5.5.3 Die Behauptung der EU als Friedens- , wirtschafts-, sozialpolitisches und sozio-kulturelles Projekt im Konzert der Weltmächte im 21. Jahrhundert?
5.6 Sozio-ökonomische Evaluation und die notwendigen Reformschritte
6 Interdependenzen, Problemkumulation und wissenschaftliche und politische Herausforderungen
6.1 Die Zusammenhänge der vier Krisen
6.2 Die neue Unübersichtlichkeit in globaler Perspektive - die zunehmende Bedeutung von Resilienz und Nachhaltigkeit
6.3 Vor dem Scherbenhaufen der herrschenden Wirtschaftswissenschaften - was nun?
6.4 Politische Neuorientierung und Rückbesinnung auf Werte
6.4.1 Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert
6.4.2 Grundfreiheiten in der EU
6.4.3 Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips
6.4.4 Stärkung der Demokratie - Zurückdrängung des Lobbyismus und Korruptionsbekämpfung
6.4.5 Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit
6.5 Hat sich der sozio-ökonomische Ansatz bewährt?
7 Anhang 1: Weitere Krisenprofile wichtiger internationaler Banken
7.1 USA
7.1.1 Wells Fargo
7.1.2 Morgan Stanley
7.1.3 Citigroup
7.2 Großbritannien
7.2.1 Lloyds Banking Group
7.2.2 Northern Rock
7.2.3 Ermittlungen gegen die Bank of England
7.3 Deutschland
7.3.1 Commerzbank
7.4 Niederlande
7.4.1 SNS Reaal
7.5 Schweiz
7.5.1 Wegelin
7.6 Vatikanstaat
7.6.1 Instituto per le Opere di Religione (IOR, Vatikanbank Rom)
8 Anhang 2: Sozio-Ökonomie und ähnliche Ansätze und Vorläufer
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Wiederholungen sind unvermeidbar, weil jeder der vier Teile für sich verständlich sein soll. Deshalb werden die Entwicklungen in besonderen Krisenländern mehrfach geschildert allerdings mit je spezifischem Akzent. Die jeweiligen Zahlen können voneinander geringfügig abweichen, weil zum Teil unterschiedliche Quellen verwandt worden sind.
Wir schrieben vor einem Jahr das Jahr 2014: 200 Jahre nach dem Wiener Kongress als Reaktion auf die napoleonischen Kriege, - der Wiener Kongress als der 2. Versuch nach dem westfälischen Frieden eine "dauerhafte" Friedensordnung in Europa zu etablieren -, 100 Jahre nach Beginn des 1. Weltkrieges, 75 Jahre nach Beginn des 2. Weltkrieges, der mit dem 1. Weltkrieg zusammenhängt und den Tiefpunkt jeder zivilisierten Entwicklung in Europa markiert. 2014 sind aber auch 65 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes vergangen, der freiheitlichsten Verfassung in Deutschland, die es je gab, und 25 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Union und des Mauerfalls in Berlin. Dieses freudige Ereignis ermöglichte inzwischen 9 osteuropäischen Staaten, der Europäischen Union beizutreten, und damit nach Europa zurückzukehren. 2014 fanden auch Wahlen zum europäischen Parlament statt und es wurde eine neue EU Kommission unter ihrem Präsidenten Jean Claude Juncker gebildet. Die Europäische Union seit 1956 gewachsen, auch und gerade jetzt unter Einschluss osteuropäischer Staaten und Slovenien und Kroatien, ist gemessen an den Kriegen vorher und den Zeiten des "kalten Krieges" und gemessen an früherem Nationalismus ein "Wunder" und ist sowohl politisch als auch ökonomisch ein historisch einmaliges Freiheits- und Friedenswerk in Bezug auf die Integration ganz verschiedener Völker und Länder nach demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien. Am 10. Dezember 2012 erhielt die EU den Friedensnobelpreis - nicht nur eine Anerkennung des bisher Geleisteten sondern auch eine Verpflichtung für die Zukunft!
Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 haben aber auch zwei besorgniserregende Ergebnisse gezeitigt; zum einen war die Wahlbeteiligung in einigen Ländern wie z.B. in der Slowakei sehr gering, zum anderen haben Parteien mit dezidiert antieuropäischen Programmen starken Zulauf erhalten: So wurde die Front National in Frankreich dort die stärkste Partei, ebenso die UKIP in Großbritannien. Dies zeigt, dass die Begeisterung für das europäische Integrationsprojekt stark nachgelassen hat. Die Revolution in der Ukraine in diesem gleichen Jahr ist trotzdem auch ein Zeichen, welche Strahlkraft die Europäische Union zumindest nach außen nach wie vor entfaltet, auch wenn die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Destabilisierung zumindest der Ostukraine durch Russland unter Führung von Putin ein barbarischer Rückfall ins 19. bzw. 20. Jahrhundert darstellt. Diese Entwicklungen gemahnen, den erreichten Stand der europäischen Integration nach innen nicht als selbstverständlich und auf Dauer gesichert anzusehen und nach außen weiterhin konsequent eine offene Nachbarschaftspolitik auch und gerade der Ukraine gegenüber zu betreiben. Dies ist leicht gesagt aber schwer zu realisieren: Für ein vereintes Europa und ein Europa der friedlichen Nachbarschaft muss auf allen Ebenen der Politik und Zivilgesellschaft geworben und gekämpft werden.
Im Jahre 2000 hatte die EU das Ziel formuliert, bis zum Jahre 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Dies ist nicht gelungen. Im Gegenteil: Die EU steckt heute in der tiefsten Krise ihrer Geschichte, geprägt durch demographischen Wandel - Europa ist der einzige Erdteil, dessen Bevölkerung sinkt -, hohe, bisher immer noch wachsende Staatsverschuldung, politische Krisen in wichtigen Ländern der EU wie z. B. Griechenland, Italien oder Spanien, eine hartnäckige globale Finanzmarkt- und eine tiefgehende Eurokrise mit zentrifugalen Desintegrationskräften, schwaches und uneinheitliches Wirtschaftswachstum und strukturelle Arbeitslosigkeit mit besonders einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50% wie in Spanien. Außerdem stellen in vielen Ländern Europas rechts-populistische Parteien verstärkt die europäische Integration grundsätzlich in Frage.
Es stellt sich also die Frage, wie es zu diesen Europäischen Krisen kommen konnte, wieso strategische integrationspolitische Orientierungen sowohl auf EU- als auch auf nationalstaatlicher Ebene ins Leere liefen, wieso Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik offenbar versagt haben und vor diesem Erfahrungshintergrund welche Perspektiven es auf dem Weg zur Sicherung der europäischen Integration zu wieder dynamischem Wirtschaftswachstum, hoher Beschäftigung, ausgeglichener Einkommens- und Vermögensverteilung, Abbau der Staatsverschuldung und wirtschaftlicher und politischer Stabilität gibt. Grundsätzlich ist nach einer Neubestimmung des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft, nach Regulierungsanforderungen besonders für Banken und nach ordnungspolitischer Neuorientierung besonders in der Eurozone zu fragen. Es geht um nicht weniger als um den weiteren Zusammenhalt der europäischen Union. Dabei müssen auch die Interdependenzen zwischen den Krisen herausgearbeitet werden: Wie weit haben die Rettungspakete für Banken in Schieflage die Staatsverschuldung weiter vorangetrieben? Ist dadurch die Eurokrise überhaupt erst ausgebrochen? Ist die Rettungspolitik gegenüber Griechenland gescheitert? Wenn ja, was dann? Haben Staatsschulden- und Eurokrise die drohende Spaltung Europas in einen prosperierenden Norden und einen kranken Süden beschleunigt? Nur wenn diese Fragen beantwortet sind, lässt sich auch eine umfassende Strategie zur Bekämpfung der verschiedenen, und doch zusammenhängenden Krisen diskutieren. Der Begriff der Krise umfasst daher zwei Perspektiven: Zum einen geht es um die Erfassung sich zuspitzender Fehlentwicklungen im Sinne einer abwärts gerichteten Spirale, zum anderen geht es um die Auslotung der Bedingungen eines Neuanfangs, um die Chancen, die Krise zu überwinden und in Zukunft zu verhindern.
Die Verwendung des Begriffes "Sozio-Ökonomie" ist Ausdruck eines Programms: Es geht darum, einen Beitrag zur Re - Formulierung der herrschenden Wirtschaftstheorie des Modell- orientierten "zeitlosen" Neo-Liberalismus zu leisten. Nur so können die Wirtschaftswissenschaften wieder als Sozialwissenschaften etabliert werden. Dies bedeutet, dass Kategorien wie Machtausübung und Herrschaft zentral für die sozio-ökonomischen Analysen sein müssen. Dies bedeutet weiterhin, dass wirtschaftliche Entwicklungen in ihrem jeweiligen historischen und sozialen Kontexten zu behandeln und dabei psychologische, soziologische, politische und juristisch-regulatorische Aspekte zu berücksichtigen sind. Daher ist ein interdisziplinärer Ansatz geboten.
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