Waren es die Benzindämpfe? Überarbeitung… Übermüdung…? Doch seine Überlegung wurde von scheinbar wichtigeren Gedanken verdrängt. Er konnte sich nicht helfen. Aber dass ihn die Frau von vorhin Steve genannt hatte beschäftigte ihn mehr, als die Tatsache dass er ohne wirklichen Grund zusammengebrochen war. Steve…
Frank entschied sich schließlich, einfach umzukehren. Die Vorstellung an sein warmes, weiches Bett mit seiner Frau Sarah daneben übertrumpfte selbst die Gedanken an Steve.
Schließlich bog Frank in seine Straße ein. Als er die Einfahrt herauf fuhr betätigte er die Fernbedienung zu dem Garagentor. Doch nichts geschah. Er versuchte es ein weiteres Mal. Verdammt. Wieso muss man bei diesem scheiß Ding einmal die Woche diese gottverdammten Batterien wechseln…? Seine Laune schien von Sekunde zu Sekunde schlechter zu werden.
Frank legte den Rückwärtsgang ein und trat das Gaspedal durch. Er riss das Lenkrad herum und brachte schließlich den Wagen mit einem unsanften Bremsmanöver zum stehen. Erst jetzt als das Dröhnen in seinem Schädel wieder lauter wurde, bemerkte er, dass es die ganze Zeit nie ganz weg gewesen war. Er schwang sich aus dem Kabriolett, ohne sich die Mühe zu machen die Tür zu öffnen oder das Verdeck zu schließen.
Er öffnete das wie immer quietschende Gartentor. Wann hatte er es das letzte Mal benutzt? Normalerweise kam er nie zu Fuß nach Hause. Deshalb machte Frank immer von der Tür Gebrauch, die von der Tiefgarage direkt ins Treppenhaus führte. Er bewegte sich, immer noch etwas benommen, auf seine Haustür zu. Frank kramte nach seinem Schlüssel und ließ ihn in dem Moment wo er ihn zu fassen kriegte zu Boden fallen. Er hob ihn auf und presste ihn, die Hand zu einer Faust geballt, in seine Handflächen. Frank stand vor der Haustüre und wollte sie gerade aufschließen, als eine weitere Welle dieses Dröhnens Besitz von seinem Schädel – Besitz von seinem Verstand – ergriff. Er versuchte das Dröhnen abzuschütteln und steckte seinen Schlüssel in das Schlüsselloch. Doch als er Ihn bis zur Hälfte in das Loch gesteckt hatte, ging es nicht mehr weiter. Der Schlüssel passte nicht. Der verfluchte Schlüssel will nicht passen. Habe ich mich im Haus geirrt? Nein, ich erkenne doch meine eigene Haustür…!! Ich kenne diesen alten zerbrochenen Blumentopf mit der verdorrten Pflanze, die Sarah letzten Sommer mit nach Hause gebracht hatte. Er kannte diese alte, verrottete Fußmatte mit dem kaum noch lesbaren Willkommensschriftzug. Die Matte, auf der bereits dutzende von Bekannten, Verwandten und Hausierern gestanden hatten um ihren Schmutz abzuladen. Gott… Was ist hier los?
Er ging um den Wohnblock herum, zur Treppe die runter in die Waschküche führte. War die Batterie doch nicht leer…? Trotz dieses Gedankens wurde er mit jeder Stufe die er nahm zuversichtlicher, dass bei dieser Tür sein Schlüssel passen würde. Das Schloss der Vordertür ist bloß verklemmt. Ich darf nicht vergessen morgen den Schlüsseldienst anzurufen. Verdammt! Sein Schlüssel wollte auch an der Hintertür nicht passen. Jetzt ganz ruhig bleiben. Träume ich? Wahrscheinlich einer dieser Träume, irgendwo zwischen Trancezustand und wach sein. Frank hielt inne, schaltete ab. Er wusste nicht wie lange er so da stand. Doch eine plötzliche Idee riss ihn abrupt aus seinen Gedanken. Seiner Idee folgend hastete er die Treppe hinauf, ging um das Gebäude zur Vordertür.
Frank suchte die Chromstahlabdeckung nach der Klingel mit dem Namen Marshall, seinem Namen, ab. Er würde klingeln. Sarah würde ihm mit dem Summer die Tür öffnen und alles würde sich aufklären. Sarah hätte wie immer eine völlig plausible Erklärung bereit. VERFLUCHT. Frank war nicht im Stande die gewünschte Klingel zu finden. Die Welt um ihn fing an sich zu drehen. Der letzte Versuch einen klaren Kopf zu behalten ging schief. Das ganze kann nicht war sein. Es muss sich um einen Traum handeln…
»Sarah!« rief Frank. Er bewegte sich ein paar Schritte von der Fassade weg, um seine Wohnung besser überblicken zu können. Frank beobachtete die Fenster. Doch nichts geschah. Er nahm noch mal alle Kraft zusammen und schrie zum wiederholten Mal: »Sarah!«
Nicht dass Frank wirklich eine Reaktion erwartete. Doch er musste es noch einmal versuchen.
