Entschuldigung gute Dame. Ich glaube mein ganzes bisheriges Leben war nur ein Traum gewesen oder wurde einfach so aus der Geschichte der Welt getilgt. Könnten sie bitte in ihrer Kartei nachschauen ob ich existiere?
»Ja, ähm, Entschuldigung. Ein früherer Freund von mir… Wissen sie wir sind zusammen in Harvard gewesen… Ähm, wie gesagt. Ein alter Freund von mir hat mal hier gearbeitet. Und ich bin der Organisator des Klassentreffens das bald stattfindet. Könnten sie für mich bitte überprüfen ob er noch hier arbeitet?« Ja Frank. Du bist der Beste. Eine unglaubwürdigere, konstruiertere Geschichte hättest du dir wohl nicht ausdenken können…
Doch die Empfangsdame schien ihm die Geschichte abzukaufen oder kümmerte es nicht weiter und wollte wissen: »Können sie mir den Namen ihres Freundes nennen?« Frank war einen Moment sprachlos, überrascht wie gut seine Geschichte funktionierte.
»Ähm, ja. Frank… Frank Marshall«, antwortete er schließlich.
»Einen Moment bitte. Ich werde es gleich überprüfen«, entgegnete ihm die Empfangsdame.
Sie tippte eine Zeitlang auf ihrer Tastatur herum. Wobei sie nie das irgendwie aufgesetzte Lächeln verlor. Sie schüttelte langsam den Kopf und meinte: »Es tut mir Leid, Sir. Aber in meiner Kartei existiert ein solcher Name nicht. Es war nie ein Frank Marshall bei uns tätig. Sie müssen sich irren.«
»Das habe ich mir schon gedacht«, entgegnete Frank gelassen. Er setzte ein Grinsen auf, machte kehrt und verließ seine ehemalige Firma.
Frank, das ist wie bei diesem miesen Sandra Bullock Streifen. Die Regierung hat irgend aus einem Grund deine Identität gelöscht… Doch das lässt du nicht mit dir machen. Du nicht…! Verdammt! Bleib bei Verstand! Du befindest dich nicht in einem Film… Das ist die Realität. Und in der Realität werden keine Menschen von der Regierung gelöscht…Verdammt was ist hier los…
Frank hatte seinen Wagen zwei Blocks weiter abstellen müssen. Er hatte keinen Parkplatz in der Nähe seiner ehemaligen Firma gefunden. Frank hatte gar nicht erst versucht, ob er mit seiner Mitarbeiterkarte in die firmeneigene Tiefgarage gelangen konnte. Auf dem Weg zu seinem Wagen stellte er fest, dass er seit fast zwanzig Stunden nichts mehr gegessen hatte. Das Sandwich das er sich letzte Nacht gekauft hatte, lag immer noch in seinem Wagen. Jetzt wo er sich erinnern konnte, wie lange seine letzte Mahlzeit her war, verspürte er großen Hunger. Solchen Hunger, dass sein Magen schmerzte. Etwa zwanzig Meter die Straße hinunter befand sich Jacks Diner, wo er an fast jedem Arbeitstag zu Mittag aß. Sie würde ihn auch hier nicht wieder erkennen. Doch das Essen wird noch dasselbe sein. Also beschleunigte Frank seine Schritte. Er kam an all den vertrauten Bauten vorbei. Diese, welche ihn vor nicht all zu ferner Zeit Tag für Tag begleitet hatten. Das chinesische Restaurant, gleich nach dem italienischen Spezialitäten Laden. Dann diese Bar, in welcher er so manchen seiner Feierabende mit seinen Kollegen von der Arbeit verbrachte. Diese seltsame Bar mit diesen unwirklichen Menschen in ihren Anzügen. Hier waren sie zu finden, hier erwischte man sie bei ihrem täglichen Versuch ihrem Leben etwas Ablenkung vom ansonsten nur mit Arbeit erfüllten Dasein zu gewähren. Was etwas sinnlos erschien, bei der Tatsache dass sie diese Zeit mit Leuten verbrachten, mit denen sie den ganzen Tag zusammen arbeiteten.
Schließlich erreichte er Jacks Diner. Einen Moment lang blieb Frank vor den Türen stehen. Es würde ihn ein gewisses Maß an Überwindung kosten, das Restaurant zu betreten. Doch der Hunger war stärker als seine Skrupel.
Das Restaurant war im Stil der 50er Jahre gestaltet. Der Boden war schwarzweiß kariert, an den Wänden hingen Porträts und Gitarren von Musikern aus den 50ern. Eine ganze Wand war nur Elvis gewidmet. Nur die Fotos aus der Zeit, kurz vor Elvis’ Tod fehlten. Die Zeit wo Elvis so heruntergekommen war, dass er auf der Bühne seine Texte komplett vergaß, weil er zu betrunken war oder unter irgendwelchen Medikamenten stand.
