Während ich darauf wartete, dass sich Kundschaft in meinen Laden verirrte, dachte ich darüber nach, was ich bei meinem Halloween-Abend noch anbieten wollte. Vielleicht ein paar Muffins und Kekse?
Ich fuhr meinen Laptop nach oben, den ich mir aus der Wohnung mit nach unten gebracht hatte, und suchte nach Inspirationen.
Als ich plötzlich das kleine Ladenglöckchen hörte, traute ich meinen Ohren nicht und sah verwundert auf. Eine Frau, die ich auf Anfang dreißig schätzte, betrat den Laden. Sie hatte schulterlanges, violett gefärbtes Haar und ein Lächeln auf den Lippen.
»Hallo«, grüßte ich noch immer ein bisschen perplex.
»Hallo«, erwiderte sie und steuerte zielgerichtet auf die Liebesromane zu. Sie schien genau zu wissen, was sie wollte, daher hielt ich mich zurück. Ich selbst mochte es nicht, wenn man mich beim Einkaufen bedrängte. Oft wollte ich mir einfach nur einen Überblick verschaffen und suchte nichts Bestimmtes.
Ich durchforstete das Internet weiter nach einfachen Halloween-Rezepten, die die Kinder lieben würden, wurde jedoch schon im nächsten Moment von meiner Kundin unterbrochen.
»Entschuldigung, ich kann den neuen Roman von Nicholas Sparks nicht finden.« Sie legte zwei weitere Romane auf dem Kassentresen ab und sah mich hoffnungsvoll an.
»Der Roman müsste im Lager liegen. Ich habe den Laden erst vor einer Woche wiedereröffnet und bin bislang nicht dazu gekommen, die neusten Romane einzusortieren.« Ich sah sie entschuldigend an. »Möchten Sie vielleicht einen Tee trinken, während ich nach dem Buch suche?«
»Ja, sehr gern.« Die Frau lächelte mich an und ich deutete ihr an, mir in die Küche zu folgen.
»Welche Sorte darf es für Sie sein?«
»Himbeer-Vanille, wenn du hast. Ich bin übrigens Nicole«, durchbrach sie die Förmlichkeiten und ich lächelte sie an.
»Mina.« Ich setzte das Teewasser auf und füllte einen Teebeutel mit Himbeer-Vanille-Tee. Grams hatte gefühlte tausend verschiedene Sorten, was es mir nun umso leichter machte, die jeweiligen Teewünsche zu erfüllen.
Ich nahm ein Teeservice aus dem Schrank und öffnete die Keksdose, aus der ich zwei Zimtkekse nahm und sie auf den Tellerrand legte. Der Teekessel begann zu pfeifen und ich goss das heiße Wasser in die Tasse. Dann reichte ich sie Nicole.
»Mach es dir doch in einer der Leseecken bequem. Ich bin gleich wieder bei dir.«
»Danke«, sagte Nicole, nickte mir freundlich zu und ich verschwand im Lager.
Einige Minuten später hatte ich den neuen Sparks-Roman endlich gefunden und kehrte in den Verkaufsraum zurück. Nicole saß mit einem der Bücher, das sie sich ausgesucht hatte, in einem der Sessel und bemerkte zunächst nicht, dass ich wieder da war. Erst als ich mich zu ihr setzte, blickte sie auf. Ich reichte ihr den Roman.
»Meintest du diesen?«, fragte ich und ihre Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen Lächeln.
»Genau den meinte ich. Vielen lieben Dank, du rettest mir das Wochenende, Mina.«
»Eine meiner liebsten Aufgaben«, scherzte ich.
»Wenn ich gewusst hätte, wie schön es bei dir ist, wäre ich schon eher hergekommen. Ich habe den Laden nur zufällig entdeckt und dachte, ich schau mal hinein.«
»Du kannst sehr gern öfter vorbeikommen. Tee und Kekse habe ich immer da.«
»Das klingt verlockend«, erwiderte Nicole und trank den letzten Schluck Tee. Sie stand auf, wir gingen zum Kassentresen und ich kassierte die Bücher ab.
Ich blieb zufrieden zurück, nachdem Nicole mein kleines Geschäft verlassen hatte. Ihr Einkauf schenkte mir das richtige Maß an Hoffnung, das ich dringend gebrauchen konnte.
Geisterstunde
Den gestrigen freien Sonntag hatte ich genutzt, um die Halloween-Lesung für die Kinder vorzubereiten. Ich hatte mir die neusten Bände der Gänsehaut-Reihe genommen und eine passende Geschichte herausgesucht, die ich vorlesen wollte. Monster-Trinkbecher und kleine Geschenktütchen durften nicht fehlen, also hatte ich mich auch darum gekümmert.