»Sarah!!«
Das Dröhnen in seinem Kopf wurde lauter. Und lauter… lauter…
Er torkelte geistesabwesend zu seinem Wagen. Nachdem Frank sich wieder in seinen Saab geschwungen hatte, saß er hinter dem Steuer auf den Ledersitzen des Kabrioletts. Er begann zu zittern. Seine Atmung wurde unregelmäßig. Irgendetwas war geschehen. Er suchte nach dem Schlüsselloch. Nach zwei, drei Versuchen glitt der Schlüssel in den Schlitz. Der Wagen startete und der Motor heulte auf. Frank raste hinaus in die Nacht…
Wind… Abgasgeruch… Erinnerungen… Gute Erinnerungen… Verwirrung…. Traum…? Motordröhnen… Dröhnen… Aber hauptsächlich… Verwirrung…
Frank bog nach rechts ab. Er war am Ziel. Quer auf dem Bürgersteig brachte er den Wagen zum stehen.
Er ging an Bäumen vorbei. Überquerte eine feuchte Wiese und einen schmalen Gehweg. Er hielt immer auf sein Ziel zu. Bis er schließlich bei der Parkbank ankam. Ein fassungsloser Frank ließ sich schwer darauf nieder und schloss seine Augen. Es muss eine plausible Erklärung geben. Es gibt immer eine logische Erklärung… Immer… Grenzenlose Erschöpfung überkam ihn. Es wurde immer schwieriger sich wach zu halten. Morgen. Morgen würde alles besser sein. Vielleicht war morgen alles vorbei. Vielleicht wachte er morgen zufrieden und erleichtert neben Sarah auf. Und alles war wirklich nur ein Traum gewesen… Oder zumindest würde er wieder einen besseren Überblick über die ganze Situation gewinnen. Er würde eine Lösung suchen… Und schließlich eine Lösung finden……
Etwa um 7:30 morgens öffnete Frank langsam seine Augen. Die ersten Sonnenstrahlen blendeten ihn. Er blinzelte verschlafen in das grelle Licht. Sein Rücken schmerzte von der Nacht auf der Parkbank. Frank richtete sich langsam auf und gähnte herzhaft. Er fühlte sich wohl. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Die Erinnerungen an gestern Abend waren langsam wieder zurückgekehrt. Jedoch waren sie in etwa so klar, als würde er sich am Tag nach einer alkoholdurchtränkten Party versuchen an die letzte Nacht zu erinnern. Sogar die Kopfschmerzen und das leichte Dröhnen stimmten mit dem Vergleich überein.
Jedoch war sich Frank sicher dass alles nicht so schlimm war. Er schaute auf seine Uhr. In dreißig Minuten musste Frank bei der Arbeit sein. Er konnte schlecht am ersten Tag der Woche zu spät zur Arbeit erscheinen. Nach Feierabend würde er einfach nach Hause fahren, und alles wäre wie immer. Sarah würde ihn nach ihrem freien Tag herzlich empfangen und ihm einen zärtlichen Kuss auf den Mund geben. Und alles wäre in Ordnung. Mit abwesendem Blick beobachtete er eine Zeitlang eine Gruppe von Kindern, die auf dem Weg zur Schule waren.
Langsam wurde Frank klar, dass er sich beeilen musste. Es blieben ihm nur noch fünfundzwanzig Minuten bis zum Arbeitsbeginn. Allein der Weg von hier zu seinem Büro dauerte zwanzig Minuten.
Als er sich schließlich zügig auf den Weg machte erinnerte sich Frank an sein unglücklich geparktes Auto. Es war wahrscheinlich schon längst abgeschleppt worden. Er müsste den Bus nehmen. Dann der Strafzettel von der Polizei und die Rechnung des Abschleppdienstes… Er schlug sich diese Gedanken aus dem Kopf und hoffte einfach dass der Wagen noch dastand. Wie durch ein Wunder befand sich der Saab tatsächlich noch an derselben Stelle wo er ihn abgestellt hatte. Zufrieden öffnete er die Tür und setzte sich hinein. Sogar das Autoradio war noch da. Trotz geöffnetem Verdeck und obwohl er sich in L.A. befand. Heute ist mein Glückstag!
Als sich Frank auf der Hauptstraße im allmorgendlichen Stau befand bemerkte er, dass er schlecht in dieser Aufmachung im Büro erscheinen konnte. Jeans und ein leicht verschmutztes blaues Shirt. Unter normalen Umständen wäre er trotz dem Zeitmangel nach Hause gefahren und hätte sich umgezogen. Doch Frank hatte Angst davor nach Hause zu fahren und zu entdecken dass alles noch genau so war wie letzte Nacht. Sein Schlüssel würde nicht passen, der Garagentoröffner würde nicht funktionieren. Und weder sein Namensschild an der Klingel, noch Sarah wären auffindbar. Tief im Inneren wusste er dass er sich vorhin etwas vorgemacht hatte. Er wusste dass der Gedanke dass wieder alles so wie früher ist, eine bloße Illusion war. Früher… Wie lang ist früher her?
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