Die Hebelstraße war von zwei Seiten zu erreichen.
Jenny, die Don mit sich führte, lief unten herum. Mel und ich nahmen den anderen Weg. Die Straße hinauf, rechts in die Querstraße und dann wieder hinunter. Vorbei an den unzähligen alten Häusern, die diesen Straßenzügen ihr charakteristisches Aussehen verliehen. Triste und verschnörkelte Hausfassaden, die uns mit ihren vielen Vorbauten und Nischen eine gute Deckung boten.
Wenn Don eine von uns sehen würde, dann war alles vorbei, darum schauten wir uns immer wieder um. Versicherten uns, dass er, wenn er in Hebelstraße einbog, uns nicht sehen konnte. Er war zwar angetrunken, doch richtig blau war er noch lange nicht. Zumindest glaubten wir das.
Mit schnellen Schritten rannten wir die Hebelstraße hinab und bogen in die Einfahrt vom Haus Nummer Acht ein. Melanie öffnete das nur angelehnte alte Tor zur Durchfahrt. Ließ es einen Spalt weit offen, als Zeichen für Jenny. Damit sie wusste, das wir bereits hier waren und dann liefen Melanie und ich in den Hof.
Alles hier war alt und verfallen. Von den Hauswänden bröckelte der Putz ab und unzählige, eingeworfene Fensterscheiben, in farblosen Holzrahmen starrten uns an. Auf der rechten Seite befand sich eine Treppe. Vier Stufen, die zu einer breiten Eingangstür führten. Eine Hälfte der Tür fehlte, die andere stand offen.
Rasch liefen wir in den Hausflur.
Es roch nach Moder und abgestandener Luft. Dreck und Abfall lag in den Ecken der Treppenstufen und auf den Etagen. Alles faulte langsam vor sich hin.
Das ganze Haus war in den letzten Monaten zu einer Art Spielplatz mutiert. Seit dem Tag, an dem ein Kind herausgefunden hatte, das das große Hoftor nur angelehnt war. So hatte das Haus an Reiz und Interesse gewonnen und fast jeder Jugendliche, hatte es sich schon einmal von innen angeschaut. Entweder weil ihn die Abenteuerlust angetrieben hatte, oder aus reiner Neugier.
Melanie ging zur Tür der Erdgeschosswohnung und rüttelte am Griff.
»Zu!«, stellte sie niedergeschlagen fest.
Ich drückte sie zur Seite und trat gegen das Türblatt.
Das Holz knarrte und man hörte, wie auf der anderen Seite etwas abbrach.
Melanie drückte nochmals auf den Griff und die Tür öffnete sich.
Schnell schlüpften wir hindurch. Ließen die Tür offen stehen und schauten uns um. Die Wohnung sah furchtbar aus. Überall lag Dreck und Müll und erfüllte die Luft mit einem seltsamen Geruch, der abstoßend und beißend in den Räumen schwebte.
Ich fand einen runden Pfahl, der an der Wand im Flur lehnte.
Ein Holzpfahl, der auf einer Seite angespitzt worden war.
Etwas verwundert, nahm ich ihn an mich.
Die einzige Waffe. Etwas Besseres hatten wir nicht, um uns gegen Don zur Wehr zu setzen. Doch es sollte genügen, um ihm eins überzuziehen. Schließlich wollten wir ihn nicht töten.
Dann schauten wir uns weiter um.
Die Fenster waren überall dort abgeklebt, wo man zuvor die Glasscheiben eingeworfen hatte und die wenigen Scheiben, die nicht zugeklebt worden waren, waren so verschmutzt, das nur wenig Licht in die Räume fiel.
Neben der Eingangstür befand sich ein Bad.
Von dort drang ein beißender Geruch in die Wohnung, der sich mit den anderen Gerüchen vermischte und so den Wunsch aufkommen ließ, diese Räume möglichst schnell wieder verlassen zu wollen. Doch wir hatten uns zu dieser Idee hinreißen lassen und jetzt war es zu spät, sich an Gerüchen zu stören.
Draußen vom Gang hörte man bereits Stimmen.
Jenny, die etwas sagte und Don, der nur brummte.
Dann knarrte eine der Holzstufen im Treppenhaus.
Melanie kam schnell zu mir und gemeinsam versteckten wir uns im Bad.
Unser Puls schlug uns bis zum Hals.
Unsere Körper zitterten. Alles ging plötzlich viel zu schnell.
Jede Handlung schien unüberlegt und hastig abzulaufen.
»Nicht gerade ein Traum!«, sagte Jenny, als sie eintrat und Don hinter ihr die Tür schloss.
Bei dem Anblick, bekam Jenny Angst.
