Die Sicherheitsberaterin deutete auf die beiden stumm und ehrfürchtig schweigenden Männer — hochrangige Vertreter von FBI und CIA, verantwortlich für die innere Sicherheit des Landes — zu ihrer Linken. Ein Mittfünfziger im dunklen Nadelstreifenanzug trat schließlich einen Schritt vor. Er hatte ein rosiges, fülliges Vollmondgesicht und sein ansonsten kahler Schädel wurde von einem dünnen silbrigen Haarkranz umrahmt. Der Mann genoss sichtlich die ihm zuteilgewordene Aufmerksamkeit, rückte ruhig, fast schon bedächtig seine dicke, altmodische Hornbrille zurecht und tat einen tiefen Atemzug, der die Fleischmassen über seinem Gürtel in Bewegung brachte.
>>Burke? Kommen Sie endlich zur Sache, oder sollen wir Ihnen vielleicht von den Lippen ablesen?<<, mahnte die Sicherheitsberaterin, woraufhin der Angesprochene schuldbeflissen seine klugen, listigen Augen zu Boden senkte.
>>Verzeihung.<<
>>Also?<<
>>Eine konkrete, verlässliche Aussage über die Höhe der entstandenen Schäden lässt sich zurzeit leider nicht erstellen. Die Aufräum- und Bergungsarbeiten dauern wahrscheinlich noch Tage, wenn nicht gar Wochen. Viel schlimmer sieht es aus in Bezug auf die Opfer. 47 wurden direkt oder unmittelbar durch die Explosion getötet. Darunter auch der Attentäter. Das, was von seinem Körper noch übrig geblieben ist, ist für eine Identifizierung nicht geeignet. Gewebe und Knochenfragmente wurden über Hunderte von Meter verstreut. Derzeit wissen wir weder mit Sicherheit, wer er ist, noch wo er herkam. Die Gerichtsmediziner versuchen zurzeit, durch Untersuchungen von DNA und Zahnsplittern weiterzukommen. 229 Verletzte haben die Rettungskräfte bislang registriert, von denen vermutlich elf in den nächsten Tagen an ihren schweren Verletzungen sterben werden. Doch es hätte schlimmer kommen können, viel schlimmer ... <<
Burke berichtete von dem mit Kerosin beladenen Güterzug.
>>Wir alle sind Specialagent Jamal zutiefst zu Dank verpflichtet. Er war zufällig vor Ort, hat anscheinend einen kühlen Kopf bewahrt und die Ausweitung der Katastrophe damit verhindert ... <<
Burke fuhr mit einer kurzen Beschreibung von Jamals Lebenslauf fort.
>>Ein ehemaliger Harvardabsolvent ... cum laude ... dann United-States-Marine-Korps ... brachte es dort bis zum Lieutenant, bevor er von uns ... ich meine natürlich von der Regierung angeheuert wurde ... einer unserer besten und zuverlässigsten Männer — erfahren, hochintelligent, körperlich absolut topfit, hohes Maß an Selbstkontrolle, auch unter Stress ... spricht fließend mehrere Sprachen ... ein überaus integerer, loyaler und zuverlässiger Charakter ... <<
>>Ich werde ihn mit dem Silverstar auszeichnen lassen<<, erwiderte der President.
Price, die Sicherheitsberaterin, kannte Jamal schon seit seinem Eintritt in den Staatsdienst und war von seinem Charme genauso fasziniert, wie von seiner bescheidenen, normalerweise zurückhaltenden Art. >>Es gibt sichere Hinweise, dass Karem-Abu Jossr hinter dem Anschlag steckt. Das letzte Lebenszeichen von Jossr stammte aus Frankreich ... um genau zu sein: Paris ... <<
>>Dann wird es, glaube ich, höchste Zeit, dass wir einen unserer Männer nach Europa schicken, um diesen Hundesohn bei den Ei... <<
>>Mister President!<< Price war eine solche Ausdrucksweise ihres Vorgesetzten alles andere als gewohnt.
