„Sie sollen ein Verhältnis mit der Toten gehabt haben.“ Die Stimme der Polizistin war knapp und scharf. Wehrkamp hatte das Gespräch ohne Anwesenheit seiner Frau nicht gewollt. Also schien ihr eine Schonung unangebracht.
Das Spielchen von vorhin wiederholte sich wieder. Der Bauer wurde blass, sprang auf, verlor den anderen Pantoffel. Seine Frau drehte sich zu den Beamten um. Nur diesmal hielt sie statt des Messers einen Salzstreuer in der Hand. Vehement bestritt Wehrkamp den sexuellen Kontakt. Es stand Aussage gegen Aussage. Knoop bat den Befragten um eine Speichelprobe. Das würde den Zweifel an seiner Aussage schnell widerlegen. Wehrkamp schluckte, dann öffnete er den Mund, als Knoop den Probestab vor dessen Mund hielt. Höfftner informierte ihn, dass er seine Aussage schriftlich zu Protokoll würde geben müssen.
Höfftner erhob sich. Sie ging einige Schritte auf Knoop zu, der nahe der Ausgangstüre stand. Dann drehte sie sich um. „Ich muss Sie das fragen Herr Wehrkamp. Wo waren Sie am 9. Mai? Das war ein Freitag?“
Wehrkamp schlug mit aller Kraft auf den Küchentisch. Alles, was für den Abendtisch gedeckt war, die Schüsseln und die Teller samt des Bestecks sprangen in die Höhe. „Wollen Sie behaupten, ich hätte jemanden...“ Er scheute sich sichtlich, das abscheuliche Wort Mord auszusprechen.
Höfftner ging einen Schritt rückwärts und spannte ihre Muskulatur. Sie befürchtete einen möglichen Angriff des Erzürnten.
Knoop ging einen Schritt auf den Bauern zu. Er hob abwehrend beide Hände. „Wir behaupten gar nichts. Wir wollen nur wissen, wo Sie an diesem Tage zwischen 17 und 21 Uhr waren. Mehr nicht.“
Wehrkamp schaute seine Frau an, dann den Polizisten. „Hier!“
„Und das kann sicherlich Ihre Frau auch bestätigen?“ Knoop lächelte.
„Der Bauer schaute den Fragesteller an, als begriffe er das Gesagte nicht. Dann entspannte sich sein Gesicht. „Natürlich kann sie das. Was soll die Frage?“
„Wir hätten das gerne von ihrer Frau gehört.“ Ingrid Höfftners Stimme klang ungehalten. Die Art und Weise, wie ihr Kollege das Gespräch führte, störte sie ganz gewaltig.
Frau Wehrkamp legte den Holzschieber, mit dem sie Kartoffeln in der Pfanne hin und her geschoben hatte, beiseite. Dann schaute sie die Polizisten an, bevor sie ihren Mann anblickte. „Natürlich war er hier. Wo sollte er denn sonst gewesen sein?“
Auf dem Weg zu Laurenzo stoppte Höfftner den Wagen und lenkte ihn auf einen Seitenstreifen zwischen Fahrbahn und Radweg.
„Und?“, wollte Sie wissen.
Mikael hatte genug Zeit gehabt, sich Gedanken zu machen. Aber was wollte sie hören? Wollte sie über die Art und Weise reden, wie sie die Untersuchung führte? Wie sie ihn vor vollendete Tatsachen gestellt hatte? Aber dies war für sie wohl selbstverständlich. Das hatte sie mit ihrer Frage bestimmt nicht gemeint. Sie wollte bestimmt seine Meinung über die Aussage von Wehrkamp hören. Immerhin.
„Der Mann wurde mehrmals rot und blass. Das muss nichts bedeuten. Nicht jeder wird jeden Tag von der Polizei nach seinem Alibi gefragt. Und dann noch bei Mordverdacht. Warten wir den DNA-Abgleich ab, dann sehen wir weiter.“
„Das Alibi, welches ihm seine Frau gegeben hat, das ist doch nichts wert. Die bestätigt doch alles, was ihr Mann behauptet.“
„Das mag sein. Ich sehe das genau so, aber wir haben das Gegenteil dieser Aussage zu beweisen.“
Höfftner murmelte einen schwachen Protest.
„Aber, mir geht der fremde Kollege nicht aus dem Kopf. Der kann nicht von uns sein. Mischen hier andere Dienststellen mit? Weißt du etwas davon?“
Seine Fahrerin schüttelte den Kopf.
Die fehlende Entrüstung seiner Kollegin verunsicherte ihn. Er überging dies aber. „Eins steht jedenfalls fest. Er interessiert sich aber auffallend für unsere Arbeit.“
„Mir ist nicht bekannt, dass andere Dienststellen hier mitmischen. Das muss kein Polizist sein.“ Höfftner verdrehte die Augen, bevor sie auf ihr Spiegelbild in der Wagenscheibe schaute.
