Künstlerin, die ich damals produzierte, bereits nach der zweiten Single wieder vom Pop-Himmel stürzte. Damit versiegte auch die vorher so segensreich sprudelnde Einkommensquelle. Für einen Ausgleich sorgte hier wieder einmal meine kluge Frau, die, wie auf Zuruf, plötzlich mit bestandenem Staatsexamen auf unserer Lebensbühne stand und fortan als Lehrerin unser Überleben sicherte. Kurze Zeit später kam unsere Tochter Marie zur Welt. Ich war völlig aus dem Häuschen.

Glück betäubt, und so wandelte ich die nächsten Monate wie benommen auf unserem kleinen Familienplaneten. Zunehmend mangelnder Erfolg bei meinen Produktionen und mangelnde Zunahme unseres Ersparten trieben Tina tiefer in das Berufsleben, als sie das eigentlich geplant hatte. Bald arbeitete sie voll, plus Überstunden. Ja, das Leben ist kein Wunschkonzert; zumindest dieses Lied kann sie nun in jeder Tonart singen. Doch während Tina sich mit der Variante in Moll abmühen musste, trällerte ich mit zunehmender Freude die, mit der großen Terz. Ich war mit großem Enthusiasmus auf der Mission „Vater und Hausmann“ und genoss das Leben mit unserer kleinen Marie in vollen Zügen. Das Wort Krankheit entschwand mir gänzlich seiner Bedeutung. Ich fühlte mich, als hätte ich vom Jungbrunnen selbst getrunken.

Was war das für eine herrliche Zeit. Und so ruhig - Marie musste ja noch viel schlafen. Besonders schön war es im Sommer. Unsere bevorzugten Ausflugsziele waren die Eisdiele unten am Lech oder die Cafés, die ihn säumten. Ein nicht ganz unangenehmer Umstand war, dass ich zu diesen Tageszeiten der einzige Vater unter vielen, attraktiven, Müttern war. Damit hier kein falscher Verdacht aufkommt: Ich hab das selbstverständlich sehr genossen, ganz klar; bin ja auch nur ein Mann.

Aber mein Ehrgeiz war größer als eine Männerfantasie, denn ich wollte nicht nur irgendein Vater sein, ich wollte der beste sein! Ich diskutierte mit meinen Café-Bekanntschaften die Vorzüge salzfreien Kochens und tauschte auch schon mal den einen oder anderen Einschlaftipp für unsere Kleinsten aus. Ich gebe zu, ich habe anfangs etwas übertrieben. Besonders als ich die Spülmaschinen-Tabs von Aldi vehement gegen Konkurrenzprodukte verteidigte; da habe ich wohl bei einigen Müttern Porzellan zerschlagen. Ich merkte das daran, dass die täglichen Runden im Café immer kleiner wurden. Aber was sollte ich machen? Ich fühlte mich doch endlich angekommen, fühlte, dass dies meine Bestimmung war: Hausfrau und Mutter. Pardon, Vater.

Immerhin wurde ich nun vor Konzerten nicht mehr krank. Dass ich gar keine mehr gab, vernachlässigte ich – immerhin musste ich mich ja jetzt jeden Tag auf einer Bühne präsentieren, auf der normalerweise Frauen den Ton angeben. Und nachdem ich gelernt hatte, auch Lidl-Tabs zu akzeptieren, erntete ich immer öfter auch wieder Applaus für meine Rolle. So fiel es mir zunehmend leichter, mich mit meinem neuen Leben zu arrangieren.

Ich las einmal, glückliche Menschen würden weniger häufig krank, weil sie mehr Fresszellen im Blut hätten, die wiederum Krankheitserreger in Schach hielten. Bestimmt die Erklärung dafür, dass ich bis zu Maries drittem Geburtstag praktisch vor Gesundheit nur so strotzte. Allerdings waren wir bis dahin auch nicht mehr im Urlaub. So lief ich nicht Gefahr, meine neue unverwüstliche Konstitution unter Beweis stellen zu müssen. Denn auf bevorstehende Urlaube reagierte mein Immunsystem wie auf Grippeviren.

Mit Beginn des ersten Kindergartenjahres jedenfalls war es mit dem Wohlbefinden vorbei. Im Zwei-Wochen-Rhythmus schleppte Marie nun Infekte heran und ein paar Tage später übernahm ich die komplette Symptomatik. Die nächsten Monate konnte man meinen Zustand ohne Übertreibung als permanentrekonvaleszent bezeichnen. Tina behandelte mich, als würde ich das mit Absicht tun. Nun, ein klein wenig konnte ich sie sogar verstehen: Niemand kommt gern nach einem anstrengenden Arbeitstag heim und muss dann erst mal Haushalt, Kinder und einen Ehepartner versorgen, der das alles schon längst erledigt haben sollte. Doch mein Mitleid hielt sich in Grenzen, schließlich kam sie ja als Lehrerin schon am frühen Nachmittag nach Hause! Und überhaupt, hieß es bei unserer Hochzeit nicht: „... wie auch in schlechten Tagen ...“?

Ich fühlte mich ungerecht behandelt und tauschte mich bei meinen Leidensgenossinnen aus. Zu meiner Überraschung schlugen sie sich aber auf die Seite meiner Frau! Sie meinten, sie könnten sich jedenfalls nicht einfach so mit einem Schnupfen ins Bett legen, wo blieben denn da die Kinder, geschweige denn der Haushalt? Und ihren Partnern könnten sie nicht zumuten, sich nach einem strapaziösen Werktag auch noch darum zu kümmern. Eine Krähe ...

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