Es dauerte länger als erwartet, bis der Kardinal in Begleitung des Offiziers wiederkam. Man sah ihm an, dass die Angelegenheit nicht so verlaufen war wie er sich das vorgestellt hatte.
„Ich befehle Ihnen, alle Arbeiten im Archiv unverzüglich einzustellen. Ab sofort ist es untersagt, Kopien aus dem Archiv zu entfernen. Auch nicht als Sicherheitskopie in den Tresor der Garde. Veranlassen Sie sofort, dass man mir diese Kopie aushändigt. Und den unverschämten Archivar werde ich mir persönlich vornehmen. Darauf können Sie sich verlassen.“
Stepanus hatte mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet. Doch er war nicht mehr bereit, sich von dem Kardinal so behandeln zu lassen. Auch wenn es sein ehemaliger Vorgesetzter war.
„Kardinal Rodrigos, ich möchte Sie höflich, aber bestimmt darauf hinweisen, dass Sie in dem Archivbereich keinerlei Befugnisse mehr besitzen. Für die Vorgehensweise hier unten trage ich persönlich die Verantwortung. Und ich bin der Meinung, dass die Sicherheitskopien, die das Resultat jahrzehntelanger Arbeiten darstellen, in dem Tresor der Schweizer Garde durchaus sicher aufgehoben sind. Auch wenn, oder gerade weil, es teilweise sehr brisante Informationen sind. Schließlich wäre es unlogisch eine Sicherheitskopie neben dem Original aufzubewahren. Wie Sie gerade selbst sagten, sollten diese Kopien nur an sicheren Orten verwahrt werden. Deshalb bin ich auch nicht bereit, Ihnen eine Kopie davon auszuhändigen. Sorgen Sie bitte auch dafür, dass jemand den Rechner wieder ordnungsgemäß zusammenbaut. Eine Netzverbindung sollte aber nicht hergestellt werden solange nicht geklärt ist ob wirklich Informationen aus dem allgemeinen Archiv veröffentlich wurden. Noch haben Sie nicht erklärt, wieso Sie überhaupt darauf gekommen sind. Das würde bestimmt auch die Garde interessieren. Ehe ich es wieder vergesse, ich habe Sie schon mehrmals informieren lassen, mir die Schlüssel für die hinteren Räume im Kellergeschoss zukommen zu lassen. Am sinnvollsten wäre es, wenn Sie sie mir jetzt gleich geben. Sonst werde ich die Schlösser morgen aufbrechen lassen. Es kann nicht sein, dass in einem Objekt wie diesem jemand Privaträume benutzt die nicht der offiziellen Verwaltung zugänglich sind.“
Je länger Stepanus redete, desto bleicher wurde der Kardinal. Er schien kurz vor dem Explodieren zu stehen.
„Das werden Sie noch bereuen.“
Dann drehte er sich um und stürmte aus dem Archiv. Der Offizier sah Stepanus an.
„Ich bewundere Sie! So hat ihm noch niemand seine Meinung gesagt. Hoffentlich ist Ihnen klar, dass sich daraus noch ein Nachspiel ergeben wird. Dieser Kardinal hat exzellente Beziehungen zur Kurie. Manchmal glaube ich, dass es im Untergrund Verbindungen gibt, die mehr zu sagen haben als selbst unser Heiliger Vater. Wenn ja, kann der Kardinal sie bestimmt ausnutzen. Aber ich werde Sie unterstützen soweit es in meiner Macht steht. Da spielt wohl der Konflikt zwischen alt und neu deutlich mit.“
„Danke. Dass die Angelegenheit damit noch nicht zu Ende ist, ist mir klar. Aber das Archiv ist mein Aufgabenbereich. Den verwalte ich nach meinen Vorstellungen. Wenn ich meine Kompetenzen damit überschreite, soll man mir das sagen, dann bin ich bereit, die entsprechenden Konsequenzen zu tragen. Aber solange passiert das, was ich für richtig halte und nicht, was jemand anders möchte. Egal wer das ist. Was hat der Kardinal Ihnen eigentlich erzählt, dass Sie ihn ins Archiv gelassen haben?“
Der Offizier sah Stepanus erstaunt an.
„Wie kommen Sie darauf, dass ich ihn eingelassen habe? Und was ist mit dem anderen Archivar? Er müsste doch schon lange hier sein.“
„Ich habe den Kardinal auch nicht ins Archiv gelassen. Dann scheint er wohl noch einen Schlüssel zu besitzen. Riccardo, mein anderer Archivar hatte heute Nacht einen tödlichen Verkehrsunfall. Zumindest war das die Information, die ich von dem Kardinal bekommen habe.“
„Die Angelegenheit wird immer verworrener. Offiziell besitzen nur Sie und Ihr Archivar Martin einen eigenen Schlüssel. Was soll das übrigens mit Ihrem anderen Archivar? Wenn ein Angehöriger des Vatikans eines unnatürlichen Todes stirbt, wird normaler Weise immer der Sicherheitsdienst informiert!“
Stepanus bat den Offizier noch sich die verschlossene Tür in der unteren Etage anzusehen. Die war mit einem dicken Vorhängeschloss gesichert.
„Damit wird es keine Probleme geben. Jeder mittelmäßige Schlosser hat das in wenigen Sekunden geöffnet. Wissen Sie was, ich werde Ihnen gleich jemanden schicken der noch ein richtiges Schloss zusätzlich anbringt. Auch an der Tür zum internen Teil werde ich die Codierung ändern lassen. Außerdem lasse ich den Haupteingang heute Nacht bewachen. Morgen wird dann ein neues Schließsystem eingebaut. Es sollte mich sehr wundern, wenn dann noch unberechtigte Besucher hier eindringen können.“
Dieser Vorschlag beruhigte Stepanus ein wenig. Jetzt musste er nur noch Martin erreichen, um ihn mit der neuen Situation vertraut zu machen. Damit sah die Welt schon wieder ein wenig rosiger aus. Sogar in den unterirdischen Räumen.
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