Herausragenden Kenntnisse und Verdienste konnte er sicher vorweisen. Allerdings hatte ich nie von so einer Möglichkeit gehört. Egal ich war bekanntlich ein Ignorant. Ganz offensichtlich gab es die Möglichkeit und bei POR Fahle war auf sie zurück gegriffen worden. Oder ich hatte die Sache mit dem Legalitätsprinzip falsch verstanden und Polizisten hatten das Recht auf die Verfolgung von Straftaten zu verzichten. Eines von beidem musste einfach zutreffen. Andernfalls hatte sich POR Fahle mir gegenüber selbst einer Strafvereitelung im Amt nach § 258a StGB bezichtigt. Was ausgesprochen ungeschickt, um nicht zu sagen dumm, gewesen wäre. Und ein POR der BPOL konnte unmöglich dumm sein. Im Gegensatz zu mir.
So dumm wie POR Fahle dachte war ich jedoch nicht. Das Gerede von der Unterlassenen Hilfeleistung und seinem Verzicht auf eine Strafanzeige sollte mich einzuschüchtern. In Wahrheit war sein Versuch mich anzuzeigen schon im Ansatz gescheitert. Daran, dass der mir zur Last gelegte Sachverhalt keine Unterlassene Hilfeleistung nach § 323c StGB darstellte. Und daran, dass die Polizei Baden-Württemberg zuständig gewesen wäre. Leider hatte dieser undisziplinierte Haufen nie die Segnungen einer Ausbildung beim Bundesgrenzschutz genossen. POR Fahle musste daher befürchten, Argumente wie, „das sagt aber Hauptkommissar“ , könnten dort nicht reichen.
Als nächstes behauptete er, vorerst auf eine Entlassung zu verzichten. Statt dessen begnüge er sich großzügigerweise mit der Verlängerung meiner Probezeit. Obwohl eigentlich ausreichend Gründe für eine Entlassung vorlägen. Diese Klarstellung war dringend nötig. Sonst hätte ich glatt gedacht, die Entlassung sei gescheitert weil das Justitiariat seinen entsprechenden Antrag nicht bearbeiten wollte. So kann man sich täuschen. Auch Frau Dr. März war mit ihrer Einschätzung, POR Fahle würde mit der angestrebten Entlassung ohnehin nicht durchkommen, daneben gelegen. Er verzichtete aus Gutmütigkeit darauf. Und seine Gutmütigkeit wollte gar kein Ende nehmen. Was sich in seiner Ankündigung, ich solle die verlängerte Probezeit bei der BPOLI Flughafen Stuttgart, kurz BPOLI STR, ableisten, ausdrückte. Dazu hätten sie sich nach reiflicher Überlegung entschlossen. Wer unter sie zu verstehen war wollte er nicht verraten. Ich vermutete dahinter verbargen sich er und sein Brieffreund ORR Strumpf. In Anbetracht der bisherigen Erfahrungen mit POR Fahle konnte aber auch eine Verwechslung des Personalpronomens nicht ausgeschlossen werden. Vielleicht sprach er sogar bewusst im Pluralis Majestatis von sich. Wenn das unbedeutenden Statisten der Weltgeschichte wie Königen und Päpsten zustand, dann erst recht einem POR in der BPOL.
Allerdings hatte ich überhaupt kein Interesse an den Stuttgarter oder sonst einen Flughafen zu gehen. Nicht einmal vorübergehend. Hätte ich an eine Flughafendienststelle gewollt, wäre ich am Ende der Ausbildung an eine gekommen. Wie nicht anders zu erwarten interessierte es ihn nicht was ich wollte. Stattdessen zeigte er weiter für wie dumme mich hielt. Indem er erzählte die geplante Umsetzung, so bezeichnete er sein Unterfangen, diene, wie konnte es anders sein, nur meinen Interessen. Wessen denn sonst? Es sei viel besser für mich zur BPOLI STR zu gehen als bei der BPOLI S zu bleiben. Einfach herzzerreißend wenn sich der Vorsetzte so um einen sorgt.
Einige von Ihnen fragen sich jetzt vielleicht was an der geplanten Umsetzung an die BPOLI STR so schlecht war. Immerhin wäre ich dadurch außer Reichweite von POR Fahle und PHK Kauf gewesen. War ich nicht. Im Gegenteil. POR Fahle hatte nicht nur, wie bereits erwähnt, einen Gutteil seiner Karriere am Flughafen Stuttgart verbracht und verfügte dort über entsprechende Kontakte. Er hatte damals immer noch den Dienstposten des stellvertretenden Inspektionsleiters (ILV) der BPOLI STR inne. Die Leitung der BPOLI S übte er nur vorübergehend aus. Da der eigentliche IL, POR Vrolijk, seinerseits vorübergehend einen Stabsbereich in der BPOLD S leitete. Der eigentliche Leiter des Stabsbereichs wiederum war, wenn ich mich richtig erinnere, dabei in Afghanistan einen demokratischen Rechtsstaat aufzubauen. Ich wäre an der BPOLI STR daher keineswegs außerhalb von POR Fahles Einflussbereich gewesen. Im Gegenteil, im Juli hatten sich die Hinweise auf eine baldige Rückkehr von POR Vrolijk zur BPOLI S und POR Fahle zur BPOLI STR verdichtet. Zusätzlich war die BPOLI STR von meinem Wohnort deutlich schwerer zu erreichen als die BPOLI S und die Umsetzung würde deutlich längere Fahrzeiten mit sich bringen.
