Wenn sich Läufer übers Abreißen unterhalten
Läufer:„Ich habe gestern die 20 km trotz des Regens heruntergerissen .“
Übersetzung:„Obwohl es gestern geregnet hat und ich wirklich keine Lust auf diesen Dauerlauf hatte, habe ich die 20 km ohne zu meckern exakt nach Plan durchgezogen .“
Läufer:„Gestern habe ich nichts gerissen .“
Übersetzung:„Gestern habe ich beim Wettkampf nicht das erreicht, was ich mir vorgenommen hatte. Außerdem habe ich auch keine vordere Platzierung erzielt.“
Wortart |
Verb |
Verwendungszweck |
Intervalle, Tempodauerläufe |
Sozialverträglichkeit |
mittel |
Missverständnisse |
hoffentlich nie |
Verwendungshäufigkeit |
häufiger als einem lieb ist |
Läufertypus |
Schnellstarter, Masochist |
Gesprächspartner |
Trainingspartner, Trainer, (Jäger) |
Beliebtheits-Skala |
5 |
Dieser Begriff, aus dem Jägerlatein entliehen, hat nichts mit einer Sommervariante des Biathlons zu tun, bei der man mit einem Gewehr durch die Gegend läuft und auf wehrlose schwarze Scheiben zielt, die bei erfolgreichem Abschluss durch eine weiße Klappe bedeckt werden. Genauso wenig wird hiermit eine martialische Trainingsmethode betitelt, bei der ein übereifriger Trainer, mit einem Gewehr bewaffnet, hinter einem Läufer her ist.
Während der Jäger Tiere abschießt, zielt der Läufer auf sich selbst. Man könnte also von einem absichtlichen Suizid sprechen, der allerdings nur selten tödlich für den Betroffenen endet. Meist endet das läuferische Abschießen damit, dass man sich mit seinen Armen und Händen auf den Oberschenkeln abstützt und mit nach vorne geneigtem Oberkörper wie ein Maikäfer pumpt. Abschießen bedeutet nämlich im läuferischen Sinne einfach, dass man sich gerade bis an das absolute Limit oder darüber hinaus belastet hat. Wenn sich ein Läufer abgeschossen hat, dann hat er oder sie sich bis zum Äußersten verausgabt.
Allerdings ist die Verwendung dieses Begriffes nicht für den Wettkampf zulässig, denn hier versteht es sich von selbst, dass man bis an seine Leistungsgrenze geht. Man darf diesen Ausdruck nur für das Training verwenden. Denn im Normalfall sollte man das Training so intensiv gestalten, dass man in den nächsten Tagen seine gewohnte Trainingsroutine fortsetzen bzw. das begonnene Training beenden kann. Wenn man sich im Training abschießt , muss man entweder das geplante Training abbrechen oder muss in den nächsten Tagen dafür büßen, indem man gezwungen wird Umfang oder Intensität zu reduzieren.
Besonders leicht kann man sich abschießen , indem man zu schnell in einen Dauerlauf oder in ein Intervalltraining startet. Dann hat man sich schon zu Beginn des Trainings überfordert und muss mit den Konsequenzen leben. Man kann sich aber auch durchaus am Ende eines Intervalltrainings abschießen , wenn man z.B. das letzte 1.000m-Intervall zehn Sekunden schneller als geplant läuft.
Man darf den Begriff des Abschießens nur dann verwenden, wenn die Erholungszeit nach einem Training länger als gewöhnlich dauert. Wenn man im Normalfall zwei Tage benötigt, um sich von einem anstrengenden Tempodauerlauf zu erholen, dann hat man sich nicht abgeschossen . Braucht der Körper allerdings drei oder vier Tage, dann hat man sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, zu intensiv belastet.