>>Entschuldigung ... ich meine natürlich, dass es höchste Zeit wird, Jossr ein für alle Mal das Handwerk zu legen<<, korrigierte sich Donald Harellson, der Präsident, rasch. >>Da draußen vor dem Oval Office lauern drei Dutzend Reporter, die nur darauf warten sich wie blutgierige Wölfe auf uns zu stürzen ... noch dazu stehen in einem halben Jahr die nächsten Präsidentschaftswahlen an ... ich kann mir gut vorstellen, dass die Presse zusammen mit der Opposition mächtig Druck auf uns ausüben wird wegen des aktuellen Terroranschlags. Deswegen wird es wichtig für uns alle werden Ergebnisse zu liefern. Schuldige zu finden. Ehe es jemand anderes tut, der vielleicht die Dinge nach seinem eigenen Gutdünken auslegt ... <<
>>Wir sollten unseren Besuch in Frankreich offiziell machen ... ich halte es für ratsam, den französischen Staatschef über den aktuellen Stand der Dinge in Kenntnis zu setzen, da wir mit ziemlicher Sicherheit auch auf die Hilfe der französischen Behörden angewiesen sein werden. Es wäre außerdem ratsam ein Zweierteam über den großen Teich zu schicken. Das hat nicht nur den Vorteil, dass zwei paar Augen und Ohren mehr wahrnehmen. Falls einem unserer Leute etwas zustoßen sollte könnte der andere die Arbeit fortführen<<, fügte Price hinzu.
>>Gute Idee, nur wen von unseren Leuten sollten wir Jamal als Partner bei dem ihm vorliegenden Auftrag zur Hand gehen lassen?<< Harellson blickte fragend in die Runde.
>>Dinks?<<
Price funkelte Burke böse an. >>Kommt nicht infrage, der Junge ist noch viel zu grün und unerfahren. Außerdem ist er hitzig und temperamentvoll. Wir können in Paris keinen Ramboverschnitt brauchen.<<
>>Partons?<<, fragte Burke zögernd.
Die Sicherheitsberaterin schüttelte energisch den Kopf. >>Ich denke nicht, dass Partons schon wieder hundertprozentig einsatzfähig ist. Er hatte sich vor ein paar Monaten erst bei einer Übung das Sprunggelenk frakturiert, als er mit ein paar anderen Jungs das Abseilen von Hubschraubern trainierte. Er ist zwar ein guter Mann, aber ich möchte kein unnötiges Risiko eingehen.<<
>>Heller?<<
Specialagent Heller war zwar, was seine Arbeit anbelangte top, aber charakterlich sicherlich nicht jedermanns Kragenweite. Dazu trug nicht zuletzt auch seine bisweilen aufdringliche, manchmal auch überhebliche Art bei. Price schwieg einen kurzen Augenblick — ein Zeichen, dass sie nachdachte. Sie wusste, dass Jamal und Heller bislang noch nie als Teampartner gemeinsam gearbeitet hatten und daher fragte sie sich spontan, wie die beiden wohl miteinander zurechtkommen würden. Jamal würde vermutlich gute Mine zum bösen Spiel machen. >>Ach was, sie sollen miteinander arbeiten ... und sich nicht heiraten<<, murmelte sie schließlich, dann nickte sie.
>>Einverstanden<<, fügte der Präsident hinzu. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er das intensive Bedürfnis nach einer Zigarette, doch er widerstand tapfer. >>Gibt es sonst irgendwelche schlechten Neuigkeiten, die mir meinen Tag noch mehr verderben könnten?<<
Price nickte düster. >>Ich fürchte ja.<<
Das Oberhaupt der USA hatte das Gefühl, als hätte man ihm ein Glas Eiswasser ins Gesicht geschüttet.
>>Unsere russischen Freunde wurden von den Terroristen ebenso wenig verschont wie wir. Irgendwelche Verrückten haben vor wenigen Stunden versucht einen Militärkonvoi zu überfallen. Der Premier im Kreml hat einen wahren Tobsuchtsanfall bekommen, als er davon erfahren hat. Er hat unverzüglich den Befehl gegeben die Terroristen mit allen erdenklichen Mitteln zur Strecke zu bringen. Die ganze Aktion erscheint mir von vornherein als völliger Wahnsinn. Ein russischer Jeep wurde durch eine Panzerfaust der Terroristen getroffen und förmlich in Stücke gerissen. Der Befehlshaber der 5. russischen Infanteriedivision, Oberst Wolkov, erahnte jedoch irgendwie intuitiv die Pläne seine Gegner und so ließ er die ganze Kompanie, die dabei war von einem ihrer Manöver nach Hause zurückzukehren, kurzerhand in der Nähe einer Brücke anhalten und ausschwärmen. Der Rest ist, wie sich bereits alle denken können, Geschichte. Hunderte und Aberhunderte schwer bewaffnete Soldaten strömten aus und begannen Jagd auf die Terroristen zu machen. Die leisteten zwar noch eine Weile Gegenwehr, waren letztlich aber doch der übermächtigen russischen Armee hoffnungslos unterlegen. Keiner von ihnen überlebte. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um tschetschenische Rebellen. Als Wolkovs Sprengstoffexperten die Brücke untersuchten stellten sie fest, dass an nahezu allen Brückenpfeilern Sprengladungen angebracht worden waren. Die hätten ausgereicht, um die gesamte Konstruktion in die Luft zu blasen.<<
Читать дальше