Alles war wie immer. An der Theke saßen die gleichen traurigen Gestalten wie immer. Wahrscheinlich saßen sie den ganzen Tag an der Bar und besoffen sich. Frank nahm in der gewohnten Ecke, an seinem gewohnten Tisch platz. Als die gewohnte Bedienung auf ihn zu kam, machte sich Frank schwache Hoffnungen, dass sie ihn erkannte. Doch die Bedienung säuselte fröhlich: »Was kann ich ihnen bringen, Sir?« Sie hatte ihn noch nie Sir genannt.
»Ähm, ich hätte gern einen Kaffee und dazu Toast mit Speck und Ei«, antwortete ihr Frank.
»Also unser berühmtes 5-Dollar Frühstück«, bestätigte die Bedienung und fuhr schließlich fort, »kann ich ihnen noch was bringen?«
»Nein danke. Das ist alles.«
»Okay. Ich bin gleich zurück.« Die Bedienung machte kehrt als Frank ihr plötzlich hinterher rief: »Ähm, könnten sie mir noch die heutige Zeitung bringen?«
»Aber sicher doch.«
Vielleicht finde ich in der Zeitung irgendeine Erklärung für das was hier vorgeht. Ich muss in der Zeitung nach einem Hinweis suchen.
Ein Mann in einem klischeehaften schwarzen Anzug, einem schwarzen Hut und einem Stock nickte Frank zu. Es handelte sich weniger um ein grüßendes Nicken, als um ein Bestätigendes. Als hätte dieser seltsame Blues Brother seine Gedanken gelesen. Als wollte er ihm sagen Ja Frank. Durchsuch die Zeitung nach einem Hinweis. Du bist auf der richtigen Spur. Frank nickte nicht zurück und konzentrierte sich jetzt auf die Bedienung, die ihm gerade sein Essen brachte.
»Bitte sehr. Ihr 5-Dollar Frühstück.« Wo ist die Zeitung? Wo ist die gottverdammte Zeitung? Hat sie sie vergessen? Wo ist diese Go…
»Ihre Zeitung bringe ich Ihnen gleich. Leider sind im Moment alle vergriffen. Sobald ein frei wird bri…«
»Was soll das heißen, alle Zeitungen sind vergriffen? Ich… Ich brauche diese Zeitung«, unterbrach Frank die Bedienung. Wieso will ich so dringend eine Zeitung. Was ist mit mir los? Es reicht doch auch wenn ich in fünf Minuten erfahre, dass nichts über mich in der Zeitung steht…
»Sie können meine haben, Sir«, lächelte ihn eine ältere Dame an. »Es steht sowieso nur Schlechtes in der Zeitung. Das Leben ist traurig genug. Da habe ich solche Nachrichten nicht nötig.«
Frank bedankte sich etwas verlegen und griff nach der Zeitung. Die Bedienung war längst geflüchtet, als Frank mit dem Essen begann. Jetzt, wo die Zeitung vor ihm auf dem Tisch lag, traute er sich nicht hineinzuschauen. Dasselbe Gefühl, das ihn auf die Idee brachte, die Zeitung nach einem Hinweis zu durchsuchen, hielt ihn jetzt davon ab. Er hatte Angst davor etwas zu entdecken, das er nicht entdecken wollte. Also aß er zuerst auf.
Als Frank mit dem Essen fertig war, blickte er zu dem Tisch wo vorhin der Blues Brother gesessen hatte. Der Tisch war leer. Anscheinend war er gegangen. Nach einem tiefen Seufzer nahm Frank alle Kraft zusammen und öffnete die Zeitung. Die alte Dame hatte recht. Nur Tod und Verderben. Er fand Berichte über diverse Kriege. Ein Flugzeug war in der Nähe von Main abgestürzt. Überall gab es so und so viele Verletzte und so und so viele Tote… Auf der nächsten Seite befände sich der Sportteil der Zeitung. Er wollte gerade umblättern, als er ein Foto neben einem kleinen Bericht entdeckte. Die Überschrift lautete Vermisst. Unter der Überschrift befand sich Franks Foto. Darunter war der Name S. Bloomdale abgedruckt. Franks Herz raste, das Dröhnen in seinem Schädel wurde lauter. Er versuchte sich noch einmal zu vergewissern, dass das wirklich sein Foto war. Das er auf dem Foto abgebildet war. Doch er war es. Es war sein Gesicht. Mit zitternden Händen las Frank den dazugehörigen Text.
Mountains End Der in Mountains End ansässige S.Bloomdale (36) wird seit Sonntagabend vermisst. Mister Bloomdale war von einem Spaziergang nicht mehr zurückgekehrt. An dem besagten Abend hat seine Frau H. Bloomdale bei der Polizei eine Vermisstenmeldung aufgeben. Ihr Mann wird bereits seit über 24 Stunden vermisst. Die Ortsansässige Polizei hat mit der Suche begonnen. Leider fehlt bis jetzt jede Spur. Seine Frau meinte Gegenüber der Zei…
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