Statt dessen schlug ich vor, die verlängerte Probezeitzeit, so sie verlängert würde, bei der Bundespolizeiabteilung Bad Bergzabern abzuleisten. Die war zwar noch wesentlich weiter von meinem Wohnort entfernt. Es sollte aber möglich sein dort erst einmal in der Kaserne unterzukommen. Bei Bedarf würde sich dann sicher eine Wohnung in der Umgebung finden lassen. Zudem hatte Bad Bergzabern den Vorteil nicht zur BPOLD S zu gehören. War also vor POR Fahle und ORR Strumpf etwas sicherer. Als ich Vorschlug nach Bad Bergzabern zu gehen legte ich diese Überlegung natürlich nicht offen. War auch gar nicht nötig. Die Reaktion auf den Vorschlag fiel sowieso negativ aus. Wobei er meine Abneigung wegen gegen die Umsetzung festigte. Er bestätigte nämlich seine baldige Rückkehr zur BPOLI STR. Behauptete allerdings die geplante Umsetzung habe damit nichts zu tun. Vielmehr hätte er erst letzte Woche von seiner Ablösung bei der BPOLI S erfahren und die Entscheidung mich zur BPOLI STR zu schicken schon vorher getroffen. Ohnehin müsse ich mir deswegen keine Sorgen machen. Schließlich sei er dort nicht Leiter sondern bloß Stellvertreter. Er werde meine weitere Entwicklung jedoch aus der Nähe beobachten und fördern. Großartige Aussichten waren das. Ich konnte mir kaum etwas besseres vorstellen, als von ihm ihm beobachtet und gefördert zu werden.
Trotzdem wollte ich sein Angebot nicht annehmen. So verlockend die Aussicht auch war. Ich fand es einfach unfair gegenüber den Kollegen bei der BPOLI STR, wenn ich nun dorthin käme und aufgrund meiner persönlichen Beziehung zum stellvertretenden Inspektionsleiter dessen besondere Aufmerksamkeit und Förderung genösse. Zumal ich sie in keinster Weise verdient hatte. Es gab dort sicher viele weitaus begabtere Beamte die seine Zuwendung gebrauchen konnten und, im Gegensatz zu mir, sogar zu schätzen wussten. Man stelle sich einmal vor, ein aufstrebender Kollege würde nicht die ihm zustehende Aufmerksamkeit und Förderung erhalten. Nur weil POR Fahle seine kostbare Zeit mit einem hoffnungslosen Fall wie mir verschwendete. Das war Stoff für Tragödien. Was wenn der aufstrebende Kollege dadurch in seinem Aufstieg gebremst würde und so Zeit, in der er sich sonst in herausragender Position um die BPOL verdient machen konnte, verlöre. Schlimmer noch, er aufgrund dieser Enttäuschung einen anderen Weg einschlug, sich ganz von der BPOL abwendete und sein Talent für weniger edle Dinge einsetzte. Eine solche Schuld wollte ich keinesfalls auf mich laden. Leider würde POR Fahle dafür kaum Verständnis haben. Ich lies das Thema sein und wollte das Gespräch hinter mich bringen.
Was gar nicht so einfach war. Denn POR Fahle bewies eine ungewöhnliche Ausdauer, ungewöhnlich dummes Zeug zu reden. Zumindest im Erzählen von dummen Zeug war er mir mindestens ebenbürtig. So behauptete er ohne Lachen oder Grinsen, das Disziplinarverfahren habe nichts mit der Probezeitverlängerung zu tun. Sondern sei völlig unabhängig davon zu betrachten. Selbst wenn dem tatsächlich so gewesen wäre, konnte er nicht erwarten, ich würde ihm das abnehmen. Er schien es aber tatsächlich zu tun.
Aber es wurde noch besser. Denn das Beste hatte er sich für den Schluss aufgehoben. Einen Vortrag warum ich mich in der Sache keinesfalls an Dritte wenden solle. Nicht an Rechtsanwälte, den Personalrat, den Kaiser von China oder sonst wen. Gut, den Kaiser von China hat er nicht eigens erwähnt. Und zwar weil mir in der jetzigen Situation nur einer helfen könne, er. Weshalb ich mich bezüglich Probezeitverlängerung und Disziplinarverfahren zukünftig ausschließlich an ihn wenden solle. Irgendwelche anderen Stellen oder Personen einzuschalten würde meine Situation nur verschlimmern. Das ist kein Witz. Zumindest nicht von mir.
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