Sie hoffte, das wir bereits hier waren und versuchte irgend einen Hinweis zu finden, den wir ihr hinterlassen haben könnten. Doch bei dem Unrat, der überall herum lag, konnte sie nichts erkennen. Den Hinweis mit dem Hoftor, hatte sie nicht verstanden, oder ihn einfach übersehen.
Plötzlich wurde sie nervös.
Don packte sie in diesem Moment am Arm und schob sie hinüber zur Wand. So wie er es auch mit Melanie getan hatte.
Jenny piepste kurz, vermied es aber zu schreien.
»Lass uns anfangen!«, schlug Don vor und fummelte an seiner Hose herum.
Doch seine speckigen Finger, die vor Nervosität zitterten, schafften es nicht, den Kopf auf zubekommen.
»Hilf mir verdammt!«, brüllte er. Doch Jenny schaute ihn nur angsterfüllt an. Ihr wurde plötzlich bewusst, in welcher Gefahr sie schwebte und vor allen Dingen, wer ihr gegenüber stand. Er packte ihren linken Arm und führte ihn an seinen Schritt, während er mit der anderen Hand nach ihrer Brust grabschte. Dabei schlug ihr sein stinkender Atem ins Gesicht und er kam immer näher, und dann gab es einen dumpfen Schlag.
Ein Ruck fuhr durch das zierliche Mädchen, das wie erstarrt mit dem Rücken an der baufälligen Wand stand und beobachtete, wie Donald Herbs Hand unter ihr Top rutschte, über ihre nackte Brust glitt, bevor er bewusstlos zusammenbrach.
Dann starrte Jenny auf mich. Wie ich mit dem angespitzten Knüppel hinter Donald stand und bereit war, ein weiteres mal zuzuschlagen. Mit einem festen Schlag, hatte ich ihn umgehauen und jetzt lag er am Boden.
Jenny zog ihr Top zurecht, das Donald mit seiner Hand aus der Form gebracht hatte und dann trat sie auf Don ein, der regungslos am Boden lag. Dabei rief sie laut: »Du Schwein! Du verfluchtes Schwein!«
Wieder trat sie zu und Melanie musste sie zurückhalten. »Hör auf!«
Sie schaute Jenny dabei böse an. »Wir wollen ihn demütigen! Nicht umbringen.«
Dabei kam sie sich fast lächerlich vor, als ihr in den Sinn kam, das Reiner an jenem Abend das gleiche zu Don gesagt hatte, als dieser auf sie eingetreten hatte.
»Ja hör auf!«, pflichtete ich Melanie bei und warf den Pfahl, mit dem ich zugeschlagen hatte weg. Sodass er polternd auf dem Boden landete und dann durch den Raum rollte, bis er vor der Wand liegen blieb.
»Wir ziehen ihn aus!«, entschied Melanie und packte Dons Jacke. »Wozu trägt der bei diesen Temperaturen eine Jacke«, maulte sie dabei und zog an seinem Ärmel herum, so dass Donald eine ungewollte Rolle auf dem Boden absolvierte und dann griff sie nach seinem Oberteil.
Ein stinkiges T-Shirt, das er vermutlich schon seit Wochen trug.
Es kostete sie einiges an Anstrengung, ihm das verschwitzte Teil über seinen dicken Kopf zu ziehen. Dabei kam ein speckiger, stark behaarter Oberkörper zum Vorschein, der uns alle drei anekelte.
Die Schuhe, die Hose und dann kam die Unterhose. Leicht gelblich schimmerte sie im Schritt und wir warfen uns einen ratlosen Blick zu.
Plötzlich sagte ich: »Stellt euch nicht so an!«
Ich packte die Unterhose am Gummibund und zog.
Mit einem kurzen ratschenden Ton, zerriss das Gummiband und plötzlich konnten wir alle auf seinen Penis blicken.
»Der ist ja ganz krumm!«, sagte Jenny mit einem gewissen Ekel in ihrer Stimme.
»Und klein ist er auch!«, Melanie schaute genauer hin. »Müsste der bei so einem Kerl nicht größer sein?«
»Vielleicht benutzt er ihn zu wenig!«, mutmaßte ich, mit einem nachdenklichen Blick auf Dons wertvollstes Stück.
Damals wusste keiner von uns mehr dazu zu sagen.
»Lasst uns gehen!«, Melanie fühlte sich plötzlich unwohl. Sie sammelte Dons Kleider ein und bildete daraus einen Knäul. Dann öffneten wir die Tür und betraten den Hausflur, als wir alle erschraken.
Vor uns im Gang, stand ein kleiner Mann. Er trug einen Arbeitskittel und schaute uns skeptisch an.
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