Ich wollte das Studium ja auch abschließen. Aber ich wollte auch irgendwie nicht. Es war zum Heulen. Aber ich hatte ja meinen Prof. Meinen Lieblingsprof. Er brachte mich auf den rechten Pfad. "Dann promovieren Sie doch!", sagte er. Ich solle doch einfach irgendwo promovieren. Nur nicht an der Theologischen Akademie, das konnte man da nicht. Aber ich könnte ja irgendwo anders promovieren, meinen Doktor machen. An einer Hochschule arbeiten, Studenten unterrichten, meinen geliebten schwarzen Rollkragenpullover für immer anbehalten. Was für eine grandiose Idee. Ich werde Doktor der Theologie. Wenn auch nicht der Philosophie, dann doch wenigstens der Theologie. Und zwar der Systematischen Theologie, der theologischen Königsdisziplin, die Erkenntnisgewinn vor Bibeltreue setzte. Eigentlich genauso gut wie Philosophie. Ich musste gar nicht Pastor werden. Heureka. Ich hatte die Lösung. Die Lösung.
Ich nahm Kontakt zu einem Professor für Systematische Theologie an der Christian-Albrecht-Uni in Kiel auf. Da hatte mein Vater übrigens auch studiert und seinen Doktor gemacht. Und meine Mutter kennen gelernt. Kiel war großartig. Und dort könnte ich sogar wieder segeln. Das hatte ich in all den Jahren gar nicht mehr gemacht. Der Wind blies mir ja auch auf dem Festland mehr als kräftig genug ins Gesicht. Und meistens direkt von vorn. Promovieren und segeln. Das gefiel mir. Vor allem aber gefiel mir, dass ich nicht Pastor werden musste. Dachte ich. Denn ich musste. Sagte das Gericht. Wieso überhaupt Gericht? Ganz einfach.
Meine Ex-Frau hatte mich auf Erfüllung des Ehegatten- und Kindesunterhaltes verklagt und Recht bekommen. Ich war ja unterhaltspflichtig und durfte nicht einfach so, nur, weil ich promovieren wollte, einen sicheren Arbeitsplatz aufgeben und damit meine Unterhaltspflicht umgehen. Sagte das Gericht. Häh? Wie bitte? Ich hatte doch gar keinen Arbeitsplatz. Dachte ich. Ich hatte aber doch einen. Das hatte ich nur vergessen.
Die Landeskirche hatte sich verpflichtet, allen erfolgreichen Studienabgängern eine Pfarrstelle zu geben, obwohl sie gerade eine Pfarrerschwemme hinter sich hatte. Sie hatte sich verpflichtet. Manch ein Absolvent musste vielleicht eine gewisse Wartezeit hinnehmen, Kandidaten aber, die ein besonders gutes Examen hingelegt hatten, bekamen sofort eine Anstellung. Ich bekam leider sofort eine. Aus der Traum. Ich musste Pfarrer werden. Da führte kein Weg dran vorbei, schließlich bereitete das Studium eben genau darauf vor. Ich kam mir vor, als hätte ich eine Wette verloren. Eine Wette mit dem Teufel. Und schon wieder klingelte Goethes Faust in meinen Ohren. Die Gretchenfrage stellte sich mir auf einmal bedrohlich ernst: Wie hältst du's mit der Religion? Und ich hatte keine Antwort darauf. Ich wusste nicht, wie ich es mit ihr halten sollte.
Ich wusste auch nicht, wofür ich Heike nun mehr hassen sollte. Dafür, dass sie mir meinen Sohn weggenommen hatte oder dafür, dass sie mich ins Pfarramt klagte. Was mir eigentlich auch egal war, ich hasste sie für beides. Und ich hasste mich selbst. Ich war ein Idiot. Und ich würde Pastor werden. Ich wusste auch nicht, was sich schlimmer anfühlte. Ich wusste gar nichts mehr. Mein Leben war zu Ende. Mit neunundzwanzig.
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