>>Das ergibt doch alles keinen Sinn ... ich meine ... so ein amateurhafter Anschlag ... noch dazu in wahnsinniger, selbstmörderischer Weise gegen die russische Armee. Das Ganze hätte nie und nimmer funktionieren können.<<
>>Vielleicht war genau das die Absicht, Mr. President. Vor einigen Jahrzehnten versuchten ein gewisser Führer auch seine Feinde zu verwirren, indem er Scheinangriffe an der einen Front ausführen ließ, um dann überraschend ganz woanders zuzuschlagen.<<
Der Präsident schluckte hörbar. >>Sie meinen ... eine Ablenkung, Price?<<
Price nickte. >>Möglich wär's schon ... auf jeden Fall war es eine konkret geplante Aktion. Und wer auch immer sie organisiert hat wusste schon im Voraus mit ziemlicher Sicherheit, dass sie ein selbstmörderisches Himmelfahrtskommando sein würde.<<
>>Sie denken, das waren alles so etwas wie Selbstmordattentäter?<<, warf Burke erstaunt ein.
>>Menschliche Bomben. Die gefährlichste Bedrohung durch Terroristen überhaupt. Etwas, wogegen es keinen sicheren Schutz geben kann. Radikale, muslimische Schläfer können unerkannt über Jahre hinweg in nahezu jedem Land der Erde leben, bis sie für ihren Auftrag geweckt werden. Leute, die so fanatisch sind, dass sie keine Furcht vor dem Tod haben und noch viel weniger davor, andere mit ins Verderben zu reißen.<< Price stellte erleichtert fest, dass das Hämmern in ihren Schläfen endlich nachzulassen begann, dann fuhr sie fort: >>Wir wissen derzeit genauso wenig wie unsere russischen Kollegen, was sich dort drüben bei denen genau abgespielt hat, aber wir können, glaube ich, ziemlich sicher sein, dass das Ganze keine Tat irgendwelcher dummer, harmloser Amateure oder gar unglücklicher Zufall war. Wer auch immer hinter der Sache in Russland steckt ... er wollte — davon bin ich überzeugt — Aufmerksamkeit. Ihm ging es womöglich sogar nicht um ein erfolgreiches Gelingen des Anschlags, sondern darum, dass die Aktion wahrgenommen wird. Die Frage ist momentan nur: Wer steckt dahinter und vor allem: Was will er damit bezwecken?<<
>>Wahrscheinlich werden wir die Antwort sehr bald erfahren<<, prophezeite der Präsident, wobei sich sein Gesicht zunehmend verdüsterte.
***
Su-Lin erschrak, als ein Geräusch sie plötzlich aus dm Schlaf hochgeschreckt hatte. Die Zimmertür öffnete sich leise und helles Flurlicht drang herein. Kurz darauf erschienen die schattigen Konturen eines Mannes in dem dunklen Raum. Der unbekannte Mann trat langsam in den Raum. Sie spürte ihr Herz vor Aufregung pochen und klopfen und sie hätte sich vor Angst beinahe in die Hose gemacht, konnte sich aber gerade noch beherrschen.
Der unheimliche, fremde Mann trat langsam näher. Jetzt war er nur noch wenige Schritte von ihr entfernt und sie konnte sicher sein, dass der Mann auf keinen Fall ihr Papa war. Der würde sich auch nie und nimmer leise nachts an ihr Bett schleichen. Su-Lin schluckte leise und schloss rasch wieder ihre Augen.
>>Die kleine Göre scheint zu schlafen<<, murmelte der fremde Mann. >>Ist auch besser für sie ... << Dann machte er kehrt und verließ den Raum.
Su-Lin lag noch eine Weile regungslos in ihrem Bett, horchte und lauschte in die sie umgebende Dunkelheit, ehe sie es wagte ihre Augen wieder zu öffnen. Alles um sie herum lag in friedlicher Stille. >>Ich habe keine Angst vorm schwarzen Mann<<, flüsterte Su-Lin, während sie barfuß aus dem Bett hüpfte und ihre Kleider zusammensuchte. >>Von wegen kleine Göre ... <<
Auf dem Flur draußen ertönten plötzlich schwere Schritte. Langsam kamen sie näher, wodurch sie sich gezwungen sah, wie der Blitz in ihr Bett zurückzuspringen, doch die Schritte entfernten sich wieder, ohne dass jemand ihre Zimmertür geöffnet hatte. Sie wollte auf keinen Fall, auf gar keinen Fall mit jenem bösen, unheimlichen Mann allein im Haus bleiben. Sie erinnerte sich an die Warnungen ihrer Mutter: Falls irgendjemand jemals versuchen sollte dich festzuhalten oder dir wehzutun, dann versuch ganz einfach wegzulaufen ... zu anderen Erwachsenen oder zur Polizei ... um Hilfe zu holen . Su-Lin beschloss, sich diesen Rat zunutze zu machen.
