1 ...7 8 9 11 12 13 ...23 Ganz in der Nähe erspähte er einen typischen Diner, auf den er sofort und schnurstracks Kurs hielt. Die Ladenglocke klingelte fröhlich als Loki das Restaurant betrat. Die Tresenkraft wischte lustlos die hölzerne Theke mit einem Tuch sauber. Als sie des gutgekleideten Herrn gewahr wurde, knipste sie sofort ein professionelles Lächeln an. Loki, jetzt George Weston, nahm an einem Fenstertisch Platz. Emsig kam die uniformierte Serviererin, ganz Gewehr bei Fuß, an seinen Tisch. Block und Stift aufmerksam gezückt, nickte sie dem Gast freundlich zu.
»Guten Morgen Sir. Was darf ich Ihnen bringen?«, fragte sie, mit noch immer professionell gebleckten Zähnen.
»Hm, was essen hier die Götter?«, fragte George Weston und musterte die Bedienung gerade so, als vermutete er, sie könne an einer Gesichtslähmung leiden.
Die Servicekraft ließ Block und Stift sinken, sah sich verstohlen um, gleich so, als würde sie nach einer verborgenen Kamera suchen. Sie überlegte angestrengt und machte einen Gesichtsausdruck, als wolle sie ein Ei legen. Doch dann strahlte sie doppelt so grell über ihren eigenen Geistesblitz: »Vielleicht Götterspeise? Die könnte ich Ihnen anbieten. Ob Götter sie hier essen, das kann ich nicht sagen. Bisher war hier noch keiner von dieser Sorte«, verriet sie im vertraulichen Ton. Loki verzog eine Braue und überlegte.
»Okay, aber eine große Portion, klar? Ich bin total ausgehungert!«
»Rote, oder Grüne?«, hakte die Serviererin nach.
»Was? Igitt! Wer isst denn grüne Sachen! Das ist doch total ungesund! Bring mir Rote, holde Maid, aber zügig!«, befahl er und die Kellnerin eilte von dannen.
Als sie wieder am Tisch erschien, hielt sie die wacklige Masse auf einem Teller bereit. Grinsend stellte sie den Pudding vor ihren Gast und wünschte ihm einen guten Appetit. In Windeseile schaufelte Loki die wabblige Masse in den Mund. Zumindest versuchte er es, denn die großen Portionen, die er mit dem Löffel ausstanzte, fielen teilweise wieder zurück auf den Teller. In Nullkommanix war der Teller blank. Loki war immer noch nicht befriedigt und warf den Teller hinter sich, worauf die entsetzte Kellnerin sofort mit Schaufel und Besen erschien. »Oh, das macht doch nichts, das kann jedem mal passieren!«, schwatzte sie und kehrte auf.
»Widerliches Zeug, da waren noch nicht mal Knochen drin! Bringe Sie mir Brot! Viel Brot! Und Schinken, viel Schinken! Und ein paar gebratene Eier!...«
»Lassen Sie mich raten: Viele Eier! Richtig? Und etwas zu trinken dazu?«, fragte die Serviererin freundlich.
»Ja, irgendwas! Ist mir egal! Nur soll es schnell gehen! Laufe Sie! Hurtig!«
Noch immer mit Kehrblech und Besen bewaffnet, eilte sie in Richtung Küche. Schon als sie heute Morgen aufwachte, wusste sie, dass dieser mal wieder einer dieser ganz verrückten Tage werden würde. Das sagte jedenfalls ihr Großer Zeh, der empfindlich bis zum Ballen schmerzte. Blieb nur zu hoffen, dass der Kerl ein ordentliches Trinkgeld gab.
Kurz darauf kam sie beladen mit einem vollen Teller Rührei mit gebratenem Schinken, einer Brotplatte und einer Kanne Kaffee zurück, und kredenzte die Speisen. Mit offenem Mund verfolgte sie, wie der Gast alles in sich hinein schlang. Und als ihr das bewusst wurde, schenkte sie schleunigst Kaffee ein. Da ihr der Herr immer unsympathischer wurde, ließ sie die Kanne direkt auf dem Tisch stehen. Sie hatte das Gefühl sich schnellstens eine Beschäftigung suchen zu müssen, die von diesem Tisch fortführte. Und der Kerl bedankte sich noch nicht einmal, sondern mampfte und soff wie ein Bierkutscher. Was völlig konträr zu seinem Äußeren stand. Schnellstens suchte sie Schutz hinter der Theke und widmete sich wieder der Wischerei. Als die Türglocke klingelte und sie aufsah, war der Kerl verschwunden. Auf dem Tisch lag ein Hundert Dollarschein...
*
Um etwas zu erschaffen, müssen ein oder mehrere Dinge gleichen Wertes zerstört werden.
(Weinbrecht Ulferdingen)
N un kam es mir nicht mehr besonders merkwürdig vor, als ich wieder zu Amanda zurückkehrte, und sie mich erwartungsvoll angrinste. Nun wusste ich auch warum.