Es gibt Läuferinnen und Läufer, die sich regelmäßig im Training abschießen , diese können sich über die Maße motivieren und im Training bis an ihre Grenzen und darüber hinausgehen. Viele andere Athleten hingegen können das nur im Wettkampf, denn hier können sie mental und körperlich über sich hinauswachsen. Für einen sinnvollen Leistungsaufbau sollte man sich im Training so wenig wie möglich abschießen . Einzige Ausnahme können gezielte Trainingseinheiten in der Gruppe sein, um einen außergewöhnlichen Reiz vor einem wichtigen Wettkampf zu setzen. Doch dieser gezielte Abschuss muss mit äußerster Vorsicht gesetzt werden. Denn wie so oft im Leben kann dieser Schuss auch nach hinten losgehen.
Wenn sich Läufer übers Abschießen unterhalten
Läufer:„Gestern habe ich mich beim Tempodauerlauf abgeschossen .“
Übersetzung:„Gestern bin ich viel zu schnell in meinen Tempodauerlauf gestartet. Deshalb war dieser Lauf viel härter als geplant und ich habe auf den letzten Kilometern mein Tempo deutlich reduzieren müssen.“
Läufer:„Heute werde ich mich bei den Intervallen voll abschießen .“
Übersetzung:„Heute werde ich bei den Intervallen alles geben. Ich werde versuchen, mit den anderen bis zum Schluss mitzuhalten, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass es mir äußerst schwer fallen wird. Ich bin aber bereit, bis an mein Limit oder darüber hinaus zu gehen.“
Wortart |
Verb |
Verwendungszweck |
nach einem Wettkampf |
Sozialverträglichkeit |
hoch |
Missverständnisse |
selten |
Verwendungshäufigkeit |
manchmal |
Läufertypus |
Verlierer oder Gewinner |
Gesprächspartner |
guter Lauffreund |
Beliebtheits-Skala |
7 |
Es gibt für Kinder kaum etwas Spannenderes als eine Packung Panini-Fußballbilder zu öffnen, um herauszufinden, ob sie die Fotos der Profikicker für ihr Sammelalbum brauchen können. Falls ja, ziehen sie die Konterfeis der Fußballer ab und kleben diese ein. Ein Fußballer, der abgezogen wird, hat es also geschafft, mit seinem Hobby Geld zu verdienen. Dieses Privileg ist nur den allerwenigsten Läufern vorbehalten, so dass diese Bedeutung von abziehen sicherlich nicht gemeint sein kann.
Nein, wer als Läufer oder Läuferin abgezogen wird, hat eher das Gegenteil erreicht, hat nicht die sportliche Spitze erklommen, sondern muss eine Niederlage verkraften. Denn im Läuferjargon bedeutet abziehen , dass man gerade eben von einem anderen Läufer überholt und im Wettkampf geschlagen wurde. Man kann aber auch im Training abgezogen werden. Nicht selten ist der letzte Lauf eines Intervalltrainings , wenn man es in der Gruppe absolviert, eine Art Ausscheidungsrennen. Hier gibt es keine Freunde mehr, keine Entschuldigungen. Es wird mitunter ein Kampf Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau ausgetragen. Wenngleich es natürlich meist die Männer sind, die so einen Lauf als willkommene Gelegenheit wahrnehmen, um das Alpha-Männchen bis zum nächsten gemeinsamen Training zu küren. Da wird taktiert und auf den letzten Metern alles gegeben, um die Mitstreiter abzuziehen .
Allerdings kann man nicht immer von abziehen sprechen, nur weil man vor den anderen das Ziel erreicht hat. Meist beinhaltet der Ausdruck, dass der Sieg oder die Niederlage dementsprechend deutlich ausgefallen ist. Ist der Läufer, von dem man geschlagen wurde, in der Regel vor einem im Ziel, spricht man nicht von abziehen . Ist der Abstand zu diesem aber größer als üblich, dann ist der Gebrauch dieses Verbs angebracht.
Genauso angebracht ist dessen Verwendung, wenn man von jemandem besiegt wird, der in der Regel nicht vor einem das Ziel erreicht. Mit abziehen wird nämlich oftmals der etwas überraschende Charakter einer Niederlage betont.
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