Ihr Zimmer lag ebenerdig, sodass sie mit einem einzigen Sprung von der Fensterbank gefahrlos auf dem grünen, streichholzkurzen Rasen vor dem Haus landen würde, ohne sich zu verletzen. Sie schlüpfte hastig in ihre Schuhe, lauschte noch einmal kurz an der Zimmertür, fischte aus ihrem Kleiderschrank eine flauschige rosa Jacke und öffnete schließlich das Fenster. Warme, milde Luft begann sie sanft zu umhüllen, während sie auf die Fensterbank hinaufkrabbelte. Sie ging tief in die Hocke und landete mit einem leichten Hopser auf dem Rasen. Auch wenn der unheimliche, fremde Mann, der so plötzlich in ihrem Zimmer aufgetaucht war sie erschreckt hatte, so fand sie zugleich auch alles ziemlich aufregend und spannend. >>Wie im Kino<<, flüsterte sie, sprang auf die Füße und huschte ums Haus, um bald darauf mit der Dunkelheit zu verschmelzen.
Kurze Zeit später erhellte sich plötzlich ihr Zimmer, als das Licht eingeschaltet wurde. Jemand riss fluchend vor Wut das Fenster, durch welches das Mädchen entschlüpft war auf und stierte wie ein Wolf, den man um seine Beute betrogen hatte, in die Nacht hinaus.
>>Verdammtes Balg<<, schimpfte der Kerl. Er ärgerte sich, dass er so dumm und leichtsinnig gewesen war, die Kleine aus den Augen zu lassen. Innerlich rechnete er bereits damit, dass die Göre bald mit irgendwelchen Nachbarn oder gar den Bullen auftauchen würde. >>Zeit, die Segel zu streichen.<<
Als Souvenir hinterließ er eine mit den Schuhen ausgetretene Zigarettenkippe auf dem Treppenabsatz vor der Eingangstür.
Irgendwo knackten Zweige in der Dunkelheit. Das Knacken wurde von leichten, schnellen Kinderfüßen begleitet.
>>Ich würde dir liebend gerne deinen Arsch versohlen<<, murmelte der Mann, doch er hatte nicht die geringste Lust mit der Kleinen Fangen zu spielen und so verwarf er den Gedanken rasch wieder.
Das Grollen eines schweren Motorrads dröhnte im selben Moment durch die nächtliche Straße, wurde lauter und lauter. Der Mann hegte keinen Zweifel, dass die Maschine sehr rasch näherkam.
>>Falsch verbunden<<, stieß der Kerl in Gedanken gehässig hervor, dann fiel schlagartig der Groschen. Er hatte keinen Zweifel, dass es sich bei dem Motorradfahrer um die Anruferin handelte, die einige Zeit zuvor mit ihm telefoniert hatte. Das Motorrad verlangsamte seine Fahrt, wodurch das Grollen der Maschine in ein sanftes Brummen überging.
>>Maaaaaammmmiiii<<, plärrte irgendwo ein helles, zögerliches Kinderstimmchen, als die Harley endlich zum Stehen kam.
Die zierliche Frau auf dem Rücken der Maschine klappte das Visier ihres Helmes hoch und starrte völlig entgeistert, aber doch zutiefst erleichtert auf ihre Tochter, die sich vor ihr wild gestikulierend aus der Dunkelheit schälte. Dann erblickte sie den fremden Mann auf dem Treppenabsatz vor ihrer Haustür und der unbekannte Kerl sah sie ...
Mit raschen Schritten kam er näher und Han hatte das Gefühl, als würde das schmierige Grinsen im Gesicht des Mannes größer und größer, als wüsste er bereits siegessicher, dass sie ihm nicht entkommen konnte.
>>Spring auf! Schnell ... mach schon ... beeil dich, er hat uns gleich erreicht ... <<
Schon umklammerte Su-Lin mit beiden Armen den Oberkörper ihrer Mutter die Vollgas gab, bis sich die schwere Maschine wie ein sprungbereiter Löwe kurz auf das Hinterrad stellte und davonjagte. Das Mädchen drehte kurz den Kopf, um über ihre Schulter nach hinten zu blicken, wodurch der Fahrtwind ihre Haare zerzauste.
>>Der Mann steigt in ein blaues Auto<<, kreischte Su-Lin über den Motorenlärm ihrer Mutter zu. >>Jetzt verfolgt er uns.<<
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