»Na, hast du Helma Schmidt jetzt gesehen? Aus ärztlicher Sicht frage ich mich, wieso sie überhaupt so alt werden konnte. Die Frau raucht wie ein Schlot.«
»Ja, ich habe sie mehr oder weniger durch die Rauschschwaden gesehen. Was soll daran so ungewöhnlich sein? Schließlich saufe ich auch wie ein Loch«, gab ich zurück. »Gut, dass ich Agnir nicht mitgenommen habe. Diese Frau ist schon ein wenig gruselig, wenn sie dich so aus ihren trüben, grauen Augen ansieht. Das soll aber nicht heißen, dass ich mich vor ihr grusle, ich habe schon Schlimmeres gesehen. Jedes Mal, nach dem Aufstehen, wenn ich in den Spiegel gucke«, grinste ich.
»Wem sagst du das?«, fragte Amanda und gab mir einen kecken Klaps auf den Hintern. Jetzt machte sich auch Agnir wieder bemerkbar: »Wann gehen wir endlich fischen? Ich langweile mich!«
Ja, wenn Junior sich langweilte, dann wurde es kritisch.
»Komm, Agnir. Erst besuchen wir Onkel Cornelius, dann gehen wir fischen, das haben wir doch so besprochen«, setzte ich ihm den Fahrradhelm wieder auf.
»Ach Männo! Den blöden Helm brauche ich hier drin doch gar nicht!«, grummelte er.
»Oh doch! Glaube mir. Ich kenne Connie schon etwas länger als du. Komm jetzt, du Quälgeist. Gib Mami noch einen Kuss!«
»Na gut!«, murrte er und zog sie am Kittel, damit sie sich bückte.
»Dann mal viel Erfolg ihr beiden«, meinte Amanda, als sie Agnir und mich verabschiedete. Wir winkten ihr und verließen den Raum.
Ein paar Türen weiter erreichten wir Cornelius´ Refugium. Vor nicht ganz einem Jahr war Cornelius noch der Leiter von Salomons Ring. Da benutzte er noch das Pseudonym »Salvatore Ormond«. In Paris trafen wir auf einen weiteren Blutsbruder, der uns nicht wohlgesonnen war. Er enthüllte ein paar unangenehme Fakten aus Cornelius´ Vergangenheit, die den armen Connie ziemlich aus der Bahn warfen. Vor allem outete er Cornelius vor unserem Team als Vampir. Anschließend nahm Connie seinen Hut und verzog sich an den unwirtlichsten Ort der Welt. Im Himalaya wollte er meditieren und ein paar Studien betreiben. Einleuchtenderweise wollte er auch von uns nicht gefunden werden. Nur spürten Barbiel und ich ihn auf, weil wir seine Hilfe brauchten. Molly war schwer erkrankt und nur Connie war es möglich, sie wieder zu heilen. Zwangsläufig musste der alte Kiffer mit uns gehen, weshalb er jetzt wieder hier war. Vormals hielt er seine Identität als Vampir vor allen anderen geheim. Nur musste er durch sein Auftauchen doch den Schleier heben, was ihm sehr schwergefallen war. Unsere Leute nahmen diese Enthüllung jedoch sehr gelassen auf und nun brauchte Connie nicht mehr ängstlich darauf bedacht sein, von anderen enttarnt zu werden. Ich verstand das noch nie, denn alle anderen wissen, dass ich ein Vampir bin. Warum sollten sie es bei Cornelius anders aufnehmen? Mein Blutsbruder wollte allerdings nicht mehr die Leitung von Salomons Ring übernehmen, weil er vorher schon den Posten an den ehrenwerten Magus Ambrosius Pistillum abgegeben hatte. Und der wiederum schien alles bestens im Griff zu haben. Da Cornelius ohnehin seine Studien betreiben wollte, packte er die Gelegenheit beim Schopfe und entschied sich, Alchemie zu unterrichten. Neben seiner Lehrtätigkeit hatte er so genug Zeit, sich seinen Alchemie-Studien zu widmen. Ein besonderes Augenmerk sollte man einer weiteren Nebentätigkeit widmen. Als Satan uns vor gar nicht langer Zeit höchstpersönlich besuchte, entließ er einen kleinen, roten Teufel aus seinen Diensten. Ein äußerst seltsamer Vorgang, dass er den kleinen Ructus feuerte. Aber dieser hatte in seinen Augen einfach nicht genug Loyalität an den Tag gelegt. Als der Höllenfürst wieder (samt mir!) davon rauschte, ließ er den kleinen und verwirrten Ructus zurück, der völlig verdattert über die Handlung seines Dienstherren war. Leicht ratlos fragte er, was er jetzt tun solle. Barbiel riet ihm, zuallererst einmal das Lesen und Schreiben zu lernen, denn das konnte er nicht. Ructus ist ein Fehlerteufel. Cornelius nahm sich seiner an und nun hat er Ructus als Schüler. Tja, und jetzt kommt Agnir ins Spiel. Wenn Connie ohnehin schon einen Schüler hat, dann macht ein weiterer den Kohl auch nicht mehr fett.
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