„Er hat sich als solcher aber ausgegeben.“ Knoop blickte seine Kollegin an.
„Nun, man kann solche Ausweiskarten eins, zwei, drei selbst am PC erstellen, oder einfach einen Einkaufsausweis vorzeigen. Du weißt so gut wie ich, kaum einer studiert einen solchen Ausweis genauer. Und Wehrkamp hatte keine Brille, als der A u s w e i s...“ - Sie dehnte dieses Wort absichtlich. - „...gezeigt wurde. Aber das ist im Moment nicht so bedeutsam. Was hältst du von Wehrkamp?“
Mikael hielt die Angelegenheit mit dem Fremden, ob Polizist oder nicht, für sehr bedeutsam. Er schluckte aber seine Gegenargumente hinunter. Ich sehe im Moment sein Motiv nicht. Wir brauchen mehr Hinweise.“
„Das meinst du doch nicht im Ernst? Mensch, der hat Silofolie. Welcher Mensch hat schon Silofolie, wenn nicht Landwirte? Wir müssen von all seinen Folien Proben ziehen. Erstens. Zweitens, er ist Bauer. Wie töten die ihr Vieh? Sie schneiden ihnen den Hals ab. Das ist doch gang und gäbe. Ich bin sicher, der ist Fachmann bei solchen Schnitten. Ich bin davon überzeugt, wenn wir bei dem eine Hausdurchsuchung machen, dann kommt bestimmt so ´ne Molukkische Klinge zum Vorschein.“
Knoop schüttelte energisch seinen Kopf. „Ich kenne mich zwar nicht in der Landwirtschaft aus. Ich kann mir auch vorstellen, Tiere sind hier Ware. Sie werden damit vielleicht wenig zimperlich umgehen. Aber das sind doch keine herumlaufenden Killermaschinen.“
Ingrid zog ihre Mundspitzen zusammen. „Typisch Mann. Immer wollt ihr die Frauen missverstehen. Ich habe nur gesagt, dass Halsabschneiden für die nicht fremd ist. Mehr nicht.“
Mikaels Mundwinkel zuckten. Er wollte keinen Streit um Meinungen. „Wenn du meinst, aber mit den Fakten bekommst du keinen Haftbefehl.“
„Wir müssen natürlich nach weiteren Indizien suchen. Sie startete den Wagen und beschleunigte, was das Fahrzeug hergab.
Nach ein paar Minuten hatte Mikael den Eindruck, als verfolgten sie die Scheinwerfer hinter ihnen. Er bat Ingrid langsamer zu fahren, damit der Hintermann sie überholen konnte. Nur so konnten sie bei der Dunkelheit sehen, um wen es sich handelte. Aber sie wurden nicht überholt. Bei der nächsten Gelegenheit bog das Fahrzeug links ab.
Benjamin Schnittler war diesmal zu Hause. Schnittler war eine knochige Bohnenstange. Sein Schädel ähnelte dem eines Totenkopfes, eines langen Totenkopfes. Die kurzgeschnittenen lichten Haare verstärkten diesen Eindruck noch. Es schien so, als erwartete er sie schon. Und richtig. Einer seiner Nachbarn hatte ihm gesteckt, dass die Polizei heute Morgen nach ihm gefragt hatte. Dass Schnittler immer noch da war und nicht auf der Flucht, war für Knoop ein Indiz für dessen Unschuld. Er sprach diesen Gedanken aber nicht aus, weil Ingrid sich ja schon auf Beischlaf als Motiv festgelegt hatte. Die Wohnung roch nach Staub. Sein Bewohner hielt nicht viel vom Staubwischen. Die Einrichtung war zu zweckmäßig, als dass eine Frauenhand sich hier austoben konnte. Es gab nur eine Zimmerpflanze auf dem Fenstersims. Ihr fehlte nicht nur ihre Artgenossen, ihr fehlte auch Wasser. Obwohl es weit über 21 Uhr war, schien Schnittler das nicht zu stören.
Ingrid Höfftner ging sofort in die vollen. Bei der Frage, ob er Nomfunda Mafalele kenne, bekam sie die Antwort: „Das habe ich euch doch gestern schon alles erzählt.“
Knoop hatte seine Wanderung durch die Wohnung aufgenommen. Alles, was ihn interessierte, nahm er in die Hände. Erstaunt drehte er sich zu Schnittler um. Schon wieder der unbekannte Kollege? Oder war Carlos doch gestern schon hier gewesen? Hatte er vergessen, dies zu erwähnen? Oder machte Schnittler Ausflüchte, um sich vor der Befragung zu drücken? Als Ingrid keine Anstalten machte darauf einzugehen, schaltete er sich ein.
„Wir ermitteln in mehreren Teams. Es macht Sinn, wenn verschiedene Polizisten ähnliche Fragen stellen. Meist fällt den Befragten das ein oder andere im nachhinein noch ein.“ Er legte ein Schreiben auf ein Regalbrett. Schnittler hatte wohl eine Rechnung nicht bezahlt.
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