Bevor ich den Laden öffnete, hatte ich die kleinen Snacks vorbereitet. Muffins, die wie Spinnen und Kürbisse aussahen, Würstchen-Mumien, Bananen-Geister, Mandarinen-Kürbisse und kleine Hexenbesen aus Salzstangen und Käse.
Ich musste nur noch Platz für die Leseecke und das kleine Buffet schaffen, dann war ich bereit für den heutigen Abend.
Der Vormittag war wieder sehr ruhig. Bis zu meiner Mittagspause verirrte sich nur eine ältere Dame in meinen Laden, die nach einem Gartenratgeber suchte, den ich allerdings bestellen musste. Glücklicherweise war das kein Problem für sie.
»Haben Sie Enkelkinder?«, fragte ich, bevor sie ging, und sie nickte.
»Ja, zwei Jungs, fünf und sieben, ganz bezaubernd, wenn auch ein bisschen wild.«
»Vielleicht möchten Sie den beiden eine Freude machen und sie zu meiner Halloween-Lesung begleiten? Es gibt Getränke, Snacks und Gruselgeschichten.«
Die Frau betrachtete meinen Flyer und lächelte mich schließlich an.
»Eine ausgezeichnete Idee, junge Frau. Ich werde die beiden fragen, ob sie Lust haben. Auf Wiedersehen.«
Ich nickte ihr zu und sie verließ das Geschäft.
In meiner Mittagspause durchsuchte ich das Lager nach Büchern, die sich für Halloween eigneten und die ich für ein Sonderangebot nutzen konnte. Zwei Bücher zum Preis von einem, so etwas lockte doch normalerweise jede Menge Leute an. Ich beschrieb meine Werbetafel neu und gestaltete einen Angebotstisch um. Zum Glück hatte ich ein bisschen Halloween-Deko übrig.
Am späten Nachmittag holte ich einige Decken und Sitzkissen aus dem Lager. Wofür Grams sie dort untergebracht hatte, wusste ich nicht, doch ich war froh, dass sie da waren. Ich räumte das Spielzeug in der Kinderecke zur Seite und schaffte noch ein bisschen mehr Platz. Anschließend verteilte ich die Decken und Kissen auf dem Boden, legte die Bücher und eine Taschenlampe bereit und schaltete die falschen Kerzen an.
Ich hatte ein gutes Gefühl für den Abend und hoffte, dass er ein Erfolg werden würde.
Gerade als ich überlegte, wo ich die Snacks hinstellen sollte, klingelte das Türglöckchen. Ich drehte mich um und ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus, als ich Jamie entdeckte.
»Hallo Gruselprinzessin«, grüßte er und umarmte mich.
»Hey, was machst du denn hier?«
Ich löste mich von ihm und sah ihn fragend an.
»Ich war gerade zufällig in der Nähe und dachte, ich schau mal bei dir vorbei. So wie es aussieht, hast du heute Abend etwas Großes vor.«
»Irgendetwas musste ich mir einfallen lassen, um Kunden in den Laden zu locken. Ich hoffe nur, es funktioniert und es kommen ein paar Leute.«
»Läuft es nicht gut?«
»Nein, leider nicht«, meinte ich niedergeschlagen und lächelte traurig. »Das tat es schon nicht, als meine Großmutter noch lebte. Mom und ich sind vor der Eröffnung die Zahlen durchgegangen. Grams hat seit Jahren keinen Gewinn mehr gemacht und so wie es aussieht, alles aus ihren privaten Anlagen genommen.«
»Und dabei dachte ich, lesen würden die Leute immer.«
Ich schüttelte den Kopf. »Natürlich lesen die Leute, aber wahrscheinlich ist es bequemer, alles im Internet zu bestellen. Ich bin in dem Punkt ein bisschen zwiegespalten.«
»Du wirst es hinbekommen, Mina, ich glaube an dich.«
Jamie wollte mich aufbauen, doch das gelang ihm nicht besonders gut. Auch wenn dieser Abend ein Erfolg werden würde, deckte er nicht die Summen, die ich diese Woche hätte einnehmen müssen, um den Laden zu halten.
»Was hältst du davon, wenn ich hierbleibe und dir helfe? Meine kleine Nichte Emma sagt immer, ich würde sehr gut vorlesen.«
»Jamie, das ist nicht nötig«, hielt ich sofort dagegen. Zeit mit ihm zu verbringen war Gift für mich, das hatte ich schon einmal feststellen müssen. Irgendetwas hatte er an sich, das mich jede Rationalität vergessen ließ. Dieser Abend sollte ein Erfolg werden und ich durfte mich auf keinen Fall ablenken lassen.
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